Vor 95 Jahren: Das "Lied der Deutschen" wird Nationalhymne
Am 11. August 1922 bestimmte Reichspräsident Friedrich Ebert das Deutschlandlied zur Hymne der Weimarer Republik. Die Entscheidung sollte symbolpolitisch die Einheit der jungen Republik stärken – war aber nicht unumstritten.

"Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; es soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten."[1] Mit diesen Worten hatte Reichspräsident Friedrich Ebert in seiner Festansprache zum dritten Verfassungstag der Weimarer Republik seine Entscheidung begründet, das Deutschlandlied zur Hymne des Deutschen Reiches zu erklären. Ebert betonte in seiner Rede am 11. August 1922 zudem, die Hymne solle keinesfalls "Ausdruck nationalistischer Überhebung"[2] sein. Ein Großteil der Weimarer Öffentlichkeit begrüßte Eberts Entscheidung. Kritik kam aus dem Lager der politischen Linken im Weimarer Parlament. Ihnen ging insbesondere der imperialistische Tonfall der ersten Strophe ("Deutschland, Deutschland über alles…") zu weit.
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Friedrich Eberts Ansprache
Darin war zu lesen:
"Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; es soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten. Ein Lied gesungen gegen Zwietracht und Willkür soll nicht Mißbrauch finden im Parteikampf, es soll nicht der Kampfgesang derer werden, gegen die es gerichtet war, es soll auch nicht dienen als Ausdruck nationalistischer Ueberhebung. Aber so, wie einst der Dichter, so lieben wir heute Deutschland über alles. In Erfüllung seiner Sehnsucht soll unter den schwarzrotgoldenen Fahnen der Sang von Einigkeit und Recht und Freiheit der festliche Ausdruck unserer vaterländischen Gefühle sein."

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Hymne, ebenso wie die Flagge, im Sinne der Diktatur umgedeutet: Man sang die erste Strophe des Deutschlandlieds in Verbindung mit dem Horst-Wessel-Lied, einem nationalsozialistischen Kampflied.
Die junge Bundesrepublik tat sich mit der Entscheidung über eine Nationalhymne schwer. Im Gegensatz zur Bundesflagge sieht das Grundgesetz keine Regelung zur Hymne vor. Erst 1952 bat der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer den Bundespräsidenten Theodor Heuss in einem Brief, das Deutschlandlied als Nationalhymne [Link: www.bpb.de/39421] der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen. Bei staatlichen Veranstaltungen sollte die dritte Strophe gesungen werden. Theodor Heuss gab hierzu mit seinem Antwortschreiben vom 2. Mai 1952 seine Zustimmung. Sein vorausgehender Versuch, eine neue Hymne zu initiieren, hatte keinen Erfolg gehabt.
Nach der deutschen Wiedervereinigung nahmen immer wieder Intellektuelle einen Anlauf, alternativ eine neue, zurückhaltendere Hymne vorzuschlagen, wie die Kinderhymne von Bertolt Brecht.
Fußnoten
- 1.
- Aus dem Aufruf Friedrich Eberts am 11.08.1922 zum dritten Verfassungstag der Weimarer Republik, in: Berliner Tageblatt (1922), Jg. 51, 11.08.1922, http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de
- 2.
- Ebd.