Der Beginn des modernen Massentransports
'Revolution' ist ein großes Wort – aber für die Veränderungen des Transportwesens im späten 19. Jahrhundert zweifelsfrei zutreffend: In den Jahren zwischen 1850 und 1870 stieg der Personenverkehr um ein 16-Faches, der Güterverkehr in Deutschland sogar um das 25-Fache.Die Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnlinie von Nürnberg nach Fürth im Jahr 1835 markierte noch nicht den Durchbruch, aber den Anfang der Transportrevolution im 19. Jahrhundert. Erst die Erfindung eines maschinengetriebenen Verkehrsmittels mit einer niedrigen Gleitreibung ermöglichte den kostengünstigen Transport schwerer Massengüter wie Kohle und Erz abseits der Flüsse und der noch kaum vorhandenen Kanäle. Obwohl die Eisenbahn als schnelles Transportmittel für Menschen, Briefe und Zeitungen bereits in der Revolution von 1848 eine Rolle spielte, war das deutsche Eisenbahnnetz 1850 mit einer Länge von 4 800 km jedoch noch weitmaschig.

Die Transportrevolution im Landverkehr beschleunigte neben der privaten Kommunikation per Brief auch die mediale Massenkommunikation durch Zeitungen, die immer häufiger noch am gleichen Tag den Zeitschriftenhandel und die Abonnenten erreichten. Obwohl das Landstraßennetz in Preußen und den anderen Staaten des Deutschen Bundes systematisch gepflastert und für schwerere Fuhrwerke ausgebaut wurde[2], konnten weder der Güterverkehr noch der Personenverkehr auf längeren Strecken hinsichtlich der Transportkosten und Fahrzeiten mit der Eisenbahn konkurrieren. Die Landstraßenmaut, die in Preußen erst 1875 abgeschafft wurde, war ein weiterer Anreiz, Güter auf längeren Strecken mit der Bahn zu versenden.

Aus haushaltspolitischen Gründen machten die Regierungen in Preußen und den anderen deutschen Ländern in den späten 1870er Jahren von ihrem Recht Gebrauch, die Aktien der größeren privaten Eisenbahngesellschaften aufzukaufen. Die Königlich Preußische Eisenbahnverwaltung (KPEV) war, wie der Name sagte, kein selbstständiges öffentliches Unternehmen, sondern eine unselbstständige Betriebsverwaltung innerhalb des Staatsministeriums für öffentliche Arbeiten. Das Preußische Ministerium für öffentliche Arbeiten nutzte seinen finanziellen Spielraum aus, um mit den Betriebsüberschüssen der KPEV den Bau von Nebenbahnen zu finanzieren und andere Gebietskörperschaften, wie die Provinzialverwaltungen und die Landkreise, bei der Finanzierung von eigenen Nebenbahn- und Kleinbahnprojekten zu unterstützen.[4] Vor allem durch den Bau von Nebenbahnen verdoppelte sich die Länge des deutschen Eisenbahnnetzes von 1878 (30 000 km) bis 1914 (62 000 km). Sieht man von kleineren Staaten wie Belgien und der Schweiz ab, besaß das Deutsche Reich das dichteste Eisenbahnnetz auf dem europäischen Kontinent. Auch die Kommunikation per Brief hatte sich nicht zuletzt durch die Synergieeffekte zwischen dem Ausbau des Bahnnetzes und der beschleunigten Postbeförderung sehr verdichtet. Während 1870 334 Millionen Briefsendungen verschickt wurden, waren es 1913 6 822 Millionen. Der Postverkehr erreichte damit ein Niveau, das in den 1920er und 1930er Jahren nur noch unwesentlich übertroffen wurde. (siehe Tab 1, Tab 6)

