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1. November: Neuwahlen in der Türkei

Redaktion

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Nachdem die Regierungsbildung im Juni diesen Jahres gescheitert war, haben die wahlberechtigten Türken zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres über die Zusammensetzung ihres Parlaments entschieden: Und bei der Neuwahl der islamisch-konservativen AKP die absolute Mehrheit im Parlament beschert.

Innenansicht des türkischen Parlamentsgebäudes. (© picture-alliance/dpa)

Rund 57 Millionen Wahlberechtigten haben am 1. November 2015 in einer Neuwahl über die 550 Mandate der Großen Nationalversammlung der Türkei ("Türkiye Büyük Millet Meclisi") mit Sitz in Ankara entschieden. Erste Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass die islamisch-konservative AKP ("Adalet ve Kalkınma Partisi", Interner Link: AKP) die absolute Mehrheit im Parlament errungen hat. Im Juni hatte vor allem der überraschend deutliche Sprung der pro-kurdischen HDP über die landesweite Zehn-Prozent-Sperrklausel eine absolute Mehrheit der AKP verhindert.

Nach Auszählung nahezu aller Stimmen liegt die AKP bei über 49 Prozent, die Republikanische Volkspartei ("Cumhuriyet Halk Partisi", Interner Link: CHP) bei rund 25 Prozent, die Partei der Nationalistischen Bewegung ("Milliyetçi Hareket Partisi", Interner Link: MHP) kam auf rund 12 Prozent, während die Partei für Frieden und Demokratie ("Halkların Demokratik Partisi", Interner Link: HDP) wohl knapp die 10-Prozent-Hürde überwunden hat.

Niederlage für die AKP

Die AKP hatte bei der Interner Link: Wahl am 7. Juni 2015 neun Prozentpunkte gegenüber dem letzten Urnengang 2011 verloren und mit 40,87 Prozent der Stimmen sowohl ihr Ziel einer Zwei-Drittel-Mehrheit als auch das einer absoluten Mehrheit verfehlt. Die 1923 von Interner Link: Mustafa Kemal Atatürk gegründete CHP erreichte seinerzeit 24,95 Prozent der Stimmen, die Partei der Nationalistischen Bewegung 16,29 und die Partei für Frieden und Demokratie 13,12 Prozent.

Grafik: Das politische System der Türkei (© bpb)

Nach der Wahl hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan dem AKP-Spitzenkandidaten und bisherigen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Da es auch nach über zwei Monaten zu keiner Koalition kam, gab Davutoğlu das Mandat Mitte August zurück.

Erdoğan ruft Neuwahlen aus

Gemäß der türkischen Verfassung kann der Präsident in Rücksprache mit der Großen Nationalversammlung das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen, wenn innerhalb von 45 Tagen keine Regierungsbildung gelingt. Dies tat Erdoğan am 21. August. Bis zu den Wahlen im November berief er Davutoğlu an die Spitze einer Übergangsregierung.

Die Wahlen am 1. November fanden in einer sowohl innen- als auch außenpolitisch angespannten Lage statt. In den letzten Monaten war es zu mehreren terroristischen Anschlägen und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und terroristischen Gruppen gekommen. Ferner war im Zuge dieser Anschlagsserie der Friedensprozess im seit Jahrzehnten anhaltenden Interner Link: Konflikt zwischen türkischem Zentralstaat und kurdischer Minderheit zum Erliegen gekommen. Ausgelöst wurde diese Anschlagsserie durch ein Selbstmordattentat eines "Interner Link: Islamischen Staat"-Kämpfers am 20.Juli 2015 in der Stadt Suruç nahe der türkischen Grenze zu Syrien mit 33 Toten; seitdem kam es noch zu weiteren Anschlägen durch IS-Kämpfer.

Neue Gewalt statt Friedensprozess

Religionszugehörigkeit in der Türkei (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Vor diesem Hintergrund hatte die militante kurdische Arbeiterpartei PKK den 2013 vereinbarten Waffenstillstand aufgekündigt und warf türkischen Sicherheitskräften die Unterstützung islamistischer Terroristen vor und sich zu mehreren tödlichen Vergeltungsanschlägen auf Polizisten und Soldaten bekannt. Mittlerweile geht die türkische Regierung militärisch sowohl gegen den Islamischen Staat in Interner Link: Syrien als auch gegen PKK-Stellungen in der Türkei, in Syrien und im Nordirak vor.

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