Außenhandel
Es gibt verschiedene Maße um Außenhandel zu quantifizeren. Die zwei gängigsten sind der sog. "Offenheitsgrad" und die "realen Exporte pro Kopf".Der Außenhandel bezeichnet den Teil der heimischen Produktion, die im Ausland abgesetzt wird bzw. den Teil der heimischen Nachfrage, die von nicht in Deutschland produzierten Gütern gedeckt wird. Der Saldo von Importen und Exporten schlägt sich in der Handelsbilanz nieder, die als Teil der Zahlungsbilanz im nächsten Kapitel behandelt wird.


Als Folge dieser Schutzzollpolitik fielen 1880 die Importe deutlich, auf 14 Prozent des BIP, wobei es sich bei einem Teil dieser Verringerung des Offenheitsgrades um ein statistisches Artefakt handeln könnte, verursacht durch die 1880 in Kraft getretene Reform bei der Erhebung der Handelsstatistik. Bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs stieg die Importquote erneut auf 19 Prozent, die Globalisierungskräfte blieben also langfristig bedeutsam. Im Fall der Exporte sind die Schwankungen geringer und das Jahr 1879 stellt keine Zäsur dar. Allerdings fällt der Anteil der Exporte am BIP ab Mitte der 1880er Jahre, um dann bis zum Ersten Weltkrieg erneut deutlich anzusteigen, bis auf 17,8 Prozent im Jahr 1913.
Während des Ersten Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren ist die Entwicklung der Reihen sehr volatil und mit Unsicherheit verbunden, was insbesondere mit den hohen, bis Ende 1923 monatlich zunehmenden Inflationsraten erklärt werden kann. Insgesamt zeigt sich beim Außenhandel nach einer Stabilisierung insbesondere der Importe (die deutlich über den Exporten liegen) eine deutlich fallende Tendenz, insbesondere seit Beginn der Weltwirtschaftskrise und während der Zeit nationalsozialistischer Autarkiepolitik und des beginnenden Zweiten Weltkriegs, in dessen Verlauf der Außenhandel erneut zusammenbrach bzw. von Besatzungspolitik und politisch-militärischen Allianzen bestimmt war.
Seit Gründung der Bundesrepublik nahm der Offenheitsgrad stetig zu, von knapp 12 Prozent Anfang der 1950er Jahre bis 24 Prozent im Jahr 1985 bei den Importen, um danach bis Ende der 1990er Jahre bei etwa 20 Prozent zu stagnieren und seitdem auf historische Rekordwerte (35 Prozent im Jahr 2011) anzusteigen, die auch im internationalen Vergleich ungewöhnlich sind.[2] Einen besonderen Anteil an der Zunahme des Import-Offenheitsgrades (also des Anteils der Importe am BIP) bis Mitte der 1980er Jahre und seinem Fall im darauffolgenden Jahrzehnt hatten der starke Anstieg der Rohöl- und anderer Rohstoffpreise und der folgende Fall dieser Preise. Im Fall der Exporte ist der Anstieg bis zur Wiedervereinigung (29 Prozent 1990) kontinuierlich, um dann bis 1999 unter dieses Niveau zu fallen. Es steht zu vermuten, dass ein Teil der zuvor aus den alten Bundesländern exportierten Produktion nun in den neuen Bundesländern nachgefragt wurde, deren Wirtschaft gleichzeitig die Herausforderungen der Umstellung auf die marktwirtschaftliche Verhältnisse und den Zusammenbruch des Außenhandelssystems der sozialistischen Länder Osteuropas (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) zu bewältigen hatte. Seit dem Jahr 2000 stieg der Anteil der Exporte am BIP erneut kontinuierlich an, bis auf 42 Prozent im Jahr 2012. Bemerkenswert ist zudem, das in allen Jahren seit 1950 der Offenheitsgrad der Exporte über dem der Importe lag, die deutsche Handelsbilanz also positiv war. Darauf wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen, zuvor soll hier jedoch kurz hervorgehoben werden, dass dies im historischen Vergleich, etwa mit der Zwischenkriegszeit, keine Selbstverständlichkeit darstellt.
Bezüglich der Exporte pro Kopf tritt die Internationalisierung des Warenhandels noch deutlicher hervor. Im Referenzjahr 2010 exportierte die deutsche Wirtschaft Waren im Wert von 11 645 Euro pro Einwohner, mehr als doppelt so viel wie noch im Jahr der Wiedervereinigung, als die (inflationsbereinigte) Ausfuhr bei 4 950 Euro pro Kopf lag. Zum Ende der Wirtschaftswunderzeit waren es in der alten Bundesrepublik 1973 2 950 Euro pro Kopf, zu deren Beginn 1950 221 Euro pro Kopf. Vor dem Zweiten Weltkrieg lagen die Werte zwischen etwa 150 Euro pro Kopf zu Beginn der 1880er Jahre und 491 bzw. 528 Euro in den Jahren 1913 und 1929. Insgesamt wuchs der Export pro Einwohner von 1880 bis 2012 um mehr als 9 000 Prozent, oder 3,5 Prozent pro Jahr. (siehe Tab 3)

Dies zeigt sich auch in der Betrachtung der deutschen Im- und Exporte auf Güterebene, die sich aufgrund der deutlichen Veränderungen sowohl der Wirtschaftsstruktur als auch der sie widerspiegelnden Kategorien der offiziellen Handelsstatistik in langfristiger Perspektive schwierig gestaltet. Im Jahr 1865 waren die wichtigsten Importgüter des Deutschen Zollvereins Baumwolle, Schafwolle (beide für die aufstrebende Textilindustrie), Kaffee, Wollgarn und Seide, während die wichtigsten Exportgüter Seiden- und Halbseidentuche, Wolltuch, Baumwolltuch (allesamt Erzeugnisse der Textilindustrie) sowie Weizen und Steinkohle waren. Tabelle 4 zeigt, dass Baumwolle und Wolle bis etwa 1950 bedeutende Importgüter blieben, heute aber – mit der Verlagerung der Textilproduktion insbesondere nach Asien – bedeutungslos geworden sind. Die Folgen dieser Verlagerung in der zunehmenden Bedeutung von Bekleidungsimporten seit den 1960er Jahren sind in Tabelle 4 erkennbar.


Ebenso nahm in den 1870er Jahren die Bedeutung des Weizens als Exportgut rapide ab, Exporte von Textilien verloren in der Zwischenkriegszeit an Bedeutung und Steinkohle ist seit Mitte der 1960er Jahre kein bedeutendes Exportgut mehr. In der Handelsstatistik für 2010 dominieren bei den Importen Erdöl, Personenkraftwagen, Erdgas, Medikamente und Autoteile das Bild, während es bei den Exporten vor allem Kraftfahrzeuge und Teile derselben, medizinische und pharmazeutische Produkte, Flugzeuge und Maschinen sind. (siehe Tab 4, Tab 5)



Seit 1880 liegen ebenfalls zuverlässige Zahlen zur geografischen Verteilung des Außenhandels vor, aufgeschlüsselt in den Tabellen 6 und 7 nach den wichtigsten Herkunfts- und Zielländern sowie nach Kontinenten. Trotz Globalisierung und zunehmender Integration von Transport- und Kommunikationsnetzwerken wurde über den gesamten Zeitraum der Großteil des Handels deutscher Unternehmen mit anderen deutschen Regionen abgewickelt und der Großteil des deutschen Außenhandels mit anderen europäischen Ländern. Über die letzten 130 Jahre wurden im Schnitt 75 Prozent der deutschen Exporte nach Europa versandt, 66 Prozent der deutschen Importe stammten von hier. 13 Prozent der Importe stammten aus Amerika, das seinerseits 18 Prozent der deutschen Exporte abnahm. Die Anteile Asiens lagen im Schnitt bei 10 Prozent der Im- und 8 Prozent der Exporte, während insgesamt etwa 5 Prozent des deutschen Außenhandels mit Afrika und Ozeanien abgewickelt wurden. Im Zuge der Globalisierung des 19. Jahrhunderts fiel der Anteil Europas an den deutschen Importen von knapp 90 auf etwa 60 Prozent, wobei Großbritannien, Österreich-Ungarn und Russland den größten Anteil an den Importen aufwiesen. Der fallende Anteil Europas erklärt sich vor allem durch verstärkte Importe aus Amerika, unter denen die USA etwa die Hälfte und Kanada und der Süden Südamerikas einen bedeutenden Anteil ausmachten. Die Zunahme dieses Handels, fast ausschließlich aus Nahrungs- und Genussmitteln sowie Industrierohstoffen bestehend, wird unter dem Begriff der "Getreideinvasion"[3] zusammengefasst, die allerdings auch andere Güter wie Fleisch, Tabak, Kakao und Kaffee, Wolle und Baumwolle umfasste. Insbesondere Getreide wurde in diesen Jahren auch aus Osteuropa, insbesondere dem Russischen Reich, importiert. Auch der steigende Anteil Asiens und Ozeaniens erklärt sich durch ein ähnliches Muster im Zuge der Herausbildung einer Weltwirtschaft, in der Deutschland Teil des industrialisierten Zentrums im Nordatlantik war, das Industriegüter gegen Rohstoffe und Nahrungs- und Genussmittel austauschte. Hauptabnehmer der deutschen Exporte blieben jedoch andere sich industrialisierende europäische Länder wie Großbritannien, Frankreich und Österreich-Ungarn. Der Absatz deutscher Waren blieb bis zum Ersten Weltkrieg stärker auf Europa konzentriert (75 Prozent im Jahr 1913) als die Importe, wofür auch hohe Zölle auf Industriegüter in den USA und vielen anderen außereuropäischen Ländern verantwortlich waren.[4] (siehe Tab 6, Tab 7, Abb 4)


Die unterschiedliche Stellung Chinas als Import- und Exportpartner weist auf das folgende Kapitel hin, die Darstellung und Erläuterung der Zahlungsbilanz, in der neben den Ergebnissen der Handelsbilanz auch die über den Güterverkehr hinausgehende Integration Deutschlands in die Weltwirtschaft deutlich wird, etwa bezüglich des Austausches von Dienstleistungen (wie Tourismus) und Kapitalflüssen.