Israel nach der Wahl
Nach dem knappen Ausgang der Parlamentswahl am 10. Februar steht Israel vor
einer schwierigen Regierungsbildung: Die Regierungspartei Kadima um ihre
Vorsitzendes Tzipi Livni erhielt ein Mandat mehr als der Likud von
Oppositionsführer Benjamin Netanjahu.
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommt die Kadima um ihre Vorsitzende Tzipi
Livni auf 28 der insgesamt 120 Sitze in der 18. Knesset. Allerdings liegt
sie damit nur knapp vor der konservativen Likud-Partei von Benjamin
Netanjahu, die 27 Mandate erzielte. Drittplatzierte wurde die ultranationalistische
Israel Beitenu um Avigdor Lieberman, die auf 15 Sitze kam. Mit nur 13
Mandaten setzte die Arbeitspartei ihren Abwärtstrend fort und fuhr mit nur
13 Mandaten ihr bislang schlechtestes Ergebnis ein. Die Wahlbeteiligung lag
mit rund 65 Prozent etwas höher als bei der letzten Wahl vor drei Jahren, wo
nur 63,5 Prozent ihre Stimme abgegeben hatten.
Staatschef Schimon Peres muss nun binnen einer Woche eine Partei mit der
Regierungsbildung beauftragen. Ob Livni nach Golda Meir zweite
Ministerpräsidentin in der Geschichte Israels wird, ist aber noch offen.
Denn auch Netanjahu beansprucht das Amt für sich und will eine
regierungsfähige Mehrheit finden - was theoretisch möglich wäre.
Nach israelischem Wahlrecht beauftragt der Präsident nicht automatisch die
stärkste Fraktion mit der Regierungsbildung. Er berücksichtigt bei der
Entscheidungsfindung vor allem, welche Partei eine stabile Mehrheit hinter
sich bringen könnte.
Dabei könnte sich Netanjahu auf die Stimmen aus dem rechten Lager stützen:
Konservative, rechte und religiöse Parteien kommen auf etwa 64 Mandaten, das
Mitte-Links-Lager nur auf 56 oder 57. Wahlsiegerin Livni gab kurz nach der
Wahl bekannt, dass für sie auch eine Große Koalition aus Kadima, Likud und
Arbeitspartei denkbar wäre. Netanjahu hingegen hatte Israel Beitenu schon
vor der Wahl eine Zusammenarbeit in Aussicht gestellt. Damit könnte der
Partei eine Schlüsselrolle bei den schwierigen Koalitionsverhandlungen
zukommen.
Insgesamt waren 34 Parteien zu den vorgezogenen Neuwahlen angetreten. Diese waren
nötig geworden, weil die Kadima-Vorsitzende Livni nach dem Rücktritt des
scheidenden Premiers Ehud Olmert keine neue Regierungsmehrheit finden
konnte. Vor dem Hintergrund des Gazakrieges stand der Konflikt mit den
Palästinensern und der Umgang mit der radikal-islamischen Hamas im
Mittelpunkt des Wahlkampfs. Hier ein Überblick zu den einzelnen Positionen
der stimmenstärksten israelischen Parteien.
Likud
Der national-konservative Likud wird dem Lager der so genannten "Falken" zugerechnet. Die Partei lehnt aus sicherheitspolitischen Erwägungen einen unabhängigen palästinensischen Staat ab und will nur wenige territoriale Zugeständnisse machen - insbesondere in der Frage Ost-Jerusalems. Hier gibt es programmatische Überschneidungen zu den religiösen Parteien, mit denen die säkular ausgerichtete Partei in der Vergangenheit wiederholt eine Koalition eingegangen ist. Sollte ihr Vorsitzender Benjamin Netanjahu die neue Regierung anführen, könnte dies einen Richtungswechsel der israelischen Außenpolitik bedeuten: Zwar will auch der Likud-Politiker die Verhandlungen mit Palästinenser-Präsident Machmud Abbas fortsetzen, allerdings bevorzugt Netanjahu einen "ökonomischen Frieden": Anstatt sich auf die Grenzen eines künftigen palästinensischen Staates zu verständigen, plädiert er für umfassende politische und wirtschaftliche Reformen in den palästinensischen Autonomiegebieten, um so die Lage zu stabilisieren. Netanjahu betonte auch, dass eine Likud-Regierung unter seiner Führung niemals zu den Grenzen von 1967 zurückkehren werde.##kasten:<88B278##