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Der Virtuelle Arbeitsmarkt | Arbeitsmarktpolitik | bpb.de

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Der Virtuelle Arbeitsmarkt

Julia Berthold Frank Oschmiansky

/ 13 Minuten zu lesen

Neben dem traditionellen Arbeitsmarkt bzw. der traditionellen Arbeitsvermittlung entwickelte sich seit Mitte der 1990er Jahre auch der virtuelle Arbeitsmarkt. Mit fortschreitender Digitalisierung gewann dieser an Relevanz und ist heute ein wichtiger Bestandteil bei der Arbeitsvermittlung. Was den virtuellen Arbeitsmarkt so relevant macht, wie er sich entwickelte und welche Modelle der Arbeitsvermittlung dort aufzufinden sind, soll im Folgenden beschrieben werden.

Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit präsentieren den “Virtuellen Arbeitsmarkt” auf der Fachmesse “Moderner Staat” in Berlin. (© AP)

Die Anfänge des virtuellen Arbeitsmarktes

Bis Mitte der 1990er Jahre erfolgte die Veröffentlichung von Stellenangeboten hauptsächlich über die weit verbreiteten Printmedien. Als Anfang der 1990er Jahre das Internet zunehmend auch außerhalb von Universitäten und Forschungseinrichtungen Verbreitung fand, wirkte sich dies auch auf das Arbeitsmarktgeschehen aus. Als erster Meilenstein in der Entwicklung des virtuellen Arbeitsmarktes kann der Markteintritt der ersten Online-Jobbörse „Job-Pilot“ im Jahr 1995 betrachtet werden. In den folgenden drei Jahren folgten noch zwei weitere solcher Plattformen, „Jobware“ und „Stepstone“, auf denen Stellenanzeigen veröffentlicht und eingesehen werden konnten. Mit Beginn der 2000er Jahre nutzten auch Unternehmen selbst zunehmend eigene Webseiten um offene Stellen auszuschreiben.

Der virtuelle Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit

Am 01. Dezember 2003 zog dann auch die Bundesagentur für Arbeit mit einem eigenen virtuellen Arbeitsmarkt ins Feld. Dieser virtuelle Arbeitsmarkt besteht aus vier Funktionseinheiten, wovon zwei für die externe Nutzung und zwei für die interne Nutzung verfügbar sind:

  • das „Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystem“ VerBIS, das als Standardsoftware für den Vermittlungsberatungsprozess zum Einsatz kommt,

  • die virtuelle „Jobbörse",

  • die Metasuchmaschine „Job-Roboter“.

  • Für die Arbeitssuchende steht darüber hinaus das Online-Portal zur Verfügung, das neben dem Zugang zur Job-Börse den weiterreichenden BA-Informationsservice anbietet.

Das intern genutzte „Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystem“ VerBIS wird zum Matching genutzt. Hierbei vergleicht das System fallbezogen Angebot und Nachfrage und zeigt die passenden Bewerber- beziehungsweise Stellenangebote, sortiert nach dem Grad der Übereinstimmung. Auf Grundlage dieser Auswahl kann die Fachkraft Vermittlungsvorschläge unterbreiten. Arbeitssuchende können die mit VerBIS verknüpfte „Jobbörse“ der Bundesagentur zur aktiven und passiven Stellensuche nutzen. Hier kann ein Bewerberprofil erstellt und verwaltet sowie ein Pool von der Agentur gemeldeten Arbeits- und Ausbildungsstellen durchsucht werden. Arbeitssuchende haben die Möglichkeit, Bewerbungsunterlagen zu erstellen und diese direkt über die Plattform an potentielle Arbeitgeber zu versenden. Arbeitgeber können Bewerberprofile einsehen und potentielle Arbeitnehmer zu einer Bewerbung auffordern.

Im Zusammenspiel mit der Jobbörse profitieren also auch Arbeitssuchende vom internen „Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystem“ VerBIS. Über die Standard Stellensuche hinaus können Arbeitssuchende ihr angelegtes Profil für ihre jeweiligen Vermittler oder Berufsberater freigeben, sodass diese beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen unterstützen und den Fortschritt im Bewerbungsprozess einsehen können. Weiterhin ist die Nutzung eines virtuellen Postfachs möglich, durch das Arbeitssuchende mit ihren Vermittlern direkt kommunizieren können. Auch Vermittlungsvorschläge können eingesehen und die Lernmodul-Plattform „LERNBÖRSE exklusiv“ genutzt werden.

Die Meta-Suchmaschine Job-Roboter kann von Mitarbeitern der Bundesagentur genutzt werden um Stellenangebote in Deutschland, Österreich, Schweiz oder den Niederlanden zu finden, die nicht regulär der Arbeitsagentur gemeldet wurden. Dafür durchsucht sie Arbeitgeberwebseiten, die zuvor ihr Einverständnis gegeben haben, und greift außerdem auf Stellenangebote von bund.de und EURES (EURopean Employment Services) zurück. Wahlweise können auch Stellen privater Arbeitsvermittler und Zeitarbeitsfirmen angezeigt werden, die aber in der Regel auch der Agentur für Arbeit gemeldet werden. Die Suchmaske bietet Suchen bezogen auf Beruf, Tätigkeit und Position und erlaubt die Nutzung logischer Operatoren (UND, ODER, NICHT). Job-Roboter bietet ein quantitativ hohes Potential an Stellen für Fach- und Führungskräfte.

Die Bundesagentur für Arbeit hat für die Nutzung der Jobbörse einige Vorkehrungen zum Datenschutz getroffen. Zunächst wird der Zugang potentieller Arbeitgeber durch einen erforderlichen Nachweis der Arbeitgebereigenschaft und dem anschließenden Postversand von Zugangsdaten geprüft. Anschließend ausgeschriebene Stellen durchlaufen dann einen internen Prüfungsprozess der Agentur. Zum direkten Schutz der Daten des Nutzers werden diesem einige Rechte bei der Datenverwaltung erteilt. Die erfassten Daten (Stammdaten, Lebenslauf, Fähigkeiten und Stellengesuch) können vom Nutzer selbst und unter Umständen stufenweise veröffentlicht werden. Sensible Daten, wie zum Beispiel Daten zum etwaigen Leistungsbezug, sind nicht zugänglich. Auch die Veröffentlichung eines Bewerbungsfotos ist optional. Durch die sogenannte „CALL-ME-Funktion“ wird es via Rufumleitung Arbeitssuchenden ermöglicht von Betrieben kontaktiert zu werden, ohne ihre Telefonnummer veröffentlichen zu müssen.

Die Weiterentwicklung des virtuellen Arbeitsmarktes

Mitte der 2000er Jahre vollzog sich ein Wandel des Mediums Internet. Von einer eher informationszentrierten Plattform entwickelte sich das Web zunehmend zu einem Raum, der von nutzergenerierten Inhalten mitbestimmt wird. Zur Abgrenzung dieser Stadien etablierte sich der Begriff Web 2.0. Das Internet wurde zur interaktiven Plattform, was sich auch auf den virtuellen Arbeitsmarkt auswirkte. Wurden zuvor online Jobbörsen, deren Fokus auf der Reichweite liegt, zur Suche nach Stellenangeboten genutzt, so verbreiteten sich zunehmend auch Netzwerke wie Facebook, LinkedIn und XING (gegründet 2003) mit Fokus auf der Interaktion der Nutzer als Möglichkeit der Stellensuche. Neben der Vernetzung privater Kontakte ist in diesem Rahmen auch der Austausch mit professionellen Kontakten möglich. Darüber hinaus besteht über diese neuen Plattformen die Möglichkeit, direkt mit potentiellen Arbeitgebern in Kontakt zu treten. Diese technologische Entwicklung trug zu einer Veränderung des Bewerberverhaltens bei, welches (auf einigen Teilarbeitsmärkten) die ursprünglichen Machtverhältnisse umkehrte und Arbeitnehmer eher einen Arbeitgeber auswählen, statt umgekehrt. Die Betriebe sind somit dazu „gezwungen“, die mittlerweile weltweit vernetzten Arbeitnehmer anzuwerben und sich auch auf sozialen Medien zu präsentieren. Dieses aktive Ansprechen und Anwerben von potentiellen Arbeitnehmern wird als „Active Sourcing“ bezeichnet. Zur Rekrutierung immer weniger zur Verfügung stehender neuer Arbeitskräfte sind Arbeitgeber auch auf soziale Netzwerke, Plattformen wie Twitter, Expertenforen und Blogs potentieller Arbeitnehmer angewiesen.

Die von der Universität Bamberg veröffentlichten Recruiting Trends 2020 zeigen, dass die traditionellen Rekrutierungskanäle von Unternehmen spürbar an Bedeutung verloren haben.

QuellentextRecruiting Trends

  • Studienreihe, die seit 2002 vom Centre of Human Resources Information Systems der Universität Bamberg durchgeführt wird.

  • Regelmäßige Befragung von Personalverantwortlichen der 1.000 größten Unternehmen Deutschlands

  • Befragung von Trendbranchen

  • Befragung von Arbeitssuchenden

  • Jährliche Veröffentlichung

  • Seit 2007 auch Befragungen in Österreich, Schweiz und anderen EU-Ländern

An der Unternehmensbefragung beteiligten sich 127 der 1.000 größten deutschen Unternehmen (Rücklaufquote 12,7 Prozent) und 32 der 300 größten Unternehmen aus der IT-Branche (Rücklaufquote 10,7 Prozent). Die Verteilung der Stichproben der jeweiligen Studienteilnehmer ist gemäß dem aktuellen Datenbankregister von Bisnode hinsichtlich der Merkmale Umsatz, Mitarbeiterzahl und Branchenzugehörigkeit in Bezug auf die entsprechende Grundgesamtheit repräsentativ.

Weitere Informationen: Externer Link: https://www.uni-bamberg.de/isdl/chris/recruiting-trends/

Für das Jahr 2019 gaben nur noch 9 Prozent der befragten Unternehmen an, Printmedien für die Rekrutierung zu nutzen. Auch die Möglichkeit der Vermittlung über die Bundesagentur für Arbeit nutzten lediglich 51 Prozent der Unternehmen. Demgegenüber stehen 86 Prozent der Unternehmen, die ihre eigene Unternehmenswebseite für die Gewinnung von Arbeitnehmern nutzten, sowie 74 Prozent, die dafür Internet-Stellenbörsen verwendeten. Vergleicht man die Aussagen zu den Jahren 2018 und 2019 miteinander so wird deutlich, dass sowohl Mitarbeiterempfehlungen als auch Karriere- und soziale Netzwerke an Bedeutung gewannen.

Die Ergebnisse der Befragung der Kandidaten ergab, dass diese mit 55 Prozent am häufigsten eine Internet-Stellenbörse zur Jobsuche verwendeten. Printmedien wurden auch auf Kandidatenseite nur selten verwendet.

Neben der technischen Entwicklung und der entsprechenden Anpassung des Dialogs zwischen potentiellen Arbeitgebern und Arbeitnehmern veränderte sich auch die Kommunikation über das Unternehmen an sich. Es kam zum „Verlust der Informationshoheit“ auf Seiten der Unternehmen, da sich diese Kommunikation auf Kanäle verschob, die außerhalb des Einflussbereichs der Unternehmen liegen. Hierbei spielen auch Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie z.B. kununu eine Rolle.

Employer Branding

Für Unternehmen wird es zunehmend relevanter, sich (insbesondere im Bereich höher qualifizierter Arbeitskräfte) als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Um Arbeitnehmer anwerben zu können, sind viele Betriebe darauf angewiesen, sich als eine Art Marke zu präsentieren, die mit nach außen kommunizierten Werten und Zielen Arbeitnehmern attraktiv erscheint. In einem 2016 geführten und im „Praxishandbuch Social Media Recruiting“ von Ralph Dannhäuser (Hrsg.) veröffentlichten Interview mit Barbara Wittmann, zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Geschäftsführung von LinkedIn, berichtete diese, dass in einer Studie zum Wert von Arbeitgebermarken 52 Prozent der befragten Arbeitnehmer angaben, nicht zu einem Arbeitgeber mit schwacher Arbeitgebermarke wechseln zu wollen. Das Schaffen dieser „Arbeitgebermarke“ wird als Employer Branding bezeichnet und findet in vielerlei Hinsicht im virtuellen Raum statt. Hierfür werden sowohl die eigene Unternehmenswebseite als auch Social Media Kanäle und ähnliche Formate verwendet, wobei Facebook und XING am häufigsten genannt wurden. Bei der eigenständigen Betrachtung der IT-Unternehmen hingegen werden Unterschiede sichtbar. Die Unternehmen nannten am häufigsten LinkedIn als Plattform für Image-Werbung im Social Media Bereich. Facebook, XING und YouTube wurden etwa gleich häufig genannt und rangieren auf Platz zwei der Plattformen. Auch sogenannte Karrierewebseiten, die im Webauftritt des jeweiligen Unternehmens eingebunden sind, bieten einen Überblick über offene Stellen. Aus den Recruiting Trends 2017 ging hervor, dass 89 Prozent der Unternehmen ihre eigene Karrierewebseite zur Veröffentlichung von Vakanzen nutzten. Hier werden auch gezielt Informationen zum Unternehmen und zu den Vorteilen einer Anstellung in diesem vermittelt. Somit sind auch diese Webseiten Teil des Employer Brandings.

Rekrutierung via Netzwerk

Nach Barbara Wittmann bietet die Rekrutierung über soziale Netzwerke sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber Vorteile. Soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit ein umfangreiches Profil anzulegen, sodass sich Arbeitnehmer deutlich differenzierter und umfänglicher präsentieren können, als dies in der herkömmlichen Form einer Bewerbung möglich ist. Arbeitnehmer können ihr Engagement in Foren, auf Webseiten oder Online-Gruppierungen sichtbar machen und auch eigene Veröffentlichungen zur Ansicht und Interaktion bereitstellen. Im Gegenzug können sich Betriebe in vielerlei Facetten präsentieren und gewinnen durch die mögliche Bestätigung anderer Mitglieder, z.B. auf Bewertungsplattformen, an Glaubwürdigkeit. Das Auftreten der Unternehmen innerhalb dieser Netzwerke ist hierbei als Teil des Employer Brandings zu betrachten. Auch Business-Netzwerke, wie etwa XING oder LinkedIn spielen eine wichtige Rolle bei der Stellensuche über Netzwerke. XING hat laut den Recruiting Trends 2017 hierbei die größte Relevanz und wird von 42 Prozent der Kandidaten für die Jobsuche genutzt. Demgegenüber stehen jedoch nur 19 Prozent der befragten Unternehmen, die angaben, soziale Netzwerke zur Mitarbeiterrekrutierung zu nutzen. Auch das Schalten von Anzeigen ist auf diesen Plattformen möglich.

Darüber hinaus sind laut Wittmann soziale Netzwerke der wichtigste Rekrutierungskanal für ausländische Fachkräfte. Diese werden zu 94 Prozent über diesen Weg rekrutiert. Auch die sogenannte Generation Y (Jahrgänge der 1980er und 1990er Jahre), die als erste Generation weitestgehend mit Internet und mobiler Kommunikation aufwuchs, ist auf dem Arbeitsmarkt angekommen oder betritt diesen derzeit. Diese „Digital Natives“ gelten als gut ausgebildet und haben häufig einen von neuen Technologien geprägten Alltag. Auch diese Personengruppe ist über soziale Medien für potentielle Arbeitgeber gut erreichbar und sorgt somit zu einem veränderten Auftreten der Unternehmen, die sie als Arbeitnehmer gewinnen wollen.

Auch bei der Rekrutierung über Netzwerke ist der Datenschutz ein wichtiges Thema. Gerade die sozialen Netzwerke, die nicht ausschließlich zur Vernetzung mit professionellen Kontakten dienen, beinhalten häufig eine Fülle an Informationen und Daten der Nutzer, die für einen Bewerbungs- und Auswahlprozess irrelevant sind. In einem im Rahmen der Recruiting Trends 2017 geführten Interview mit einem Rechtsanwalt zur Thematik der Datenschutzgrundverordnung, betont dieser die Bedeutung von „Verhältnismäßigkeit, Fairness und Transparenz der Verarbeitung sowie auch der Sicherung von Vertraulichkeit und Integrität.“

Mobile Recruiting

Etwa ab dem Jahr 2007 kam es zu einer weiteren Entwicklung der Alltagstechnologie – Smartphones wurden zunehmend als mobile Endgeräte genutzt. Auch an diese Entwicklung musste sich der virtuelle Arbeitsmarkt anpassen. Bestehende Webseiten und Anwendungen wurden weiterentwickelt, um die Nutzung auf den entsprechenden Geräten zu ermöglichen und zu optimieren. Das Rekrutieren von Arbeitskräften mittels dieser Kanäle wird als Mobile Recruiting bezeichnet. Auch in diesem Zusammenhang werden datenschutzrechtliche Bedenken relevant. In den Recruiting Trends 2020 gaben 54 Prozent der befragten Kandidaten an, Sicherheitsbedenken hinsichtlich mobiler Bewerbungen zu haben. Auffallend ist hier, dass sich diese Bedenken gleichmäßig über alle Altersstufen verteilen.

Online Stellenbörsen

Online Jobbörsen gibt es in verschiedenen Typen. Allgemeine Jobbörsen bieten ein großes Spektrum an offenen Stellen und auch Bewerberprofilen an. Spezifische und spezialisierte Jobbörsen sprechen einen deutlich kleineren Arbeitnehmer und -geberkreis an, z.B. bestimmter Fachrichtungen oder Qualifizierungsarten. Meta-Jobbörsen bzw. -Suchmaschinen liefern plattformübergreifend Jobangebote und somit ein meist umfangreiches Suchergebnis. Bei der Suche nach offenen Stellen können bei dieser, je nach Plattform, unterschiedliche Filteroptionen angewendet werden. So können die ausgelieferten Ergebnisse beispielsweise räumlich, nach Spezialisierung oder Stellung im Unternehmen eingegrenzt werden. Auch die passive Stellensuche ist über Online Jobbörsen möglich. Hier kommen z.B. Newsletter der Plattformen oder Mailbenachrichtigungen bei Veröffentlichung passender Stellen in Frage. Für Unternehmen bieten Jobbörsen den Vorteil, dass sie ihre Anzeigen im Corporate Design schalten und aufgrund des großen Zulaufs viele potentielle Arbeitnehmer gleichzeitig erreichen können. 2017 gaben knapp 68 Prozent der befragten Unternehmen an, Online Jobbörsen zur Veröffentlichung von Vakanzen zu nutzen. Bei einem Großteil der Plattformnutzer handelt es sich um latent suchende Arbeitnehmer, die zwar noch angestellt, aber interessiert an Angeboten sind. Auch in diesem Zusammenhang wird das zunehmende Erfordernis aktiven Rekrutierens seitens der Unternehmen deutlich.

Suchmaschinen

Die hohen Besucherzahlen von Online Jobbörsen rühren nicht zuletzt daher, dass diese ein gutes Suchmaschinenmarketing betreiben und damit bei Nutzeranfragen über eine Online Suchmaschine weit vorn gelistet werden. Generell erfahren Suchmaschinen steigendes Interesse bei Jobsuchenden. Laut den Recruiting Trends 2016 wurden diese von 41 Prozent der Jobsuchenden zur direkten Suche nach offenen Stellen und von 64 Prozent der Jobsuchenden zur Suche nach Informationen zu für sie interessanten Unternehmen genutzt. Die Studie beschreibt jedoch auch, dass dieser Kanal unter den befragten Unternehmen noch nicht allzu bekannt ist. Um effektiv von der Suche über eine der Suchmaschinen profitieren zu können, muss der Webauftritt des Unternehmens dementsprechend angepasst werden. Hier kommen z.B. Suchwortkombinationen zum Einsatz, die die Webseite für Suchmaschinen auffindbar machen. Bei den befragten Handelsunternehmen gaben 60 Prozent an, ihre Webseite entsprechend angepasst zu haben, bei den IT-Unternehmen waren es 57 Prozent. Lediglich 23 Prozent gaben an, den von Google betriebenen Anzeigenservice „Google Ads“ zu verwenden.

Bewerbungsformate

Die verschiedenen bereits beschriebenen Möglichkeiten der Interaktion zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bieten in der Folge auch unterschiedliche Formen der tatsächlichen Bewerbung an. Die Ergebnisse der Recruiting Trends 2020 zeigen deutlich, dass die traditionelle papierbasierte Bewerbungsform nur noch selten als genutztes Format angegeben wird. Überwiegend werden für Bewerbungen Web-Formulare genutzt, die auch das Hochladen und Versenden von Unterlagen ermöglichen. Auch Bewerbungen via E-Mail wurden von den befragten Kandidaten häufig als genutztes Format genannt. In der Prognose wird deutlich, dass die papierbasierte Bewerbung weiter deutlich rückläufig bleibt, wohingegen sowohl das Web-Formular als auch Apps von Unternehmen und Internet-Stellenbörsen als Bewerbungsformat an Bedeutung gewinnen.

Crowdworking

Eine besondere Form des virtuellen Arbeitsmarktes findet sich im Bereich des sogenannten Crowdworkings. Beim Crowdworking handelt es sich um eine Form des Outsourcings – Unternehmen geben Aufgaben (-teile) und/oder Unternehmensstrukturen an eine größere Anzahl externer und interner Dienstleister ab. Diese Dienstleister werden als „Crowd“ bezeichnet und die einzelnen Personen, aus denen sich diese Crowd zusammensetzt, werden „Crowdworker“ genannt. Die beauftragenden Unternehmen nehmen die Rolle der „Crowdsourcer“ ein und werden über spezielle Plattformen, die „Crowdsourcing-Plattformen“, an geeignete Crowdworker vermittelt.

Das Crowdworking beinhaltet eine extrem große Bandbreite verschiedener Arbeitsaufträge. Hierbei kommen sowohl physische Dienstleistungen, unter Umständen sogar mit direktem Kundenkontakt, (z.B. Transportdienstleister wie Uber) als auch digitale Arbeiten, die von simplen Tätigkeiten wie Übersetzungen und Korrekturarbeiten bis hin zu komplexeren Tätigkeiten wie Softwareentwicklung reichen können, in Frage. Die Crowd steht hierbei nahezu ständig zur Verfügung und die einzelnen Crowdworker unterliegen einem starken Preisdruck durch die große Konkurrenz. Die Plattformen verfügen über ein Bewertungssystem für Crowdsourcer und/oder Crowdworker, was zur Absicherung bei der Auftragsvergabe und -annahme dient. Die Bewertung der Arbeitnehmer wird von den Vermittlungsplattformen genauso häufig an Arbeitgeber ausgelagert, wie auch die Qualitätsüberprüfung und Kontrolle der erbrachten Arbeit. Für die Betriebe bietet diese Form der Arbeitsvermittlung den Vorteil, dass Kosten für unproduktive Zeiten von Mitarbeitenden entfallen, da das Vertragsverhältnis nur für den relativ kurzen Zeitpunkt der Erbringung besteht. Die Kosten für die erbrachten Leistungen sind durch den beschriebenen Preisdruck unter den Crowdworkern vergleichsweise niedrig. Gleichzeitig wird die Qualität der geleisteten Arbeit über das jeweilige Reputationssystem sichergestellt. Für Arbeitnehmer bietet die hohe Flexibilität von Arbeitszeit und -pensum sowie die häufige ortsunabhängige Erbringung einen Vorteil. Die Nutzung der Vermittlungsplattformen und auch die Bandbreite der möglichen Arbeitsaufgaben bieten eine relativ niedrigschwellige Zuverdienstmöglichkeit für arbeitslose Personen oder Geringverdiener und besitzt zudem das Potential, Personen den Zugang zum Arbeitsmarkt herzustellen, die aus verschiedensten Gründen davon bisher ausgeschlossen waren.

Die rechtliche Situation von Crowdworkern ist jedoch schwierig. Häufig besteht kein direktes Arbeitsverhältnis zwischen Crowdworkern und Crowdsourcern, da die Vermittlungsplattform zwischen ihnen steht. Unter Umständen übernimmt diese sowohl die Qualitätskontrolle als auch die Bezahlung der Crowdworker und kann in diesem Fall auch über die Arbeitsbedingungen entscheiden. Die Verträge bestehen nur für sehr kurze Zeit und sind rechtlich gesehen meist keine Arbeitsverträge, was z.B. hinsichtlich des Arbeitsschutzes problematisch sein kann. Die Crowdworker treten in diesen Fällen als Selbstständige auf und befinden sich in einer unsicheren wirtschaftlichen und rechtlichen Situation. Es existiert keine Selbstorganisation wie z.B. eine Gewerkschaft, sondern viel mehr ein umfassender globaler Wettbewerb der sich auch in der meist geringen Entlohnung widerspiegelt. Außerdem sehen sich Crowdworker der Gefahr ausgesetzt, dass eine bereits erbrachte Arbeitsleistung vom Crowdsourcer abgelehnt werden kann und somit auch keine Entlohnung erfolgt.

Ausblick

Seit 2016 spricht man im Personalwesen vom „Recruiting 4.0“. Hierbei werden neu entwickelte Technologien verwendet, die den Kandidaten beispielsweise eine Besichtigung ihres potentiellen Arbeitsplatzes via virtuelle Realität oder 360° Videos ermöglichen. Auch eine Mischform von virtueller und erweiterter (augmented) Realität kann zum Einsatz kommen. Die technologische Entwicklung führt auch zum vermehrten Einsatz von Maschinen bis hin zu Robotern, die als künftige „Mitarbeiter“ denkbar sind. Im Bewerbungs- und Auswahlprozess selbst kommt es verstärkt zur Nutzung von Chat-Bots und Algorithmen.

Weitere Inhalte

Julia Berthold ist Studentin der Rehabilitationspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin und studentische Mitarbeiterin beim ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung. Sie beschäftigt sich vorrangig mit Fragen der Inklusion in arbeitsmarktlichen Zusammenhängen.

Frank Oschmiansky ist Diplom Politologe und Partner in der Partnerschaftsgesellschaft ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Implementation und Evaluation der Arbeitsmarktpolitik; Geschichte der Arbeitsmarktpolitik; atypische Beschäftigungen; Entwicklung der Sozialpolitik und Übergangssystem Schule-Beruf.