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Präsidentschaftswahlen in Brasilien | Hintergrund aktuell | bpb.de

Präsidentschaftswahlen in Brasilien

Redaktion

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Im fünftgrößten Land der Erde entscheidet sich die Präsidentschaftswahl in einer Stichwahl: Amtsinhaberin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) gewann die erste Runde der Wahl, verpasste aber die absolute Mehrheit. In der Stichwahl am 26. Oktober trifft sie auf den zweitplatzierten Aécio Neves von der konservativen PSDB.

Brasilien, Brasilia: Frontansicht des Präsidentenpalastes Palacio da Alvorada mit den Skulpturen "As Laras" davor (© picture-alliance)

Dilma Rousseff erhielt in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am Sonntag (5. Oktober) rund 42 Prozent der Stimmen. Die zweitmeisten Stimmen bekam nach Angaben der Wahlbehörde Aécio Neves mit rund 34 Prozent. Marina Silva von der Sozialistischen Partei Brasiliens (PSB) landete mit rund 21 Prozent überraschend auf dem dritten Platz. Laut Vorwahlumfragen waren Rousseff und Silva als Favoritinnen ins Rennen gegangen, beide hatten in den Umfragen lange Zeit vorne gelegen.

Kurzfristig Kandidatur übernommen

Silvas Kandidatur war unter tragischen Umständen zustande gekommen: PSB-Präsidentschafts-Kandidat Eduardo Campos starb Mitte August bei einem Flugzeugabsturz, Silva übernahm die Kandidatur. Mit ihr hätte erstmalig eine Nachfahrin schwarzer Sklaven Präsidentin von Brasilien werden können. 2003 machte sie der damalige Präsident Lula da Silva zur Umweltministerin. Fünf Jahre später trat sie aus Protest gegen ein Staudammprojekt zurück. Im Jahr 2010 holte sie bei den Präsidentschaftswahlen für die Grünen, für die sie damals kandidierte, 19 Prozent. Den Wahlsieg errang damals Dilma Rousseff, die Präsidentin und Nachfolgerin Lulas wurde.

Wahlpflicht für 18- bis 70-Jährige

Die Brasilianerinnen und Brasilianer wählen alle vier Jahre ihren Präsidenten; erreicht kein Kandidat die absolute Mehrheit, gibt es eine Interner Link: Stichwahl, die nun am 26. Oktober stattfinden wird. Den Präsidenten oder die Präsidentin wählen können alle ab 16 Jahren, für 18- bis 70-Jährige besteht sogar eine Wahlpflicht. Wer dieser wiederholt nicht nachkommt, muss mit Sanktionen rechnen. Knapp 143 Millionen Brasilianer sind 2014 wahlberechtigt, davon sind 1,6 Millionen Jungwähler unter 18 Jahren.

Brasilien ist eine präsidiale Bundesrepublik. Die Wähler entschieden am Sonntag (5. Oktober) nicht nur über das mächtigste politische Amt, das der Präsidentin. Für die kommenden vier Jahre neu zu besetzen war auch das Abgeordnetenhaus, eine der zwei Kammern des brasilianischen Parlaments mit 513 Abgeordneten. Seine Sitzverteilung auf die 26 Bundesstaaten und den Bundesdistrikt Brasilia orientiert sich an der Bevölkerungsdichte, wobei ein Staat mindestens acht und höchstens 70 Sitze haben kann. Das begünstigt den armen, dünn besiedelten Norden und Nordosten Brasiliens gegenüber dem dicht besiedelten, industrialisierten Interner Link: Südosten und Süden.

Das Parlament besteht aus zwei Kammern

Gleiches gilt für die andere Kammer des Parlaments, den Senat. Hier hält jeder Bundesstaat gleich viele Sitze, nämlich drei. Insgesamt gibt es also 81 Senatoren. Zwei Drittel von ihnen sind 2010 für die achtjährige Amtszeit gewählt worden, 2014 stand also nur ein Drittel der Senatorenposten zur Abstimmung.

Das brasilianische Parteiensystem hat keine feste Struktur. Es gehört zur politischen Kultur, Interner Link: dass Politiker auch vor Wahlen die Partei wechseln und Abgeordnete über Fraktionsgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Die größten Fraktionen im Parlament stellen weniger als 20 Prozent der Abgeordneten. Staatspräsidenten und ihre Regierungen müssen immer wieder neue Allianzen eingehen und Mehrheiten organisieren. Wie sich Parlament künftig zusammensetzt, steht noch nicht fest. Laut Projektionen zeichnet sich ab, dass es noch stärker als bislang fragmentiert sein wird.

Viele Brasilianer protestieren

Im vergangenen Jahrzehnt hat sich Brasilien stark verändert. Im Januar 2003 wurde Lula da Silva als Präsident vereidigt. Seit dieser Zeit ist Brasiliens Wirtschaft gewachsen, die Investitionen sind gestiegen und die Interner Link: Armut wurde zurückgedrängt. Für die Fortsetzung dieser Politik steht Nachfolgerin Rousseff. Sie sieht sich aber nun damit konfrontiert, dass Brasilien in eine Rezession gerutscht ist und an einer hohen Inflation leidet. Die sozialen Unterschiede im Land sind nach wie vor enorm.

Im Juni 2013 erlebte Brasilien die größten Interner Link: Massenproteste der vergangenen Jahrzehnte. Brasilien war Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Sommer. Viele Brasilianer Interner Link: stellten den Mehrwert der WM und von Olympia 2016 in Frage. Die sozialen Bewegungen protestieren gegen die Regierung: Interner Link: Sie prangern besonders die politische Korruption und Defizite im Bildungs- und Gesundheitswesen an.

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