Die Entwicklung der Kriminalität nach Geschlecht und Alter
Im Zeitverlauf scheint es persistent große Unterschiede zwischen der aufgezeichneten Kriminalität zwischen Frauen und Männern zu geben. Auch im Zuge wandelnder Geschlechterrollen scheint sich daran nichts zu ändern.

Der säkulare Anstieg der polizeilichen Häufigkeitsziffer in der Nachkriegszeit hat Kriminologen zu neuen Erklärungsansätzen provoziert, die die Zunahme von Tatgelegenheiten in der modernen Wohlstandsgesellschaft in den Mittelpunkt rücken. Aber auch ein verändertes Anzeigeverhalten und eine konsequentere Registrierung dieser Anzeigen durch die Polizei werden als Gründe dieses Anstiegs angenommen. Die Schere zwischen der stark steigenden Häufigkeitsziffer der Polizei und relativ stabilen Verurteiltenraten lässt auf einen Wandel im Umgang mit Straftätern schließen, der mangels verfügbarer staatsanwaltschaftlicher Statistiken vor 1980 nicht direkt darstellbar ist. Eine Liberalisierung des Strafrechts führte seit den 1970er Jahren dazu, dass der Anteil der von der Staatsanwaltschaft gegen Auflagen eingestellten Verfahren von einem sehr kleinen, aber unbekannten Anteil auf 57 Prozent (im Jugendstrafrecht sogar 71 Prozent) im Jahr 2012 angestiegen ist.[1] Diese kriminalpolitisch gewünschte Zurückhaltung hatte auch zur Folge, dass die Fallzahlen in den Strafgerichten trotz ständig wachsender Kriminalitätsziffern konstant blieben.

Es gibt keine Hinweise für eine Angleichung des kriminellen Verhaltens von Frauen im Zuge sich wandelnder Geschlechterrollen.
Anders dagegen verlief die historische Entwicklung bei den Jugendlichen. Spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts galt dieser Altersgruppe die besondere Besorgnis von Staat und Öffentlichkeit, was in die Etablierung eines besonderen Jugendstrafrechts mündete.[2] Die Verurteiltenrate der Jugendlichen stieg jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich an; ihr Rückgang nach 1982 geht ausschließlich auf das Konto der Ausweitung vorgerichtlicher Sanktionen, denn die Kurve der polizeilich registrierten jugendlichen Tatverdächtigen weist über die gesamte Nachkriegszeit bis zur Jahrtausendwende steil nach oben und hat sich innerhalb von 50 Jahren sogar vervierfacht. Das Verhältnis der Tatverdächtigenraten von Erwachsenen und Jugendlichen hat sich dadurch verkehrt, letztere weisen heute eine erheblich höhere Rate auf.
Seit Beginn der Kriminalstatistik im 19. Jahrhundert wird darüber diskutiert, welchen Anteil an dem überproportionalen Anstieg der Jugendkriminalität ein Wandel von privaten zu formellen Reaktionsformen auf abweichendes Verhalten hat.6 Wiederholte Dunkelfeldbefragungen können belegen, dass heute tatsächlich ein höherer Anteil jugendlicher Delinquenten bei der Polizei angezeigt wird als noch in den 1970er Jahren.7 Welchen Anteil dieser Trend an dem langfristigen Anstieg der registrierten Jugendkriminalität hat, lässt sich jedoch nicht bestimmen, ebenso wie Kriminologen Schwierigkeiten haben, den deutlichen Rückgang der Jugendkriminalität seit der Jahrtausendwende zu erklären.