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Das Massaker von Srebrenica | Hintergrund aktuell | bpb.de

Das Massaker von Srebrenica

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Am 9. Juli 2012 wurde der Prozess gegen General Ratko Mladic in Den Haag wieder aufgenommen. Unter seinem Kommando waren vor 17 Jahren serbische Einheiten in die bosnische Kleinstadt Srebrenica eingefallen und hatten in den darauf folgenden Tagen etwa 8.000 Muslime getötet.

Bosnische Frauen legen am 10.07.2012 in der Gedenkstätte gegen Krieg und Gewaltherrschaft in der Neuen Wache in Berlin Blumen nieder. Der Verein "Gesellschaft für bedrohte Völker" rief zu einem Gedenken und einer Kranzniederlegung anlässlich des 17. Jahrestages des Massakers von Srebrenica auf. (© picture-alliance/dpa)

Srebrenica liegt in einem grünen Talkessel im Osten von Bosnien und Herzegowina, nahe der Grenze zu Serbien. Vor Beginn des Bosnienkrieges 1992 hatte die Kleinstadt etwa 8.000 Bewohner. Im Laufe des Konflikts vervielfachte sich diese Zahl: Zehntausende Menschen drängten aus den umliegenden Dörfern nach Srebrenica. Es waren vor allem bosnisch-herzegowinische Muslime, die Schutz vor den Soldaten des Generals Ratko Mladic suchten. Der Befehlshaber der bosnischen Serben hatte den Belagerungsring um die muslimische Enklave immer enger gezogen. In Srebrenica wähnten sich die Flüchtlinge in Sicherheit. Die UN hatte das Gebiet zur Schutzzone erklärt. Niederländische und kanadische Truppen sollten diese gewährleisten. Doch der politische Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und sein Militärchef Mladic nahmen die Stadt am 11. Juli 1995 mit ihren bosnisch-serbischen Einheiten ein: Es folgte ein Massaker.

Mehrere tausend Flüchtlinge versuchten, durch die Wälder in Richtung bosnisch-muslimisch kontrolliertes Gebiet zu entkommen. Für andere Flüchtlinge bot der Stützpunkt der niederländischen Blauhelmsoldaten scheinbar Zuflucht. Die UN- Basis lag im sechs Kilometer entfernten Dorf Potocari, das zur Enklave Srebrenica zählte. Am Abend des 11. Juli drängten sich etwa 25.000 Menschen auf dem Gelände der ehemaligen Batteriefabrik, die meisten von ihnen Frauen, Kinder und Alte. Nahrung und Wasser wurden knapp. Es herrschte Chaos.

Viele der Flüchtlinge übernachteten im Freien. Von Srebrenica rückten die Einheiten von Mladic schon bald nach Potocari vor. Am 12. und 13. Juli begannen die Soldaten, Frauen und Männer zu trennen. Sie gaben vor, nach Kriegsverbrechern zu suchen. Die etwa 350 Blauhelme auf dem UN-Stützpunkt waren überfordert. Sie besaßen kein Mandat zum Eingreifen. So sahen die Niederländer tatenlos zu, wie Mladic seine gezielte "ethnische Säuberung" fortsetzte: Frauen und Kinder wurden auf Lastwagen und in Bussen abtransportiert und bis kurz vor bosnisch-muslimisch kontrolliertes Gebiet gebracht. Die zurückgebliebenen Männer, die meisten von ihnen im wehrfähigen Alter, wurden von Mladics Männern an verschiedenen Orten hingerichtet und verscharrt. Um den Massenmord an den etwa 8.000 Menschen zu verschleiern, hoben die Täter einige Gräber später wieder aus und verteilten die menschlichen Überreste auf andere Gebiete. Das Umbetten der Leichen fand auch nach Ende des Krieges noch statt.

2003 wurde in Potocari ein Gedenkfriedhof eingeweiht, auf dem mehrere Tausend Opfer beigesetzt worden sind. Die UN deklariert das Massaker an den bosnischen Muslimen als Völkermord. Ende Februar 2007 bewertete der Internationale Gerichtshof die Gräueltaten ebenfalls als Genozid.

Am 26. Mai 2011 ist Ratko Mladic, der ehemalige Befehlshaber der bosnisch-serbischen Armee, in einem Dorf nahe Belgrad gefasst worden. Anschließend wurde er an den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia – ICTY) in Den Haag überstellt. Der Prozess wurde wegen gesundheitlichen Problemen Mladics und aufgrund von Meinungsverschiedenheiten der Prozessparteien über Beweismittel mehrmals unterbrochen. Am 9. Juli hat das UN-Tribunal den Prozess wieder aufgenommen und erste Zeugen angehört. Auch der Ex-Präsident der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, steht in Den Haag vor Gericht. Er war 2008 gefasst worden.

Das Tribunal wurde etabliert, um Verbrechen zu ahnden, die seit 1991 im Zuge der gewaltsamen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien begangen wurden. Grundlage für die Tätigkeit des Gerichtshofs bilden Resolutionen des UN-Sicherheitsrats. Zu den vor dem Gericht verhandelten Verbrechen zählen schwere Verletzungen der Genfer Abkommen, willkürliche Zerstörung von Städten oder Dörfern, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Tribunal hat bereits gegen 161 hochrangige Politiker, Militärs und Polizeiangehörige der verschiedenen Parteien des Jugoslawienkonflikts Anklage erhoben. 125 Verfahren wurden bislang abgeschlossen.

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