Konferenz für biologische Vielfalt
Weltweit schwindet die Tier- und Pflanzenwelt - mit gravierenden
ökologischen und ökonomischen Folgen. Vom 15. bis zum 30. Mai 2008
diskutieren 5.000 Delegierte bei der UN-Konferenz zur Biodiversität in Bonn
über den Schutz und Erhalt der Arten und Lebensräume.
"Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben -
keine Biene mehr, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr". Was
Albert Schweizer einst prophezeite, ist in der modernen Wissenschaft
umstritten. Einig ist man sich aber: Die Zeit drängt. Jeden Tag sterben 130
Tier- und Pflanzenarten aus, ganze Ökosysteme sind vom Aussterben bedroht.
Nach Angaben der Umweltorganisation WWF stehen allein in Deutschland rund 72
Prozent der Lebensräume von Tieren und Pflanzen auf der "Roten Liste der
gefährdeten Biotoptypen". Schuld am Verlust biologischer Diversität ist
der Mensch, direkt oder indirekt. Der steigende Energie- und
Lebensmittelbedarf führt dazu, dass immer mehr natürliche Räume in
landwirtschaftliche Nutzflächen und Baugrund umgewandelt werden - auf Kosten
der Tier- und Pflanzenwelt. Der Klimawandel belastet die geschwächten
Ökosysteme zusätzlich.
Der Schwund der globalen Artenfülle ist auch aus ökonomischer Perspektive
ein Problem. Im Auftrag der EU und der Bundesregierung haben Wissenschaftler
in einer Studie den wirtschaftlichen Nutzen der Natur dokumentiert. Der
Studie zufolge erbringen die weltweiten Naturschutzgebiete zur Trinkwasser-
und Luftaufbereitung oder beim Schutz vor Überschwemmung und Erosion eine
Wirtschaftsleistung von fünf Billionen Dollar im Jahr - mehr als die
weltweiten Auto-, Stahl- und Softwarehersteller zusammen. Voraussetzung ist
jedoch ein intaktes Ökosystem. Nach Ansicht des Ökonomen Pavan Sukhdev
müssten für den Erhalt der biologischen Diversität in diesen
Naturschutzgebieten 45 Milliarden Dollar pro Jahr aufgebracht werden. Eine
Investition, die sich lohne, wie der Experte errechnete. Der Wert der
Biodiversität sei über hundert Mal so hoch.
Der ökonomische Nutzen der Natur ist eines der zentralen Themen der 9.
UN-Konferenz zur Biodiversität. Die Vertragskonferenz beruht auf dem
Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt, das 1992 auf der
UN-Weltkonferenz in Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Alle zwei Jahre
treffen sich Vertreter der Beitrittstaaten, um die drei Hauptziele des
Vertrags voranzutreiben: Ein globales Schutzgebietsnetz soll etabliert, die
nachhaltige Nutzung verbessert und die Gewinne aus den natürlichen
Ressourcen weltweit gerechter verteilt werden. 2002 konkretisierten die
Delegierten diese Anliegen. Ziel ist es, den Schwund an Biodiversität auf
globaler, nationaler und regionaler Ebene bis 2010 signifikant zu
verringern. Keine leichte Aufgabe, wie Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
(SPD) in seiner Eröffnungsrede zugab: "Die Wahrheit im Jahr 2008 ist: Wir
sind immer noch auf dem falschen Weg". Nach Ansicht des Ministers gehöre es
zu den wichtigsten Zielen der Konferenz, ökonomische Nutzen und Lasten
gerechter zu verteilen. Die Entwicklungsländer kritisieren, dass ein
Großteil der Unternehmen, die sich im Regenwald genetischer Ressourcen für
die Herstellung von Medikamenten bedienten, keinen finanziellen Ausgleich
leisteten. Um der "Biopiraterie" einen Riegel vorzuschieben, sollen
völkerrechtlich verbindliche Vorgaben festgeschrieben werden: Wer die Natur
nutzt, soll auch dafür zahlen. Des Weiteren wollen die rund 5.000
Delegierten Strategien erarbeiten, um den globalen Artenschutz und die
Wirtschaftsentwicklung in Einklang zu bringen.
Deutschland hat hier bereits die Initiative ergriffen. Es wird 2008 erstmals
die Erlöse aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten, 40 Millionen Euro, im
Rahmen der Klimaschutzinitiative für die Erhaltung von Ökosystemen sowie zur
Anpassung von Lebensräumen an den Klimawandel einsetzen.