Verbraucherpreisindex und die Kaufkraft des Geldes
Die Kaufkraft des Geldes hat sich im Vergleich zu vorherigen Jahrhunderten stark geändert. Ein Grund ist die persistente Inflation (Erhöhung des Güterpreisniveaus) der letzten Jahrzehnte.Betrachtet wird zunächst die Entwicklung des Index von 1834 bis 2013 in Abbildung 4 (1834 =100), ohne die Jahre 1922 und 1923. Bis zum Jahr 2013 steigt der Index auf 2 600 an. Gegenüber 1834 (=100) hat er sich also auf das 26-Fache erhöht, wobei allerdings das Ausmaß dieses Anstiegs nicht gleichmäßig auf die 179 Jahre verteilt war. Es dauerte nämlich bis 1980, also 147 Jahre, bis der Index die erste Hälfte des Anstiegs zurückgelegt hatte, wogegen er für die zweite Hälfte nur noch 33 Jahre benötigte. (siehe Abb 4)


Ab 1881 stabilisiert sich das Preisniveau, die großen Ausschläge gehören der Vergangenheit an. Es ist die Phase, die als Eintritt Deutschlands in den Hochkapitalismus angesehen wird und in der die Währung auf dem Goldstandard basiert. Von 1900 bis 1912 dauert die erste längere Phase, in der die Preisveränderungen ausschließlich positiv sind. In den 33 Jahren von 1881 bis 1913 steigt der Index von 100 auf 135, wobei die jährliche Inflationsrate lediglich 0,9 Prozent beträgt.[4]
Der Beginn des Ersten Weltkrieges stellt eine weitere Epochengrenze dar. Mit der Aufhebung der Goldeinlösepflicht macht sich im Verlauf des Ersten Weltkriegs ein immer schnellerer Preisanstieg bemerkbar. Bis zum Kriegsende am 11. November 1918 (Waffenstillstand) ist der Index gegenüber 1913 um mehr als das Dreifache angestiegen (1834 =100, 1913 = 261, 1918 = 810; vgl. VPI für private Haushalte: 1834 =100, Tabelle 4). Auch nach Beendigung der Kriegshandlungen steigen die Preise weiter. Anfang 1922 beschleunigt sich der Preisanstieg dramatisch. Aus der galoppierenden Inflation wird 1923 eine Hyperinflation. Im Dezember 1923 hat der Index gegenüber 1913 (=100) einen Wert von 124,7 Billionen (in Ziffern: 124 700 000 000 000) erreicht. Reichsbanknoten mit astronomischen Nennwerten zeugen nicht nur vom Kaufkraftverfall der deutschen Währung, sondern vom Funktionsverlust des Geldes schlechthin. So sind die Jahre 1918 bis 1923 als "große Inflation" in die deutsche Geschichte eingegangen. Sie entziehen sich einer normalen Interpretation des Preisverlaufs und haben auch deshalb im kollektiven Gedächtnis der Deutschen tiefe Spuren hinterlassen, die die Angst vor Inflation und Geldentwertung bis heute bestimmen.

Auch die Periode nach 1948 lässt sich in mehrere Epochen aufteilen. Betrachtet man die Entwicklung des Index und seine Veränderungsraten, dann fällt zunächst auf, dass es in der Zeit von 1951 bis 2013 nur zweimal, nämlich 1953 und 1986, zu einem Rückgang des Index gekommen ist. Ein dauerhafter Anstieg der Preise scheint dagegen zur Normalität geworden zu sein. Besonders dramatisch war der Preisanstieg nach 1970 bis zu Beginn der 1980er Jahre, mit Inflationsraten von etwa 7 Prozent. Da in dieser Zeit auch das Wirtschaftswachstum zurückging und die Arbeitslosigkeit zunahm, spricht man in diesem Zusammenhang auch von "Stagflation". Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hat den Preisauftrieb allenfalls kurzfristig beeinflusst. Die Inflationsraten sind nach 1993 stark rückläufig und bewegen sich seit 1994 zwischen 2,6 und 0,6 Prozent. Wenn neuerdings der Rückgang der Preissteigerungen von vielen mit dem Gespenst der Deflation in Verbindung gebracht wird, so sollte man dabei nicht übersehen, dass die Preissteigerungen der Gegenwart viel eher mit dem säkularen Mittelwert von etwa 2 Prozent und damit der langfristigen "Normalität" übereinstimmen, als es die Jahre mit hoher Inflation tun.[6]