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Vergleich von Industrieländern | Verteilung von Armut + Reichtum | bpb.de

Verteilung von Armut + Reichtum Verteilung - ein kontroverses Thema Bedeutung und Aktualität der Verteilungsfrage Verteilungsdimensionen - Verteilung von was? Ebenen der Einkommensverteilung Sozialstaat und Einkommensumverteilung Begriffe und Indikatoren Funktionelle Einkommensverteilung Arbeitseinkommen Verfügbare Haushaltseinkommen Vermögensverteilung Armutsrisikoquoten und Grundsicherungsquoten Reichtumsquoten Datengrundlagen Datenprobleme Gesamtwirtschaftliche Einkommensverteilung Arbeitnehmereinkommen Verdienststruktur Alte und neue Bundesländer Tarifentgelte und Tarifbindung Niedriglöhne Mindestlöhne 450 Euro Beschäftigung/Minijobs Gender Pay-Gap Nettoverdienste Einkommensverläufe Lohnhöhe und Lohnersatzleistungen Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit Selbstständigkeit - ein komplexes Feld Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit Haushaltseinkommen Auf die Haushaltseinkommen kommt es an Brutto- und Nettoeinkommen der privaten Haushalte Verteilung der Haushaltsnettoeinkommen Verteilung der Nettoäquivalenzeinkommen Anhaltende Zunahme der Ungleichheit Einkommensarmut Relative Einkommensarmut Armutsrisikoquoten im Zeitverlauf Armutsrisikoquoten im regionalen Vergleich Armutsrisiken besonders betroffener Personengruppen Armutsrisiken von Kindern und Familien Armutsrisiken älterer Menschen Armutsrisiken von Ausländer*innen Grundsicherung als Einkommensminimum Prinzipien und Berechnung der Grundsicherung Empfängerzahlen und Dunkelziffer der Nicht-Inanspruchnahme Grundsicherung und Armutsrisiko Hartz IV: Grundsicherung für Arbeitsuchende Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Leistungen an Asylbewerber Einkommensreichtum Defizite der Reichtumsforschung Messverfahren Zeitliche Entwicklung und regionale Unterschiede Spitzeneinkommen Vermögensverteilung Methodische Fragen Verteilungskennziffern im Vergleich Gruppenspezifische Befunde Vermögensarmut Vermögensreichtum, Superreiche Entstehung und Nachhaltigkeit Überschuldung Steuern und Beiträge Steuern, Beiträge und Sozialleistungen Steuerarten und Steuerbelastung Verteilungswirkungen von Steuern Verteilungswirkungen von Sozialversicherungsbeiträgen Verbindungen von Beiträgen und Leistungen der Sozialversicherung Zusammenwirken von Steuern und Beiträgen Steuern und Beiträge im internationalen Vergleich Folgen einer wachsenden Ungleichheit Erosion der Mittelschicht Ökonomische Instabilität Gefährdung des Zusammenhalts Verringerung von Einkommensungleichheit und Armutsrisiken Grundlagen der Verteilungspolitik Erwerbsbeteiligung und prekäre Beschäftigung Lohnersatzleistungen Grundsicherung und Armutsbekämpfung Steuerpolitik als Verteilungspolitik Einkommensumverteilung Bedingungsloses Grundeinkommen Privatisierung der Sozialversicherung Internationaler Vergleich Mittlere Position Deutschlands Vergleich von Industrieländern Vergleich von Schwellenländern Vergleich von Entwicklungsländern Der Welthunger-Index Infografiken Glossar Literatur und Daten Redaktion

Vergleich von Industrieländern

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 11 Minuten zu lesen

Industrieländer werden im Alltagsverständnis mit hoch entwickelten Ländern gleichgesetzt. Sind sie auch im Hinblick auf eine weniger ungleiche Verteilung hoch entwickelt?

Stahlwerk in Duisburg. Zu den Industrieländern werden laut dieser Quelle fast immer die USA und Kanada, Großbritannien, Deutschland und Frankreich sowie Japan gerechnet. (© picture-alliance/dpa, Marcel Kusch)

Zuordnungs- und Vergleichsprobleme

Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Verteilung, Armut und Reichtum von Einkommen, Vermögen und Lebenslagen der Menschen in Industrieländern setzt eine Abgrenzung der Industrieländer von den so genannten Schwellen- und Entwicklungsländern voraus.

Die Zuordnung der Länder dieser Welt auf die genannten drei gängigen Ländertypen erfordert über die vielfältigen bereits angeführten Probleme internationaler Komparatistik (vgl. "Relevanz und Probleme internationaler Vergleiche") hinaus eigentlich eine klare Definition. Diese gibt es jedoch nicht, wie bereits ein Blick in Wikipedia (2020) zeigt. (Wikipedia ist das wohl verbreiteste Lexikon der Welt, mit einem noch dazu hohen Anspruch an Aktualität und basisdemokratische Prinzipien der Erstellung. Das gängige "Naserümpfen" von WissenschaftlerInnen darüber ist unehrlich, da jede(r) von ihnen Wikipedia für eine zumindest erste Orientierung nutzt!).

Dieses Online-Lexikon führt unter den Stichworten "Industrieländer", "Schwellenländer" und "Entwicklungsländer" eine Reihe von konkurrierenden Definitionen und Aufzählungen von Ländern an, die höchst unterschiedlich ausfallen (vgl. zum Folgenden ausführlicher Wikipedia 2020):

  1. Zu den Industrieländern werden laut dieser Quelle fast immer die USA und Kanada, Großbritannien, Deutschland und Frankreich sowie Japan gerechnet (Zusammen mit Italien sind das auch die G7-Länder). "Statistisch gilt als Industriestaat, wenn der Anteil der Industrieproduktion am BIP höher ist als der Anteil der Agrarproduktion. Dabei ist es unerheblich, ob der höchste Anteil im Dienstleistungssektor zu finden ist, dann könnte genauer vom "Dienstleistungsstaat" (Dienstleistungsgesellschaft) gesprochen werden". "Folgende Länder können unter die Bezeichnung Industrieländer fallen. Es hängt oftmals vom Inhalt ab, ob es mehr um politische oder wirtschaftliche Themen geht.

    • Europa – alle EU-Mitgliedsstaaten, der EU-Wirtschaftsraum kann insgesamt als Industrieland gelten

    • Südamerika – Brasilien und Argentinien

    • Asien – Indien, Südkorea, Taiwan und Singapur

    • Australien und Neuseeland

    • Russland und China sind ein Sonderfall. Eigentlich erfüllen sie die meisten Kriterien eines Industrielands. Im politischen Sprachgebrauch gehören Russland und China meist nicht dazu – denn Industrieland steht hier auch mal stellvertretend für die Gruppe der G7-Staaten".

    "Internationale Institutionen, wie die Weltbank, verwenden daher Industrieland nicht als Begriff. Sie teilen die Staaten ohne geschichtlichen oder politischen Hintergrund nach der Höhe des nationalen Einkommens ein. Die alten Industriestaaten finden sich dann in einer Gruppe mit hohem nationalen Einkommen (High Income Country) zusammen mit Staaten wie den Ölförderländern am Golf".

  2. "Ein Schwellenland ist ein Staat, der traditionell noch zu den Entwicklungsländern gezählt wird, aber nicht mehr deren typische Merkmale aufweist. Deshalb wird ein solches Land begrifflich von den Entwicklungsländern getrennt". "Schwellenländer sind meist geprägt durch einen starken Gegensatz zwischen Arm und Reich". "Von verschiedenen Institutionen (zum Beispiel Weltbank, OWZE, IWF und EG) wurden in den letzten Jahrzehnten Listen mit Schwellenländern erstellt. Eine verbindliche Liste der Schwellenländer gibt es nicht, ihre Zahl schwankt je nach Liste zwischen 10 und 55". "Allgemeingültige, messbare und akzeptierte Normen fehlen. Die Weltbank kategorisiert 55 Länder als Schwellenländer … Der Internationale Währungsfonds (IWF) kategorisiert 150 Länder als Schwellenländer".

  3. "Entwicklungsländer sind jene Länder, deren Lebensstandard, Einkommen, wirtschaftliche und industrielle Entwicklung mehr oder weniger stark hinter dem Durchschnitt zurück bleibt. In den nach IWF-Definition 152 Entwicklungsländern leben heute rund 6,53 Milliarden Menschen. Mit 85,10% ist dies ein beträchtlicher Anteil an der Weltbevölkerung. Er umfasst das gesamte Mittel- und Südamerika, ganz Afrika, fast alle Länder Asiens und zahlreiche weitere Inselstaaten".

    "Die Definition eines Entwicklungslandes ist nicht immer eindeutig. Die Vereinten Nationen legen zwar fest, welche Länder zu den am wenigsten entwickelten Ländern gehören, haben selbst keine Kriterien für Entwicklungsländer beschlossen".

Diese offensichtlich völlig dispersen Definitionen bzw. Abgrenzungen sind nicht auf Ungenauigkeiten der Quelle Wikipedia zurückzuführen: Alle Zitate basieren auf Abgrenzungen von internationalen Organisationen. Noch verwirrender wird die Angelegenheit, wenn man berücksichtigt (vgl. Kasten), dass je nach Abgrenzung sehr unterschiedlich viele Länder gleichzeitig den Industrie-, Schwellen- oder Entwicklungsländern zugeordnet werden, viele zweifach und eine ganze Reihe sogar dreifach!

Einige Beispiele für Mehrfachzuordnungen

In den Länderaufzählungen werden beispielsweise

  • Mexiko

  • Thailand und

  • Südafrika

sowohl den Schwellen-, als auch den Entwicklungsländern zugeordnet.

Gleich dreifach werden beispielsweise

  • Brasilien

  • China

  • Indien

  • Polen und

  • Russland

sowohl zu den Industrie-, Schwellen- als auch Entwicklungsländern gerechnet.

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Wikipedia 2020.

Damit wird klar, dass es wegen der Zuordnungs- und Abgrenzungsprobleme keine gesicherte Grundlage für eine überschaubare und darstellbare Länderauswahl im Rahmen dieses Themenspecials gibt, vielmehr ist eine pragmatische Länderauswahl unter Beachtung der Datenverfügbarkeit geboten.

Die Verteilung ist in den Industrieländern sehr unterschiedlich

Der Vergleich zwischen Industrieländern wird im Folgenden anhand der nachgenannten beispielhaften zwölf Staaten durchgeführt.

Länderauswahl

EuropaAsienAfrikaOzeanienAmerika
Deutschland
Frankreich
Italien
Norwegen
Ungarn
Russische Föderation
Vereinigtes Königreich
China
Japan

Russische Föderation
-AustralienBrasilien

Vereinigte Staaten

Zusätzlich wird der OECD-Durchschnittswert und das Land mit dem jeweils höchsten bzw. niedrigsten Wert benannt.

Die Tabelle "Durchschnittliches Jahreseinkommen in ausgewählten Industrieländern" zeigt die beträchtliche Spannweite der durchschnittlichen Jahreseinkommen in kaufkraftbereinigten US$. Die Beträge schwanken zwischen 4.781 US$ in China und 36.744 US$ in Norwegen. Das ist gut das Siebeneinhalbfache. Drei der zwölf ausgewählten Industrieländer liegen über dem OECD-Durchschnitt – Australien, die USA und Norwegen – der Rest mehr oder weniger stark darunter.

Durchschnittliche Jahreseinkommen in ausgewählten Industrieländern

in US-Dollar, kaufkraftbereinigt

Durchschnittliche Jahreseinkommen
Australien 30.652
Brasilien 7.547
China 4.781
Deutschland 26.667
Frankreich 25.650
Italien 22.754
Japan 22.774
Norwegen 36.744
Ungarn11.428
Russische Föderation 14.966
Vereinigtes Königreich 22.488
Vereinigte Staaten 34.514
OECD 23.042

Quelle: Eigene Auswertung der OECD Income Distribution Database.

Als Länder mit nochmals niedrigeren Jahreseinkommen weist die OECD Indien (2.710 US$) und als einziges afrikanisches Industrieland Südafrika (4.495 US$) aus. Noch höher als in Norwegen ist das Jahreseinkommen dagegen in Luxemburg mit 41.214 US$.

Von den europäischen Industrieländern haben die beiden Transformationsstaaten Ungarn und die Russische Föderation laut der Tabelle die niedrigsten Werte, der skandinavische "Wohlfahrtsstaat" Norwegen dagegen einen besonders hohen.

Wie stellt sich die Einkommensverteilung in diesem Industrieländervergleich dar? Die Tabelle "Einkommensungleichheit in ausgewählten Industrieländern" enthält dazu zwei gängige Indikatoren.

In der ersten Spalte ist das 90 : 10 Einkommensvielfache wiedergegeben, das aussagt, um das Wievielfache die Einkommen des obersten Zehntels der Einkommensbezieher höher ist als die Einkommen des untersten Dezils. Es zeigt sich eine sehr große Unterschiedlichkeit dieser Kennziffer. Die höchsten Werte finden sich unter den ausgewählten Vergleichsländern für China und Brasilien, gefolgt von den USA. Die geringsten Werte weisen Norwegen, Frankreich, Deutschland und Ungarn auf. Recht nahe beim OECD-Durchschnitt von 9,3 liegen so unterschiedliche Staaten wie Australien, Japan, das Vereinigte Königreich und die Russische Föderation.

Unter den nicht in die Tabelle einbezogenen Industrieländern ist diese 90 : 10 Einkommensrelation in Tschechien und Island mit 5,2 bzw. 5,4 am geringsten und in Südafrika mit 35,0 noch etwas höher als in China.

Einkommensungleichheit in ausgewählten Industrieländern 90 : 10 Einkommens Vielfache und Anteil des obersten Dezils an den gesamten Einkommen in Prozent

90 : 10 Einkommens Vielfache und Anteil des obersten Dezils an den gesamten Einkommen in Prozent

Anmerkung: - Werte nicht verfügbar.
Verhältnis der Einkommen des obersten zum untersten DezilAnteil des obersten Dezils an den gesamten Einkommen
Australien 8,926,1
Brasilien 28,2-
China 34,0-
Deutschland 7,123,2
Frankreich 6,824,4
Italien 11,924,4
Japan 10,924,0
Norwegen 6,522,5
Ungarn 7,222,5
Russische Föderation 12,2-
Vereinigtes Königreich 11,127,7
Vereinigte Staaten 18,228,9
OECD 9,324,0

Quelle: Eigene Auswertung der OECD Income Distribution Database.

Die zweite Spalte in der Tabelle gibt den Anteil des obersten Dezils an den gesamten Einkommen wieder, wobei für die drei Länder Brasilien, China und die Russische Föderation keine Werte verfügbar sind. Das einkommensstärkste Dezil verfügt im Durchschnitt der anderen OECD-Staaten über 24,0 Prozent der gesamten Einkommen. In den englischsprachigen Ländern USA (28,9 %), Vereinigtes Königreich (27,7 %) und Australien (26,1 %) sind es deutlich mehr. Der Rest der Staaten in der Tabelle liegt nahe beim Durchschnittswert dieser Länder.

Von den nicht in diesem Ländervergleich einbezogenen Mitgliedsstaaten weisen die Slowakei und Slowenien mit 20,0 bzw. 20,1 Prozent die niedrigsten Anteile auf. Am oberen Ende rangiert, nochmals weit vor den USA mit 36,0 Prozent Chile.

In der Tabelle "Öffentliche Ausgaben für die Funktion Soziales in ausgewählten Industrieländern" wird gezeigt, wie groß der jeweilige Anteil der öffentlichen Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist. Im OECD-Durchschnitt – ohne die Russische Föderation – sind es 20,1 Prozent. Die Spannweite unter den in den Ländervergleich einbezogenen Staaten ist enorm und reicht von 8,8 Prozent in China bis zu 31,2 Prozent in Frankreich.

Öffentliche Ausgaben für die Funktion Soziales in ausgewählten Industrieländern in Prozent

in Prozent

Anmerkung: - Wert nicht verfügbar.
Öffentliche Sozialausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts
Australien 17,8
Brasilien 16,7
China 8,8
Deutschland 25,1
Frankreich 31,2
Italien 27,9
Japan 21,9
Norwegen 25,0
Ungarn 19,4
Russische Föderation -
Vereinigtes Königreich 20,6
Vereinigte Staaten 18,7
OECD 20,1

Quelle: Eigene Auswertung der OECD Income Distribution Database.

Brasilien (16,7 %), Australien (17,8 %) und Ungarn liegen unter dem Wert für die OECD von 20,1 Prozent, der Rest der Länder in der Tabelle mehr oder weniger deutlich darüber. Nahe beim Durchschnitt finden sich mit 20,6 Prozent das Vereinigte Königreich und Japan (21,9 %). Hinter dem Spitzenwert von Frankreich rangiert Italien mit 27,9 Prozent, Deutschland (25,1 %) und Norwegen (25,0 %).

Für die nicht in die Tabelle einbezogenen Industrieländer sind vor allem die jeweils 2,7 Prozent in Indien und Indonesien zu berichten, die die Spannweite im unteren Bereich nochmals deutlich erweitern.

Die Tabelle "Geschlechterspezifische relative Armut in ausgewählten Industrieländern" beschreibt die Armutsrisikoquoten insgesamt und für Männer und Frauen. Als – schärfere! – relative Armutsrisikoschwelle werden hier nicht die ansonsten üblichen 60-Prozent des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen verwendet, sondern eine Grenze von 50 Prozent des Medians.

11,7 Prozent der Bevölkerung in den für diesen Vergleich ausgewählten OECD-Staaten unterliegen einem so definierten Armutsrisiko. Bei den Frauen sind es 12,3 und bei den Männern 10,9 Prozent. Die höchsten Werte insgesamt (Spalte 1 der Tabelle) finden sich für China (28,8 %), Brasilien (20,0 %) und die USA (17,8 %). Ebenfalls über dem Durchschnittswert der OECD-Vergleichsstaaten liegen noch die Quoten in Japan, Italien, der Russischen Föderation und Australiens. Niedrigere Armutsrisikoquoten der gesamten Bevölkerung sind im Vereinigten Königreich (14,6 %), in Deutschland (10,1 %) und – gleichauf – in Ungarn sowie mit deutlicherem Abstand in Frankreich (8,3 %) und Norwegen (8,2 %) zu beobachten.

Geschlechterspezifische relative Armut in ausgewählten Industrieländern

in Prozent

InsgesamtFrauenMänner
Australien 12,112,511,3
Brasilien 20,020,419,6
China 28,829,428,2
Deutschland 10,110,59,7
Frankreich 8,38,67,9
Italien 13,714,213,1
Japan 15,717,114,1
Norwegen 8,28,48,0
Ungarn 10,110,79,4
Russische Föderation 14,615,213,8
Vereinigtes Königreich 11,111,610,6
Vereinigte Staaten 17,819,216,3
OECD 11,712,310,9

Quelle: Eigene Auswertung der OECD Income Distribution Database.

Unter den nicht in der Tabelle einbezogenen OECD-Staaten haben Island und Dänemark mit 5,4 bzw. 5,5 Prozent die niedrigsten Armutsrisikoquoten. Hinter China hat Südafrika den zweithöchsten Wert (27,0 %).

Spalte 2 der Tabelle gibt die Armutsrisikoquoten von Frauen wieder. Im OECD-Durchschnitt der Vergleichsländer liegt sie bei 12,3 Prozent. Der höchste Wert wird in China mit 29,4 Prozent erreicht, gefolgt von Brasilien und den Vereinigten Staaten. Besonders niedrige Werte sind bei dieser Kennziffer für Norwegen, Frankreich und Deutschland (10,5 %) zu beobachten.

Von den nicht in die Tabelle einbezogenen Ländern haben Dänemark und Island die niedrigsten Armutsrisikoquoten der weiblichen Bevölkerung (5,2 bzw. 5,5 %). Hinter dem Wert für China rangiert Südafrika an zweiter Stelle.

Spalte 3 der Tabelle enthält die Armutsrisikoquoten von Männern. Wie schon bei den Frauen sind diese in China, Brasilien und den USA am höchsten. In Frankreich (7,9 %), Norwegen (9,4 %) und Deutschland (9,7 %) sind sie am geringsten.

In den Industrieländern die nicht in der Tabelle aufscheinen, haben erneut Island und Dänemark besonders niedrige Armutsrisikoquoten (5,3 bzw. 5,8 %). Am anderen Ende rangiert Südafrika mit 25,2 Prozent hinter China.

Die Tabelle "Altersspezifische Armutsrisikoquoten nach Altersgruppen in ausgewählten Industrieländern" zeigt, dass im Durchschnitt der OECD-Staaten die Altersgruppe der 25- bis 65-Jährigen mit 10,1 Prozent eine deutlich geringere Armutsrisikoquote haben als die unter 18-Jährigen (13,0 %), die Jungen mit 13,6 Prozent und die über 65-Jährigen (13,5 %).

Altersspezifische Armutsrisikoquoten nach Altersgruppen in ausgewählten Industrieländern

in Prozent

Kinder unter
18 Jahre
Junge
18 - 25 Jahre
Mittlere Altersgruppe
26 - 65 Jahre
Ältere über
65 Jahre
Australien 12,56,49,823,2
Brasilien 30,118,017,17,7
China 33,122,226,639,0
Deutschland 11,217,18,99,7
Frankreich 11,514,07,83,4
Italien 17,315,313,610,3
Japan 13,917,613,219,6
Norwegen 7,724,46,34,4
Ungarn 11,811,99,68,6
Russische Föderation 20,713,812,614,8
Vereinigtes Königreich 11,88,910,314,2
Vereinigte Staaten 20,918,215,022,9
OECD 13,013,610,113,5

Quelle: Eigene Auswertung der OECD Income Distribution Database.

Wir verzichten aus Platzgründen auf eine detaillierte Beschreibung der Einzelergebnisse aus dieser Tabelle und weisen hier nur auf einige besonders wichtige Befunde hin:

  • Auch in der Aufgliederung nach Altersgruppen hat China durchgehend die höchsten Werte, fast durchgehend – außer bei den Älteren – gefolgt von Brasilien.

  • Frankreich hat in fast allen Altersgruppen besonders geringe relative Armutsrisikoquoten, Deutschland ebenso.

  • Unter den nicht in die Tabelle einbezogenen OECD-Staaten weist Island – außer bei den 18- bis 25-Jährigen – die niedrigsten Werte auf.

Die Tabelle "Anteile des obersten Dezils an den gesamten Vermögen in ausgewählten Industrieländern" zeigt, wieviel Prozent des gesamten Vermögens vom vermögensstärksten Zehntel der Bevölkerung gehalten werden. Im OECD-Durchschnitt der Vergleichsländer sind dies, bezogen auf die in der Statistik berücksichtigten Vermögen 52 Prozent. Der höchste Wert wird für die Vereinigten Staaten von Amerika mit 79 Prozent ausgewiesen, gefolgt von Deutschland mit 60 Prozent. Im Vereinigten Königreich sind es wie im OECD-Durchschnitt 52 Prozent und in Frankreich bzw. Japan 51 Prozent. Den niedrigsten Wert weist die Tabelle für Italien aus (43 %).

Anteile des obersten Dezils an den gesamten Vermögen in ausgewählten Industrieländern in Prozent

in Prozent

Anteil des obersten Dezils an den gesamten Vermögen
Australien 46
Brasilien -
China -
Deutschland 60
Frankreich 51
Italien 43
Japan 41
Norwegen 51
Ungarn 48
Russische Föderation -
Vereinigtes Königreich 52
Vereinigte Staaten 79
OECD 52

Quelle: Eigene Auswertung der OECD Income Distribution Database.

Unter den nicht in der Tabelle ausgewiesenen Ländern ist der Vermögensanteil in den Niederlanden mit 68 Prozent am höchsten und in der Slowakei mit 34 Prozent am geringsten.

In der Tabelle "Intergenerationale Mobilität in ausgewählten Industrieländern" werden Ergebnisse simulationsbasierter Schätzungen aus einem OECD-Bericht von 2018 vorgestellt (vgl. OECD 2018). Betrachtet wird, wie viele Generationen es im Durchschnitt unter der Annahme, dass sich die intergenerationale Mobilität nicht verändert, voraussichtlich braucht, bis eine Familie aus dem untersten Dezil ein mittleres Einkommen erreicht. Im Schnitt der Vergleichsländer – ohne die Russische Föderation – sind es 4,5 Generationen (darunter in Deutschland 6 Generationen).

Am längsten dauert es mit 9 Generationen in Brasilien bzw. 7 Generationen in China. In Australien ist der Wert, ebenso wie in Norwegen mit 3 Generationen viel geringer.

Unter den nicht in den Vergleich eingegangenen OECD-Staaten sind es in Kolumbien 11 und demgegenüber in Dänemark nur 2 Generationen.

Intergenerationale Mobilität in ausgewählten Industrieländern

- Wert nicht verfügbar
Zahl der Generationen, die es braucht, bis eine Familie aus dem untersten Dezil ein mittleres Einkommen erreicht
Australien 3
Brasilien 9
China 7
Deutschland 6
Frankreich 6
Italien 5
Japan 4
Norwegen 3
Ungarn 6
Russische Föderation -
Vereinigtes Königreich 5
Vereinigte Staaten 5
OECD 5

Quelle: Eigene Auswertung der OECD Income Distribution Database.

Wieviel Prozent der Bevölkerung sind anhand des Nettoäquivalenzeinkommens den Gruppen mit unter 75, 75 bis 200 und über 200 Prozent des Medians zuzuordnen? Die Tabelle "Unter-, Mittel- und Oberklasse in ausgewählten Industrieländern" zeigt die entsprechenden Anteile. Bei dieser objektiven Einstufung (nicht zu Verwechseln mit einer subjektiven Selbsteinschätzung!) gehören im OECD-Durchschnitt der Vergleichsländer 30 Prozent zur Unterklasse, 61 Prozent zur Mittelklasse und 9 Prozent zur Oberklasse.

Zur Unterklasse gehören laut dieser Definition die meisten Menschen mit 36 Prozent in Brasilien, 35 Prozent in den USA und mit 34 Prozent diejenigen in der Russischen Föderation (Spalte 1 der Tabelle). Die Anteile sind in Frankreich und Norwegen (25 bzw. 26 %) am geringsten. Bezogen auf die nicht in die Tabelle einbezogenen OECD-Länder hat die Slowakei mit 24 Prozent die kleinste Unterklasse und Südafrika die größte (39 %).

Spalte 2 der Tabelle ist zu entnehmen, dass in Norwegen und Frankreich 70 bzw. 68 Prozent der Personen der Mittelklasse zuzurechnen sind. Demgegenüber sind es in Brasilien (45 %) und den Vereinigten Staaten (51 %) am wenigsten.

Unter den nicht in die Tabelle einbezogenen Ländern der OECD für die Zahlen verfügbar sind, ist die Mittelklasse in der Slowakei (72 %) am größten und in Südafrika (33 %) am kleinsten.

Die Spalte 3 der Tabelle gibt für die Vergleichsländer an, wie groß die Oberklasse (mehr als das Doppelte des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen) ist. In Brasilien und den USA sowie der Russischen Föderation sind es mit 19 bzw. 14 und 13 Prozent die meisten. Am kleinsten ist die Oberklasse in Norwegen und Frankreich (4 bzw. 7 %).

Für die nicht in die Tabelle einbezogenen OECD-Länder weist die Datenbank Südafrika einen Anteil von 28 Prozent Angehöriger der Oberklasse aus. Der niedrigste Wert errechnet sich für die Slowakei mit 4 Prozent – ebenso wenig wie der schon in der Tabelle für Norwegen gezeigte Wert.

Unter-, Mittel- und Oberklasse in ausgewählten Industrieländern in Prozent

in Prozent

- Werte nicht verfügbar
Unterklasse
(unter 75 %
des Medians)
Mittelklasse
(75 bis 200 %
des Medians)
Oberklasse
(über 200 %
des Medians)
Australien 325810
Brasilien 364519
China ---
Deutschland 28658
Frankreich 25687
Italien 33599
Japan ---
Norwegen 26704
Ungarn 28648
Russische Föderation 345313
Vereinigtes Königreich 305811
Vereinigte Staaten 355114
OECD 30619

Quelle: Eigene Auswertung der OECD Income Distribution Database.

Im Vergleich mit ausgewählten Industrieländern weist Deutschland einen sehr hohen Anteil an Beschäftigten im Niedriglohnbereich auf. Dieser Bereich ist definiert als weniger als Zweidrittel des Medians der Beschäftigtenentgelte (vgl. "Interner Link: Niedriglöhne"). 22,5 Prozent der Beschäftigten sind hierzulande davon betroffen. Dies ist (vgl. "Anteil Beschäftigte im Niedriglohnbereich in ausgewählten Industrieländern" ein nur noch von den Vereinigten Staaten von Amerika (24,5 %) übertroffener Wert unter den ausgewählten Vergleichsländern, für die in der Studie der Bertelsmann-Stiftung Zahlen vorliegen. Für Brasilien, China und die Russische Föderation fehlen hier die Werte.

Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnbereich in ausgewählten Industrieländern in Prozent

in Prozent

- Werte nicht verfügbar.
Beschäftigte mit weniger als Zwei Drittel des Medians der Entgelte
Australien 15,4
Brasilien -
China -
Deutschland 22,5
Frankreich 8,8
Italien 9,4
Japan 12,3
Norwegen 8,3
Ungarn 17,8
Russische Föderation -
Vereinigtes Königreich 21,3
Vereinigte Staaten 24,5

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Bertelsmann Stiftung. (2019), S. 264.

Auch das Vereinigte Königreich hat einen vergleichbar hohen Anteil von Beschäftigten im Niedriglohnbereich (21,3 %). Demgegenüber verdienen Beschäftigte in Norwegen, Frankreich und Italien mit 8,3 bzw. 8,8 und 9,4 Prozent weniger als Zweidrittel des Medians aller Entgelte.

Laut einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom Oktober 2020 (vgl. Statistisches Bundesamt 2020) ist der Niedriglohnanteil an den abhängig Beschäftigten leicht auf 21 Prozent gesunken. Das bedeutet, dass im April 2018 ca. 8 Millionen Jobs unterhalb der Niedriglohnschwelle von 11,05 Euro brutto entlohnt wurden (Der Medianverdienst lag – ohne Auszubildende – bei 16,58 Euro). Die internationalen Vergleichszahlen lagen für diesen Zeitpunkt noch nicht vor.

Der "Einkommensanteil der ärmsten 40 Prozent der Bevölkerung in ausgewählten Industrieländern" ist in Deutschland, gleichauf mit Frankreich mit jeweils 20,7 Prozent hinter Norwegen und Ungarn (23,1 bzw. 21,1 % besonders hoch. Für Brasilien weisen die Vereinten Nationen dagegen mit 10,6 Prozent den geringsten Anteil der ärmsten 40 Prozent der gesamten Bevölkerung an allen Einkommen aus.

Einkommensanteil der ärmsten 40 Prozent der Bevölkerung in ausgewählten Industrieländern

in Prozent

LandAnteil der ärmsten 40 Prozent
Europa
Deutschland 20,7
Frankreich 20,7
Italien 18,0
Norwegen 23,1
Ungarn 21,1
Russische Föderation 18,0
Vereinigtes Königreich 19,7
Asien
China 17,0
Japan 20,3
Ozeanien
Australien 18,8
Amerika
Brasilien 10,6
Vereinigte Staaten 15,2

Quelle: Eigene Darstellung nach UNDP 2019, S.36 ff.

Der "Einkommensanteil der reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in ausgewählten Industrieländern" ist demgegenüber in Brasilien am höchsten (41,9 %). In Deutschland bezieht das einkommensstärkste Dezil knapp ein Viertel (24,8 %) aller Einkommen. Das ist Rang 9 unter der Auswahl von 12 Industrieländern.

Einkommensanteil der reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in ausgewählten Industrieländern

in Prozent

LandAnteil reichstes Dezil
Europa
Deutschland 24,8
Frankreich 26,6
Italien 25,7
Norwegen 23,1
Ungarn 23,8
Russische Föderation 29,7
Vereinigtes Königreich 25,4
Asien
China 29,4
Japan 24,7
Ozeanien
Australien 27,8
Amerika
Brasilien 41,9
Vereinigte Staaten 30,6

Quelle: Eigene Darstellung nach UNDP 2019, S. 36 ff.

Betrachtet man den "Einkommensanteil des reichsten Prozents der Bevölkerung in ausgewählten Industrieländern" so vereinen diese in Deutschland 11,1 Prozent der gesamten Einkommen auf sich. In Ländern wie Brasilien (28,3 %) oder der Russischen Föderation bzw. den Vereinigten Staaten von Amerika (jeweils 20,2 %) sind die Einkommensanteile des reichsten Perzentils dagegen viel höher. Italien und Ungarn haben hier die geringsten Werte (7,5 bzw. 7,7 %).

Einkommensanteil des reichsten Prozents der Bevölkerung in ausgewählten Industrieländern

in Prozent

LandAnteil reichstes Prozent
Europa
Deutschland 11,1
Frankreich 10,8
Italien 7,5
Norwegen 8,4
Ungarn 7,7
Russische Föderation 20,2
Vereinigtes Königreich 11,7
Asien
China 13,9
Japan 10,4
Ozeanien
Australien 9,1
Amerika
Brasilien 28,3
Vereinigte Staaten 20,2

Quelle: Eigene Darstellung nach UNDP 2019, S. 36 ff.

Eine zentrale Kennziffer zur Darstellung der Einkommenskonzentration ist der Gini-Koeffizient (vgl. "Interner Link: Begriffe und Indikatoren". Der Wert dieses Indikators kann zwischen Null und 100 schwanken, wobei die Einkommenskonzentration um so größer ist, je höher der Wert ausfällt: Null bedeutet eine völlige Gleichverteilung und 100 eine völlige Ungleichverteilung (Eine(r) hat alle Einkommen).

Die "Gini-Koeffizienten in ausgewählten Industrieländern" – und nicht nur in diesen – erreichen natürlich nie die Extremwerte von Null bzw. 100. Sie streuen in den zehn Ländern zwischen 27,5 Prozent in Norwegen und 53,3 Prozent in Brasilien, gefolgt von den USA (41,5 %). Deutschland hat mit einem Gini-Koeffizienten von 31,7 Prozent, was dem 10. Rangplatz entspricht eine recht geringe Konzentration der Einkommensverteilung – ganz im Gegensatz zur Vermögenskonzentration (vgl. "Interner Link: Vermögensverteilung").

Gini-Koeffizienten in ausgewählten Industrieländern

in Prozent

LandGini-Koeffizient
Europa
Deutschland 31,7
Frankreich 32,7
Italien 35,4
Norwegen 27,5
Ungarn 30,4
Russische Föderation 37,7
Vereinigtes Königreich33,2
Asien
China 38,6
Japan 32,1
Ozeanien
Australien 35,8
Amerika
Brasilien 53,3
Vereinigte Staaten 41,5

Quelle: Eigene Darstellung nach UNDP 2019, S. 36 ff.

Fussnoten

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.