Entwicklung seit 1945
Die Bundesrepublik knüpfte mit ihrer Steuerpolitik an die Weimarer Zeit an. Die fiskalische Stellung der Länder und Kommunen wurde wieder gestärkt und Unternehmen sollten zu Investitionen angeregt werden.Analog zu der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stand 1945 einem gewaltigen Bestand an Reichsmark nur eine sehr geringe Produktion von Konsumgütern gegenüber. Die daraus resultierende Inflation, die sich wegen der staatlichen Preispolitik nur auf dem Schwarzmarkt zeigte, wurde erst im Juni 1948 mit der Einführung der Deutschen Mark (DM) beendet. Wie schon 1923/24 entledigte sich damit der deutsche Staat seiner inländischen Schuld durch eine zweite große Enteignung, die gerade auch zu Lasten der unteren und mittleren Schichten ging. Die zweite große Lücke in den hier aufgeführten finanzstatistischen Zeitreihen findet sich somit zwischen 1939 und 1949, dem Jahr der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Für die DDR sind im Tabellenteil nur wenige Daten aufgeführt, da in der Rechnungslegung einer staatlichen Planwirtschaft Steuern ein ganz anderer Stellenwert zukommt als in einer kapitalistischen Marktwirtschaft, in der private und öffentliche Rechnung klar getrennt sind. Daher sind im Tabellenteil lediglich die Ausgaben und Einnahmen der DDR wiedergegeben. (siehe Tab 1, Tab 3)

Die Steuerpolitik war zunächst darauf ausgerichtet, den Unternehmen Investitionen zu erleichtern – nur nahm der Staat im Gegensatz zum Dritten Reich kaum Einfluss darauf, wofür investiert wurde. Wie in der Weimarer Zeit stieg auch nach dem Zweiten Weltkrieg der Anteil der öffentlichen Ausgaben für den Ausbau des Wohlfahrtsstaats. (siehe Tab 2, Abb 2)
Vor allem die 1957 kurz vor einer Bundestagswahl vorgenommene Dynamisierung der Renten (sie sollten fortan so stark ansteigen wie das Lohnniveau) und die Umstellung der Rentenversicherung auf das Umlageverfahren erwiesen sich als sehr kostspielig (vgl. hierzu den Beitrag zum Thema Sozialpolitik in diesem Band). Dabei unterschieden sich konservativ geführte Regierungen nur wenig von sozialdemokratisch geführten; eine der ersteren führte unter Bundeskanzler Helmut Kohl mit der Pflegeversicherung (in Kraft seit 1996) sogar die fünfte und bislang letzte Säule der Sozialversicherung ein. Trotz der Wiederbewaffnung seit 1956 errang die Finanzierung des Militärs nicht mehr die Bedeutung wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Hingegen verschlang der Ausbau des Bildungssystems, zunehmend auch der des Hochschulsystems, einen immer größeren Anteil der öffentlichen Ausgaben. (siehe Tab 2, Abb 3)

Die Mineralölsteuer (seit 2006 Energiesteuer) ist im Gegensatz zur Mehrwertsteuer eine Mengensteuer. Sie wurde 1930 eingeführt, erlangte aber vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg eine immer größere Bedeutung und stellt heute nach der Einkommensteuer und der Mehrwertsteuer den drittgrößten Einnahmeposten. Betrug der Steuersatz 1951 umgerechnet noch 0,07 Euro je Liter Benzin, so stieg er bis in die 1970er Jahre auf etwa das Dreifache. Ein sprunghafter Anstieg des Satzes auf umgerechnet 0,42 Euro je Liter erfolgte 1991 zur Finanzierung der deutschen Wiedervereinigung. Heute (2015) beträgt der Satz 0,65 Euro je Liter Benzin, der zudem noch der Mehrwertsteuer unterliegt. (siehe Tab 4)

Insgesamt weist das Verhältnis aller Steuereinnahmen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) (Steuer(last)quote) von 1950 bis heute eine bemerkenswerte Konstanz auf; es lag immer zwischen 21 und 25 Prozent. Stark angestiegen sind hingegen die Sozialabgaben. (siehe Tab 3, Abb 4)
Die gewaltige absolute Steigerung des Steueraufkommens hat jedoch nicht verhindern können, dass die öffentliche Schuld stark angestiegen ist. In den Jahren hohen Wirtschaftswachstums war die öffentliche Hand überproportional mitgewachsen. Der Rückgang des Wachstums Mitte der 1970er Jahre, der zunächst mit der Ölpreiskrise und von konservativer Seite mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik der sozialdemokratisch geführten Regierungen in Verbindung gebracht wurde, setzte sich auch unter konservativ geführten Bundesregierungen fort. Die Neuverschuldung der öffentlichen Hand zu bremsen, erwies sich schon wegen des hohen Anteils an Gehältern als ausgesprochen schwierig. Dennoch schien dies Ende der 1980er Jahre erreicht worden zu sein, als die Neuverschuldungs-("Maastricht"-)Quote auf 1 bis 2 Prozent des BIP zurückging. (siehe Tab 3, Tab 5, Abb 6)
Der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ("Wiedervereinigung") machte jedoch ab 1990 enorme Investitionen und sonstige Ausgaben erforderlich, die man nur sehr beschränkt mit Steuererhöhungen – so geschehen vor allem bei der Mineralölsteuer und durch die Einführung eines Zuschlags zur Einkommensteuer im Westen ("Solidarbeitrag") – finanzieren konnte, wenn man die Konjunktur nicht abwürgen wollte. Die öffentliche Verschuldung stieg daher Anfang der 1990er Jahre stark an. Zusammen mit der Wahrnehmung der demografischen Entwicklung und der bis in die frühen 2000er Jahre scheinbar unaufhaltsam steigenden Arbeitslosigkeit führte dies zu einer Diskussion um den Wohlfahrtsstaat, die bis heute anhält.