Wahlen in Japan
Erstmals hat die Liberaldemokratische Partei (LDP) von Japans Regierungschef
Shinzo Abe ihre Mehrheit im Oberhaus verloren. Stärkste Fraktion wurde die
Demokratische Partei Japans (DPJ). Dennoch will Abe im Amt bleiben. Für
September kündigte er eine Regierungsumbildung an.
Trotz der Wahlniederlage kann Abe seine Regierungsarbeit fortführen, da seine Koalition aus Liberaldemokraten und der Partei "Neue Komeito" im politisch wichtigeren Unterhaus weiterhin über eine komfortable Zwei-Drittel-Mehrheit verfügt. Damit kann das Koalitionsbündnis in einer Zweitabstimmung auch dann Gesetze verabschieden, wenn diese durch das Oberhaus zunächst abgelehnt wurden. Eine solche Konstellation wäre jedoch eine Novum in der japanischen Nachkriegsgeschichte.
Politische Beobachter führen die Wahlniederlage darauf zurück, dass die Regierung Abe an den Sorgen und Nöten der Bevölkerung vorbeiregiert habe. Patriotismus und die Veränderung der Verfassung standen im Mittelpunkt der bisherigen Regierungsarbeit. Umfragen zeigen aber, dass sich die Japaner in erster Linie um ihre soziale Sicherheit sorgen. Auf diesem Gebiet musste Abes Regierung kürzlich einen Rückschlag hinnehmen: Daten zu Renteneinzahlungen von rund 50 Millionen Versicherten gingen unwiederbringlich verloren. Medienberichten zufolge werden viele Versicherte nun geringere Renten bekommen als ursprünglich beziffert. Zudem hatte es in jüngster Zeit etliche Skandale um Kabinettsmitglieder gegeben. Zwei Minister mussten zurücktreten. Ein weiteres Regierungsmitglied, Agrarminister Toshikatsu Matsuoka, hatte sich das Leben genommen, nachdem gegen ihn wegen Korruption ermittelt wurde. Sein Nachfolger Norihiko Akagi steht seit Wochen unter Verdacht, Spesen doppelt abgerechnet zu haben. Trotzdem sprach ihm Abe noch vor wenigen Tagen sein Vertrauen aus.
Abe übernahm zwar die Verantwortung für die Wahlniederlage seiner Partei, sah darin aber kein Misstrauensvotum der Wähler. "Der Aufbau der Nation hat gerade begonnen. Ich möchte meine Verantwortung als Ministerpräsident fortsetzen", sagte Abe. Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo meldete, Abe wolle nun seine Regierung umbilden. Dabei könnte ihm allerdings seine eigene Partei in die Quere kommen. Vor rund zehn Monaten hatten die Liberalen Abe zu ihrem Spitzenkandidaten ernannt. Man hoffte, wegen seines jugendlichen Images bei den japanischen Wählern punkten zu können. Spekuliert wird, ob die Partei nun einen neuen, aussichtsreicheren Kandidaten vorschlägt. Druck könnte auch von der Demokratischen Partei ausgehen, die nach ihrem Sieg im Oberhaus eine vorzeitige Neuwahl des Unterhauses erzwingen will, um auch hier eine Mehrheit zu erreichen.