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Zehn Jahre Bologna-Reform: Europäische Erfolgsgeschichte? | Hintergrund aktuell | bpb.de

Zehn Jahre Bologna-Reform: Europäische Erfolgsgeschichte?

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Vor zehn Jahren startete der Bologna-Reformprozess in Deutschland. Das Ziel: einen einheitlichen europäischen Hochschulraum schaffen. Heute ziehen Universitäten, Unternehmen und Absolventen Bilanz.

Studenten im Hörsaal: Seit der Einführung der neuen Studiengänge hat sich die Ausbildungsdauer verkürzt. (© AP)

Im Jahr 1999 beschlossen die Bildungsminister der europäischen Länder in der italienischen Universitätsstadt Bologna die Reform der europäischen Hochschulen. Am 15. August 2002 trat die entsprechende Änderung des deutschen Hochschulrahmengesetzes in Kraft. Neben Deutschland sind 47 andere Staaten am Bologna-Prozess beteiligt.

Die Reform strebt unter anderem an, international vergleichbare und anerkannte Studienabschlüsse (Bachelor und Master) einzuführen, die internationale Mobilität von Hochschulangehörigen zu fördern und die beruflichen Fähigkeiten zu verbessern.

Hierzu wurde ein zweistufiges System von Hochschulabschlüssen nach dem Vorbild der angloamerikanischen Länder geschaffen. Die neuen Bachelor- und Master-Abschlüsse sollen in allen an der Reform beteiligten Ländern anerkannt werden und so den europäischen Arbeitsmarkt flexibler machen. Um den Studierenden einen schnelleren Berufseinstieg zu ermöglichen, wurden als Novum die neuen Bachelor-Studiengänge eingeführt. Das Bachelor-Studium hat eine Regelstudienzeit von sechs bis acht Semestern und gilt als erster berufsqualifizierender Abschluss. Der auf den Bachelor aufbauende Master-Studiengang dauert zusätzliche zwei bis vier Semester und ist theoretischer ausgerichtet - vergleichbar den alten Diplom- und Magister-Abschlüssen.

Bachelor und Master statt Magister und Diplom


Die meisten Studiengänge sind zehn Jahre nach Inkrafttreten der Reform von den bisher üblichen Diplom- oder Magister-Abschlüssen auf das neue System von Bachelor und Master umgestellt. Im Wintersemester 2011/2012 sind von 15.300 Studiengängen in Deutschland bereits 13.000 auf das zweistufige System umgestellt - rund 85 Prozent. Die nicht umgestrukturierten Studiengänge umfassen hauptsächlich staatliche und kirchliche Abschlüsse. Beinahe 80 Prozent der Erstsemester immatrikulierten sich im letzten Wintersemester in einem Bachelor- oder Master-Studiengang. Unter den Absolventen lag der Anteil der neuen Studiengänge bei 44 Prozent.

Kürzere Studiendauer


Bundesbildungsministerin Annette Schavan bezeichnet die Bologna-Reformen als eine "europäische Erfolgsgeschichte". Das reformierte Hochschulsystem habe zu einer höheren Mobilität der Studierenden geführt und auch die Zahl der Studienabbrecher sei gesunken.

Tatsächlich hat sich die Ausbildungsdauer seit Einführung der neuen Studiengänge verkürzt. Während Studierende im Jahr 2000 noch 13 Semester für einen Diplom-Abschluss benötigten, reichten 2010 für einen Master-Abschluss im Mittel 11 Semester aus. Allerdings sehen Experten nicht nur Vorteile darin, Studierende so schnell wie möglich zum Abschluss zu führen. "Eine Universität muss mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Das tut sie mit dem Bachelor nicht", kritisiert HRK-Präsident Horst Hippler das verkürzte Studium in der Süddeutschen Zeitung. "Die Unternehmen brauchen Persönlichkeiten, nicht nur Absolventen", sagt Hippler. Auch Bildungsministerin Schavan räumte Anfang des Jahres ein, dass Hochschulbildung einen Wert jenseits "von ihrer Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt" habe müsse.

Mehr Studierende gehen ins Ausland

Die internationale Mobilität der Studierenden hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. 2009 waren 115.000 deutsche Studierende an einer Hochschule im Ausland eingeschrieben - zehn Jahre zuvor waren es lediglich 48.000. Etwa jeder fünfte Bachelor-Studierende ging 2009 ins Ausland, bei den Master-Studierenden waren es rund 40 Prozent. Dennoch beklagen viele Studierendenvertreter, dass das verschulte Bachelor-Studium kaum Zeit für einen Auslandsaufenthalt ließe. Auch würden im Ausland erbrachte Leistungen teilweise nicht anerkannt.

Bachelor willkommen?

Mit dem Bachelor gelingt der Berufseinstieg früher. Dabei fühlen sich knapp ein Drittel der Bachelor-Studierenden gut oder sehr gut auf den Beruf vorbereitet, wie eine Umfrage des Instituts für Hochschulforschung (HIS) unter 28.000 Studierenden ergab. Damit fühlen sich die Bachelor-Studierenden nicht schlechter für den Berufseinstieg gewappnet als Diplom- oder Magister-Studierende. Eine weitere Befragung unter 70.000 jungen Akademikerinnen und Akademikern durch die Uni Kassel ergab, dass auch die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation bei den Bachelor-Absolventen keinesfalls geringer ist als bei den Absolventen der traditionellen Studiengänge. Lediglich 4 Prozent der Bachelor-Absolventen von Universitäten sind arbeitslos (6 Prozent Fachhochschule). Allerdings sind die Einstiegsgehälter der Bachelor-Absolventen teilweise deutlich geringer als bei den Diplom- oder Magister-Absolventen.

Deutsche Arbeitgeberverbände haben indessen die Initiative "Bachelor welcome" gestartet. So erklärt Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom AG: "Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es heute keinen Zweifel mehr, dass Bachelor-Absolventen für die Unternehmen attraktive Mitarbeiter sind und bleiben werden". Derzeit beschäftigen bereits 25 Prozent der kleinen, 37 Prozent der mittleren und 70 Prozent der Großunternehmen Bachelor-Absolventen.

Dennoch beenden nur wenige Studierende ihre Ausbildung mit dem Bachelor. 75 Prozent streben im Anschluss einen Master-Abschluss an. Noch gibt es nach Angaben der Kultusministerkonferenz genügend Masterstudienplätze. Allerdings befürchtet HRK-Präsident Hippler, dass der Ausbau der Masterplätze nicht mit der wachsenden Zahl der Studienanfänger Schritt halten wird.

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