Nationaler Volkskongress in China
Einmal im Jahr versammelt sich in Peking das größte Parlament der Welt. Rund 3.000 Delegierte beraten diesmal unter anderem über ein Gesetz zum Privateigentum, ein deutlich erhöhtes Militärbudget und soziale Probleme.
In diesem Jahr nehmen jedoch soziale Fragen einen großen Raum auf der Agenda ein. Denn die wachsende soziale Ungleichheit will nicht so recht zum Propagandaziel einer "harmonischen Gesellschaft" passen, das Chinas Präsident und KP-Parteichef Hu Jintao zur Leitlinie erklärt hat. Gewaltige Einkommensunterschiede bedrohen den sozialen Frieden. Das obere Fünftel der chinesischen Gesellschaft verfügt inzwischen über mehr als 80 Prozent des Gesamteinkommens. 1990 lag dieser Wert noch bei etwa 39 Prozent. Unzufrieden ist die Bevölkerung neben dem schlechten Gesundheitssystem und den drastisch ansteigenden Wohnungsmieten vor allem mit der wachsenden Arbeitslosigkeit. Trotz eines Wirtschaftswachstums von 10,7 Prozent im vergangenen Jahr fehlen in den Städten wegen anhaltender Landflucht Stellen. Offiziell hat China eine Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent. Westliche Experten gehen jedoch von einer Quote von mindestens 10 Prozent aus, weil die hohe Arbeitslosigkeit auf dem Land in der Statistik gar nicht mitgerechnet wird. Mehr als 150 Millionen Wanderarbeiter kommen noch hinzu.
Auf der Tagesordnung steht auch das umstrittene Eigentumsgesetz. Seit Jahren bekämpft die chinesische Linke das Gesetz, weil es den Ausverkauf des Sozialismus und damit die Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm vorantreibe. Der Entwurf sieht vor, Privat- und Staatseigentum erstmals in der Geschichte der Volksrepublik den gleichen Schutz zuzugestehen. Obwohl das Prinzip des Staatsbesitzes nicht aufgegeben wird, sollen private Häuser und Fabriken besser geschützt werden; künftig sollen bei Enteignungen sogar "angemessene" Entschädigungen bezahlt werden.
Der Kongress wird auch über eine erneute Steigerung des Militäretats um 17,8 Prozent befinden, was bei den Nachbarn Chinas und den USA Besorgnis ausgelöst hat. Im Vorjahr betrug die Steigerung lediglich 14,7 Prozent. Der Etat erreicht damit offiziell ein Volumen von 34,3 Milliarden Euro. Die USA gehen davon aus, dass diese Summe nur ein Drittel der tatsächlichen Rüstungsausgaben erfasst.