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Parlamentswahl in Finnland

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Bei der finnischen Parlamentswahl am 14. April haben die finnischen Sozialdemokraten das Kopf-an-Kopf-Rennen gegen die rechtspopulistische Partei die Finnen knapp gewonnen.

Das finnische Parlament in der Hauptstadt Helsinki mit dem Denkmal für den finnischen Minister- und Staatspräsidenten Pehr Evind Svinhufvud (1861-1944) im Vordergrund. Aufnahme vom 11.5.1997. (© picture-alliance/dpa)

Die finnischen Sozialdemokraten (Suomen Sosialidemokraattinen Puolue) wurden bei den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag mit 17,7 Prozent der Stimmen (+1,2%) stärkste politische Kraft im neugewählten finnischen Parlament (Eduskunta). Sie gewannen 40 der 200 Sitze und errangen damit ihren ersten Wahlsieg seit 1999. Allerdings konnten sie sich nur mit einem Sitz Vorsprung gegen die rechtspopulistische Partei die Finnen (Perussuomalaiset) durchsetzen, die 17,5 Prozent der Stimmen (-0,2%) und somit 39 Sitze erhielt.

Der Parteivorsitzende der Finnen, Jussi Halla-aho, zeigte sich erfreut über das gute Abschneiden seiner Partei, mit dem laut Halla-aho niemand in seiner Partei gerechnet habe. In den letzten Umfragen vor der Wahl lag die europaskeptische Partei, die Migrationspolitik zu ihrem zentralen Wahlkampfthema gemacht hatte, noch deutlich hinter den Sozialdemokraten.

Drittstärkste Kraft wurde die Nationale Sammlungspartei (Kansallinen Kokoomus), welche 38 Sitze im neuen Parlament erhielt. Mit 17,0 Prozent musste sie jedoch leichte Stimmverluste (-1,2%) hinnehmen. Zu den Verlieren der Wahl zählen die Finnische Zentrumspartei (Suomen Keskusta) und die Blaue Zukunft (Sininen tulevaisuus), die zusammen mit der Nationalen Sammlungspartei die letzte Mitte-Rechts-Regierung gebildet hatten.

Die Zentrumspartei wurde deutlich abgestraft. Sie verlor 18 Sitze und wurde mit 13,8 Prozent der Stimmen (-7,2%) nur noch viertstärkste Partei. 2015 hatte sie die Parlamentswahlen gewonnen und mit Juha Sipilä den Ministerpräsidenten gestellt. Die 2017 von den Finnen abgespaltene Partei die Blaue Zukunft erhielt nur ein Prozent der Stimmen und ist nicht mehr im Parlament vertreten.

Weiterer Wahlgewinner ist der Grüne Bund (Vihreä liitto), der mit seiner auf den Klimawandel fokussierten Wahlkampagne 20 Sitze bzw. 11,5 Prozent der Stimmen (+3,0%) auf sich vereinen konnte. Für das Linksbündnis (Vasemmistoliitto) stimmten 8,2 Prozent der Wähler (+1%).

Ebenfalls im Parlament vertreten sind die Schwedische Volkspartei (Ruotsalainen kansanpuolue) und die Christdemokraten (Kristillisdemokraatit), die wie in der letzten Legislaturperiode mit 9 bzw. 5 Sitzen im Parlament vertreten sein werden.

Schwierige Regierungsbildung

Die Sozialdemokraten und ihr Parteivorsitzender Antti Rinne haben als Wahlsieger ein Vorrecht auf die Regierungsbildung. Die anstehenden Koalitionsverhandlungen dürften jedoch schwierig werden, da alle Parteien weniger als 20 Prozent der Stimmen erhalten haben und ein linkes Parteibündnis nicht auf die erforderliche Mehrheit von 101 Sitzen im Parlament kommt.

Wie die meisten anderen Parteivorsitzenden, schloss Rinne eine Koalition mit der den rechtspopulistischen Finnen, die als zweitstärkste Kraft in das neue Parlament einziehen werden, jedoch bis auf weiteres aus. Damit wird die Nationale Sammlungspartei, unter Führung des ehemaligen Finanzministers Petteri Orpo, zu einem möglichen Koalitionspartner für die Sozialdemokraten. Kommentatoren halten derzeit eine Koalition aus Sozialdemokraten, Nationaler Sammlungspartei, den Grünen, dem Linksbündnis der Schwedischen Volkspartei für am wahrscheinlichsten.

Angesichts gegensätzlicher Vorstellung von Sozialdemokraten und Nationaler Sammlungspartei über die zukünftige Gestaltung der Staatsfinanzen und Wirtschaftspolitik, ist der Erfolg entsprechender Koalitionsverhandlungen jedoch keineswegs sicher. Während Rinnes Sozialdemokraten Steuern anheben wollen, um Wohlfahrtsleistungen auszubauen, spricht sich Orpos Nationale Sammlungspartei dafür aus, durch Steuersenkungen die nationale Wirtschaft anzukurbeln.

Dennoch signalisierte Orpo am Dienstagabend eine vorsichtige Kompromissbereitschaft. Laut Orpo sei es möglich, dass seine Partei an einer Regierungskoalition teilnähme, solange sich auf ein "realistisches Verständnis über den Zustand der nationalen Wirtschaft“ geeinigt werden könne.

Die Zentrumspartei erklärte, sich voraussichtlich nicht an einer Regierungskoalition beteiligen zu wollen, da die Wähler ihnen keinen Regierungsauftrag erteilt hätten. In Reaktion auf das schlechte Wahlergebnis erklärte der ehemalige Ministerpräsident Sipilä, er werde Anfang September von seinem Amt als Parteivorsitzender zurücktreten.

Regierungskoalition zerbrach bereits fünf Wochen vor den Parlamentswahlen

Seit 2015 wurde Finnland von einer Mitte-Rechts-Koalition regiert, die ab 2017 aus der Finnischen Zentrumspartei (Suomen Keskusta), der Blauen Zukunft (Sininen tulevaisuus) und der Nationalen Sammlungspartei (Kansallinen Kokoomus) bestand.

Die Regierung zerbrach am 8. März über eine umfassende Reform des Gesundheitswesens und eine Sozialreform. Gemäß dem Plan sollten neue regionale Provinzen die Verantwortung für die Bereitstellung von Gesundheits- und Sozialdiensten von den Kommunen übernehmen.

Ministerpräsident Juha Sipilä (Zentrumspartei) bezeichnete die sogenannte SOTE-Reform wiederholt als Kernprojekt seiner Regierungszeit. Ihm gelang es jedoch nicht, vor dem regulären Ende der Legislaturperiode im Parlament dafür eine Mehrheit zu gewinnen. Bis zur Bildung einer neuen Regierung bleibt die alte Regierung unter Sipilä jedoch geschäftsführend im Amt. Der Termin für die Parlamentswahlen am 14. April stand zuvor schon fest.

Wichtigstes Thema im Wahlkampf war die Gesundheitsfürsorge, die laut einer Umfrage der Tageszeitung Helsingin Sanomat von Anfang Februar für 55 Prozent der Befragten bei ihrer Wahlentscheidung eine Rolle spielte, gefolgt von den Themen Arbeit, Klima, Staatsfinanzen und Zuwanderung. Das Thema Gesundheitsversorgung gewann bereits im vergangen Jahr an politischer Relevanz, nachdem Journalisten aufgedeckt hatten, dass in Einrichtungen privater Pflegekonzerne teilweise unzumutbare Zustände herrschten. Die gescheiterte Gesundheitsreform sollte auch dabei helfen, Zuständigkeiten in diesem Bereich zu regeln.

Spaltung im Rechtspopulistischen Spektrum

Den Finnen war bei der Parlamentswahl 2011 erstmals ein europaweit zur Kenntnis genommener Wahlerfolg gelungen, als sie mit 19,1 Prozent Oppositionsführer im Parlament wurden. Ab 2015 war die Partei als drittstärkste Kraft für zwei Jahre an der Mitte-Rechts-Regierung beteiligt. Dies änderte sich, als im Juni 2017 Jussi Halla-aho zum neuen Vorsitzenden der Finnen gewählt wurde.

Es kam zu einer Regierungskrise, da Ministerpräsident Sipilä sich weigerte, mit Halla-aho zusammenzuarbeiten, der als euroskeptischer rechter Hardliner gilt. Die Finnen spalteten sich auf: Während die alte Kernpartei in die Opposition ging, distanzierten sich die gemäßigteren Abgeordneten von ihrer Partei und verblieben als "Blaue Zukunft" in der Regierung.

Politisches System

Finnland ist eine parlamentarische Demokratie mit Elementen einer Präsidialdemokratie. Der Staatspräsident wird alle sechs Jahre direkt vom Volk gewählt. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Ähnlich wie in Deutschland hat der finnische Staatspräsident vor allem eine repräsentative Funktion. Dennoch bestimmt er Teile der Außenpolitik mit und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Zudem ernennt er formal den zuvor vom Parlament gewählten Ministerpräsidenten sowie die vom Ministerpräsidenten vorgeschlagenen Mitglieder Kabinetts. Seit dem 1. März 2012 ist der frühere Parlamentspräsident Sauli Niinistö (Nationale Sammlungspartei) Staatspräsident. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 28. Januar 2018 wurde er für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt.

Zu den Kompetenzen des finnischen Parlaments gehören vor allem gesetzgeberische Funktionen und die Genehmigung des Staatshaushalts. Das Einkammerparlament wird alle vier Jahre nach einem Interner Link: regional gegliederten Verhältniswahlrecht gewählt. Wahlberechtigt sind alle finnischen Staatsbürger, die mindestens 18 Jahre alt sind. Das Land ist in 13 Wahlkreise eingeteilt, die jeweils – dem Bevölkerungsanteil entsprechend – eine bestimmte Zahl an Abgeordneten in das Parlament entsenden können. Das dünnbesiedelte Lappland wählt zum Beispiel nur sieben Abgeordnete, während die Hauptstadt Helsinki über 22 Abgeordnete bestimmen kann. Insgesamt werden 200 Sitze im Parlament vergeben.

In jedem Wahlkreis stellen die Parteien Kandidatenlisten auf. Jeder Wähler hat eine Stimme, mit der er einen Kandidaten und dessen Parteiliste wählt. Die abgegebenen Stimmen werden dann in den Wahlkreisen nach dem D’Hondt-Verfahren in Mandate umgerechnet. Eine landesweit geltende Sperrklausel existiert nicht, allerdings gibt es innerhalb der Wahlbezirke rechnerische Grenzwerte bei den Stimmanteilen, die Parteien überspringen müssen, um einen Sitz zu bekommen.

Finnland übernimmt im Juli die EU-Ratspräsidentschaft

Den Finnen war bei der Parlamentswahl 2011 erstmals ein europaweit zur Kenntnis genommener Wahlerfolg gelungen, als sie mit 19,1 Prozent Oppositionsführer im Parlament wurden. Ab 2015 war die Partei als drittstärkste Kraft für zwei Jahre an der Mitte-Rechts-Regierung beteiligt. Dies änderte sich, als im Juni 2017 Jussi Halla-aho zum neuen Vorsitzenden der Finnen gewählt wurde. Es kam zu einer Regierungskrise, da Ministerpräsident Sipilä sich weigerte, mit Halla-aho zusammenzuarbeiten, der als euroskeptischer rechter Hardliner gilt. Die Finnen spalteten sich auf: Während die alte Kernpartei in dieFinnland steht nicht nur wegen der bevorstehenden Regierungsbildung im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit, sondern auch weil Finnland im Juli turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Juha Sipilä versicherte, dass er weiterhin die Vorbereitung der finnischen Ratspräsidentschaft begleiten werde und Finnland notfalls auch als kommissarischer Ministerpräsident in die EU-Ratspräsidentschaft führen würde, sollte die Regierungsbildung bis Mitte Juli noch nicht abgeschlossen sein.

Inhaltlich will sich Finnland unter anderem für den von Deutschland und Belgien vorgeschlagenen "Grundwerte-Check-up" in der EU einsetzen – einer jährlichen Begutachtung aller europäischen Staaten mit Blick auf die gemeinsamen Grundwerte. Mit diesem neuen Prüfmechanismus, so der Vorschlag, soll früher erkannt werden, ob einzelne Staaten sich von demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen entfernen. Opposition ging, distanzierten sich die gemäßigteren Abgeordneten von ihrer Partei und verblieben als "Blaue Zukunft" in der Regierung.

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