Finanzmärkte: Europäer wollen lückenlose Kontrolle
Am Sonntag (22.02.2009) haben die Staats- und Regierungschefs der
europäischen G20-Staaten in Berlin ihre Positionen zur Reform des
internationalen Finanzsystems erörtert. Das Treffen diente zur Vorbereitung
des Weltfinanzgipfels der G20 in London, bei dem die Europäer geschlossen
auftreten wollen.
Bereits im November 2008 hatten sich die 20 wichtigsten Industrie- und
Schwellenländer (G20) als Reaktion auf die Finanzkrise in Washington auf
einen 47-Punkte-Plan zur Reform des globalen Finanzsystem geeinigt. Das
Treffen in Berlin diente den europäischen G20-Staaten dazu, eine
Zwischenbilanz zu ziehen. Zudem berieten die Teilnehmer über eine gemeinsame
Position für den nächsten Weltfinanzgipfel der G20 Anfang April in London.
Dort möchten die Europäer mit einer Stimme sprechen.
Neben den Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Großbritannien,
Frankreich und Italien, Spanien und den Niederlanden nahmen an dem
Vorbereitungstreffen auch die tschechische EU-Ratspräsidentschaft sowie die
Chefs der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, der Euroländergruppe
und der Bank of England teil.
Die Ergebnisse des Berliner Treffens werden auch Diskussionsgrundlage für
ein Treffen des Europäischen Rates vom 19. und 20. März in Brüssel sein.
Dort kommen noch einmal alle 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen
Union zu Beratungen zusammen.
Die europäische Position im Überblick:
Mehr Kontrolle, Regulierung und Sanktionen
Die Europäer fordern vor allem eine stärkere Kontrolle des Finanzsystems:
"Alle Finanzmärkte, -produkte und Marktteilnehmer müssen lückenlos und
unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben, einer angemessenen Aufsicht oder
Regulierung unterstellt werden", heißt es in der Abschlusserklärung. Vor
allem Akteure, von denen ein systemisches Risiko ausginge, müssten künftig
stärker kontrolliert werden. Risiken sollen transparenter werden. Dadurch
solle die Politik in die Lage versetzt werden, Risiken der Finanzmärkte für
die Wirtschaft schneller zu erkennen.
Die Forderung nach stärkerer Kontrolle bezieht auch private
Anlagegesellschaften - insbesondere Hedgefonds - mit ein. Gleiches gilt für
die Rating-Agenturen, die Unternehmen bewerten und damit großen Einfluss auf
das Geschehen an den Börsen haben. Um gegen Steueroasen und intransparente
Finanzpraktiken vorgehen zu können, soll nach dem Willen der Europäer
künftig ein Sanktionsinstrumentarium erarbeitet werden.
Kontrollaufsicht und Frühwarnsystem
Als Hüter der globalen Märkte sollen der Internationale Währungsfonds (IWF),
die Weltbank wie auch die regionalen Entwicklungsbanken in ihrer
Funktion gestärkt werden. Dazu fordern die Europäer eine Reform der
IWF-Kreditinstrumente und eine Verdopplung des IWF-Budgets, damit dieser bei
Zahlungsbilanzschwierigkeiten seiner Mitglieder über die nötigen
finanziellen Mittel verfügt. Zudem sollen IWF und das von Industriestaaten
getragene Forum für Finanzstabilität (FSF) als eine Art Frühwarnsystem
fungieren sowie die Umsetzung des Washingtoner Aktionsplans kontrollieren
und vorantreiben.
Gegen Protektionismus - für freien Handel
Aufgrund der Wirtschaftskrise haben einzelne Staaten begonnen, ihre
heimischen Märkte abzuschotten, um den Kauf eigener Produkte zu befördern.
In Berlin betonten die Europäer die Bedeutsamkeit des freien Handels, der
eine wesentliche Voraussetzung für die wirtschaftliche Stabilisierung
darstelle. Dazugehörige Maßnahmen sollten im Rahmen der sogenannten
Doha-Runde unter Obhut der Welthandelsorganisation (WTO) erörtert werden.
Stabilisierung der Finanzmärkte
Aufgrund der nach wie vor angespannten Lage auf den Finanzmärkten sollen
systemrelevante Finanzinstitute auch weiterhin Unterstützung erhalten, um
die Kreditvergabe an Banken und Privatpersonen zu stützen.
Neue Anreizsysteme, mehr Eigenkapital
Das bisherige System, das auch Bonuszahlungen bei hohen Risiken verspricht,
ist nach Meinung der Europäer nicht mehr tragbar. So sollen etwa
Vergütungssysteme für Bankmanager so umgestaltet werden, dass sie anstatt
des kurzfristigen Risikos eine nachhaltige Wertentwicklung belohnten.
Banken sollen zudem in Zukunft mehr Eigenkapital als Puffer für Krisenzeiten
aufbauen.