Der Arbeitsmarkt in Europa: Zahlen, Daten, Fakten
Der Arbeitsmarkt in Europa ist aktuell geprägt von einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit bei einer stark heterogenen Entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten. Während die südlichen Krisenländer Rekordarbeitslosenquoten verzeichnen, beträgt der Anteil der Arbeitslosen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden lediglich um die fünf Prozent. Die Europäische Union steht vor der Herausforderung, die Arbeitslosigkeit in den Krisenstaaten zu senken und das massive Ungleichgewicht zwischen den nationalen Arbeitsmärkten auszubalancieren.


Arbeitslosigkeit
Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 ist die Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union (EU) anhaltend gestiegen. Ende des Jahres 2013 waren rund 26 Millionen Menschen in den 28 Mitgliedstaaten der EU (EU-28) ohne Arbeit. Die Erwerbslosenquote lag gemäß Daten der Europäischen Statistikbehörde Eurostat im Dezember 2013 bei 10,7 Prozent.i
Arbeitsmarktstatistik der Europäischen Union: Eurostat
Die international vergleichbaren Arbeitsmarktdaten von Eurostat ermöglichen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten das Monitoring und Benchmarking der nationalen Arbeitsmarktsituation. "Arbeitsmarktstatistiken werden dazu eingesetzt, um die Europa 2020-Strategie und die Europäische Beschäftigungsstrategie zu verfolgen und werden dem Bedarf der Wirtschafts- und Währungspolitik in der Europäischen Union gerecht", heißt es auf der Eurostat-Website. Die monatlichen Arbeitslosenquoten gehören, gemeinsam mit dem Arbeitskostenindex und den vierteljährlichen Statistiken der offenen Stellen, zu den "wichtigsten Europäischen Wirtschaftsindikatoren" (WEWI). Sie liefern Kerninformationen zur Konjunkturanalyse und für politische Entscheidungen.
Im Unterschied zu den nationalen Arbeitsmarktzahlen, die mittels Vollerhebung aus Registerdaten ermittelt werden, basiert die Arbeitsmarktstatistik von Eurostat auf einer Stichprobenerhebung, der so genannten Arbeitskräfteerhebung (Labour Force Survey). Die Definition von Erwerbslosigkeit und Erwerbstätigkeit folgt dem Konzept der International Labour Organization (ILO). Dieses weicht wesentlich von der Systematik der Bundesagentur für Arbeit (BA), die die nationale Arbeitslosenquote in Deutschland herausgibt, ab. So fällt die Arbeitslosenzahl der BA beispielsweise regelmäßig deutlich höher aus, als die Erwerbslosenzahl von Eurostat.
(Ein ausführlicher Vergleich der Konzepte von Arbeitslosigkeit und Erwerbslosigkeit findet sich in dem Artikel "Wie wird Arbeitslosigkeit gemessen?")
Quellen: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/about_eurostat/introduction und http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/labour_market/introduction


Entwicklung der Erwerbslosenquote in ausgewählten EU-Staaten
2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Österreich | 5,2 | 4,8 | 4,4 | 3,8 | 4,8 | 4,4 | 4,2 | 4,3 | 4,9 |
Deutschland | 11,3 | 10,3 | 8,7 | 7,5 | 7,8 | 7,1 | 5,9 | 5,5 | 5,3 |
Luxemburg | 4,6 | 4,6 | 4,2 | 4,9 | 5,1 | 4,6 | 4,8 | 5,1 | 5,8 |
Niederlande | 5,3 | 4,4 | 3,6 | 3,1 | 3,7 | 4,5 | 4,4 | 5,3 | 6,7 |
Italien | 7,7 | 6,8 | 6,1 | 6,7 | 7,8 | 8,4 | 8,4 | 10,7 | 12,2 |
Portugal | 8,6 | 8,6 | 8,9 | 8,5 | 10,6 | 12 | 12,9 | 15,9 | 16,5 |
Spanien | 9,2 | 8,5 | 8,3 | 11,3 | 18 | 20,1 | 21,7 | 25 | 26,4 |
Griechenland | 9,9 | 8,9 | 8,3 | 7,7 | 9,5 | 12,6 | 17,7 | 24,3 | 27,3 |
Eurostat, Harmonisierte Arbeitslosenquote nach Geschlecht http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&plugin=1&language=de&pcode=teilm020


Erwerbstätigkeit
Auch die Erwerbsbeteiligung in der EU-28 hat sich in den letzten Jahren negativ entwickelt. Während die Erwerbstätigenquote im EU-Durchschnitt vor der Krise 2008 noch bei über 70 Prozent lag, sank sie in der Folge auf um die 68 Prozent und liegt damit 7 Prozentpunkte unter der im Rahmen der Wachstumsstrategie Europa 2020anvisierten 75 Prozent-Marke.i
Die Beschäftigungspolitik der Europäischen Union
Beschäftigungspolitische Leitlinien entsprechen dem System der Offenen Methode der Koordinierung. In ihrem Rahmen werden gemeinschaftlich politische Ziele definiert, deren Umsetzung in den Zuständigkeitsbereich der Nationalstaaten fällt. Die politischen Maßnahmen und die damit erreichten Ergebnisse unterliegen allerdings dem Monitoring und Benchmarking durch die EU. Hintergrund ist die Bestrebung des Lernens von Best Practices in den einzelnen Mitgliedstaaten.


Entwicklung der Erwerbstätigenquote in ausgewählten EU-Staaten
2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Schweden | 78,1 | 78,8 | 80,1 | 80,4 | 78,3 | 78,1 | 79,4 | 79,4 | 79,8 |
Deutschland | 69,4 | 71,1 | 72,9 | 74 | 74,2 | 74,9 | 76,3 | 76,7 | 77,1 |
Niederlande | 75,1 | 76,3 | 77,8 | 78,9 | 78,8 | 76,8 | 77 | 77,2 | 76,5 |
Dänemark | 78 | 79,4 | 79 | 79,7 | 77,5 | 75,8 | 75,7 | 75,4 | 75,6 |
Österreich | 71,7 | 73,2 | 74,4 | 75,1 | 74,7 | 74,9 | 75,2 | 75,6 | 75,5 |
Griechenland | 64,6 | 65,7 | 66 | 66,5 | 65,8 | 64 | 59,9 | 55,3 | 53,2 |
Spanien | 67,2 | 68,7 | 69,5 | 68,3 | 63,7 | 62,5 | 61,6 | 59,3 | 58,2 |
Italien | 61,6 | 62,5 | 62,8 | 63 | 61,7 | 61,1 | 61,2 | 61 | 59,8 |
Quelle: Eurostat, Erwerbstätigenquote nach Geschlecht, Altersgruppe 20-64, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&plugin=1&language=de&pcode=t2020_10
Problemgruppen am Arbeitsmarkt
Bestimmte Personengruppen haben es am Arbeitsmarkt deutlich schwerer als andere. Dazu gehören beispielsweise Jugendliche, ältere Arbeitnehmer und Langzeitarbeitslose. Die Europäische Union definiert diese als besondere Zielgruppen und widmet ihnen Beschäftigungspakete im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie, darunter die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen.Jugendarbeitslosigkeit


Arbeitslosigkeit Älterer


2010 lag die Erwerbstätigenquote der älteren Bevölkerun EU-28-weit bei 46,3 Prozent. Damit wurde das Stockholm-Ziel um rund 4 Prozentpunkte verfehlt. Bis 2013 wuchs die Quote allerdings auf 50,1 Prozent. Zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der EU differieren die Werte wiederum stark. So erreichen die Spitzenreiter bei der Erwerbsbeteiligung der älteren Menschen im Jahr 2013 Werte deutlich über 60 Prozent, darunter Schweden mit 73,6 Prozent, Deutschland mit 63,5 Prozent und Estland mit 62,6 Prozent, während in Staaten wie Malta, Griechenland und Slowenien lediglich zwischen 33 und 36 Prozent der Bevölkerung im entsprechenden Alter erwerbstätig sind.
Langzeitarbeitslosigkeit




Als Resultat der steigenden Langzeitarbeitslosigkeit haben sich zahlreiche Jobsuchende entmutigt vom Arbeitsmarkt zurückgezogen und die Arbeitssuche aufgegeben, urteilt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Rahmen eines Überblicks zum europäischen Arbeitsmarkt.
Aktuelle Herausforderungen der Europäischen Beschäftigungspolitik
Die zentralen Herausforderungen am Europäischen Arbeitsmarkt benennt die Europäische Kommission in ihrem aktuellen Jahreswachstumsbericht (JWB) 2014. Er beschreibt die wirtschaftliche und soziale Lage in Europa und legt die politischen Prioritäten der EU für das kommende Jahr dar. Die wichtigste Herausforderung für die europäische Wirtschaft liege zum jetzigen Zeitpunkt in der Festigung der konjunkturellen Erholung, heißt es dort. Ermutigende Anzeichen sprächen dafür, dass die Arbeitslosigkeit nicht länger zunimmt und die Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr bei ihren Arbeitsmarktreformen vorangekommen sind."Dennoch verharrt die Arbeitslosigkeit – und insbesondere die Jugend- und die Langzeitarbeitslosigkeit – immer noch auf einem unannehmbar hohen Niveau", resümiert die Europäische Kommission die Lage. Es gebe nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten (insbesondere des Euro-Währungsgebiets) in Bereichen wie Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, Haushaltseinkommen, soziale Ungleichheiten und Armutsquote. Daher müsse weiterhin alles dafür getan werden, die Arbeitsmärkte robuster zu machen. Darüber hinaus sei es wichtig, die Schaffung von Arbeitsplätzen in wachstumsstarken Wirtschaftszweigen zu fördern, soziales Gefälle und Armut langfristig abzubauen und zielgerichtete soziale Investitionen zu tätigen.
Quellen
Eurostat, Arbeitslosenquote insgesamtEurostat, Erwerbstätigenquote nach Geschlecht, Altersgruppe 20-64
Eurostat, Harmonisierte Arbeitslosenquote nach Geschlecht
Europäische Kommission, Europäisches Semester 2014: die wirtschaftliche Erholung festigen
Eurostat, Langzeitarbeitslosenquote, nach Geschlecht
International Labour Organization, Snapshot of the labour market in the European Union – 2013
Zum Weiterlesen
Eurostat, Arbeitsmarkt (einschließlich der Arbeitskräfteerhebung)http://ec.europa.eu/eurostat/web/main/home
European Commission, Employment and Social Situation: Quarterly Review indicates little improvement despite first signs of recovery
European Commission, Europe 2020
Europäische Kommission, Entwurf des gemeinsamen Beschäftigungsberichts, Begleitdokument zur Mitteilung der Kommission zum Jahreswachstumsbericht 2014
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