Datengrundlage
Meist sind es staatliche Stellen, die statistische Bevölkerungszahlen erheben. Das proto- und frühstatistische Quellenmaterials des 18. Jahrhunderts wurde erst seit den 1990er Jahren systematisch erschlossen - ermöglicht nun aber Analysen über mehrere Jahrunderte hinweg.Daten zu Haushalt und Familie wurden seit dem frühen 19. Jahrhundert zunehmend systematisch von staatlichen Behörden erhoben und publiziert. Dafür wurden einerseits die jährlichen Daten zur Bevölkerungsbewegung genutzt, die von den bis 1874 für das Personenstandswesen zuständigen Kirchengemeinden (und danach von den Standesämtern) festgehalten wurden, andererseits, meist im Dreijahresrhythmus, Ergebnisse von Volkszählungen. Für die Zeit nach 1871 hat das Kaiserliche Statistische Amt, später das Statistische Reichsamt, in der DDR die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik und in der Bundesrepublik das Statistische Bundesamt entsprechende Reihen publiziert. Komplex ist die Quellenlage daher allenfalls für die Zeit vor 1871, und zwar aus drei Gründen: Erstens weil auf die Daten der einzelnen, erst 1871 zusammengeschlossenen Territorien zurückgegriffen werden muss, zweitens weil es sich um eine Übergangsperiode zwischen der "Protostatistik" des 18. Jahrhunderts und der modernen amtlichen Statistik handelt, drittens weil bereits im 19. Jahrhundert nachträgliche Rekonstruktionen zu zentralen Reihen der Zeit vor 1871 mit räumlichem Bezug auf das spätere Reichsgebiet erstellt wurden[1], die in der nachfolgenden Forschung[2] weiter verwendet wurden, trotz ihres historisch unangemessenen Territorialbezugs und obwohl sie vor allem auf Einzelstaatsebene vielfach von den zugrunde liegenden Archivquellen bzw. der zeitgenössischen Publizistik abweichen.
Zu einer systematischen Erschließung des proto- und frühstatistischen Quellenmaterials für Deutschland kam es erst seit den 1990er Jahren durch Rolf Gehrmann bzw. das Laboratory for Historical Demography am Max-PlanckInstitut für demografische Forschung in Rostock.[3] Die in diesem Abschnitt für die Zeit vor 1871 verwendeten Werte für (mittlere) Einwohnerzahl, Geburten-, Sterbe- und Heiratsraten beruhen auf einer Auswertung des von Gehrmann erschlossenen Quellenmaterials durch Christian Schlöder (Publikation in Vorbereitung). Für andere Reihen, zum Beispiel Alters- und Jugendlastquotienten, Totale Fruchtbarkeitsrate und männliche Übersterblichkeit können vor 1871 zwar keine gesamtdeutschen, aber zumindest preußische Daten berechnet werden.[4]
Zum Weiterlesen empfohlen
Josef Ehmer: Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie 1800 – 2010, München 2013.Andreas Gestrich /Jens-Uwe Krause / Michael Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003.
Georg Fertig: Demographische Revolution: Die Geschichte der Weltbevölkerung, 1700 –1914, in: Walter Demel /Hans-Ulrich Thamer (Hrsg.): Wissenschaftliche Buchgesellschaft Weltgeschichte, Bd. 5: Die Entstehung der Moderne: 1700 bis 1914, Darmstadt 2010, S. 13 – 40.
Rolf Gehrmann/Thomas Sokoll: Historische Demographie und quantitative Methoden, in: Michael Maurer (Hrsg.): Aufriß der historischen Wissenschaften, Bd. 7: Neue Themen und Methoden der Geschichtswissenschaft, Stuttgart 2003.
Patrick R. Galloway / Eugene A. Hammel / Ronald D. Lee: Fertility Decline in Prussia, 1875 –1910: A Pooled Cross-Section Time Series Analysis, in: Population Studies, 48 (1994), 1, S. 135 –158.
Arthur E. Imhof: Einführung in die historische Demographie, München 1977.
Franz Rothenbacher: Historische Haushalts- und Familienstatistik von Deutschland 1815 –1990, Frankfurt a. M. 1997.