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Private und halbstaatliche Arbeitsvermittlung | Arbeitsmarktpolitik | bpb.de

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Private und halbstaatliche Arbeitsvermittlung

Petra Kaps Frank Oschmiansky Julia Berthold

/ 16 Minuten zu lesen

Bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung ist nicht nur die Unterstützung seitens der öffentlichen Arbeitsverwaltung möglich. Arbeitsuchende können auch private Arbeitsmarktdienstleister ihrer Wahl mit der Vermittlung in Beschäftigung beauftragen. Durch die Einschaltung von privaten Arbeitsmarktdienstleistern können sich zusätzliche Chancen auf eine neue Beschäftigung ergeben. Unter bestimmten Voraussetzungen haben Arbeitslose sogar einen Anspruch auf einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, der die Beauftragung eines privaten Arbeitsvermittlers einschließlich Kostenübernahme ermöglicht.

Vermittlungsgespräch bei privater Arbeitsvermittlung. (© AP)

Schritte der Deregulierung der privaten Arbeitsvermittlung

Private Personal- und Arbeitsvermittlung ist im Auftrag beider Seiten des Arbeitsmarktes tätig: sie vermittelt im Auftrag von Arbeitgebern Personal („Personalvermittlung“) und im Auftrag von Beschäftigten, Arbeitsuchenden oder der öffentlichen Arbeitsverwaltung Stellen („Arbeitsvermittlung“).

International ist seit den 1990er Jahren zu beobachten, dass private Anbieter zunehmend mit Teilaufgaben oder der gesamten Arbeitsvermittlung beauftragt werden. Immense Auslagerungen haben in Australien, Großbritannien und den Niederlanden stattgefunden. In Deutschland hatte die damalige Bundesanstalt für Arbeit (BA) bis 1994 ein Alleinvermittlungsrecht für gewerbsmäßige Personal- und Arbeitsvermittlung ("Vermittlungsmonopol"), private Personalvermittlung war mit wenigen Ausnahmen verboten. Dieses Monopol wurde 1994 gelockert, nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hatte, dass das Vermittlungsmonopol gegen die Bestimmungen des Vertrages der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) verstieß, der die Wettbewerbsfreiheit gewährleistete. Forciert durch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und den allgemeinen Trend der Privatisierung öffentlicher Aufgaben in den 1990er Jahren wurde die private Arbeitsvermittlung in Deutschland schrittweise dereguliert und später auch finanziell gefördert, so dass sich ein Markt für private Arbeitsvermittlung entwickeln konnte.

  • Mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz von 1994 wurde private Personal- und Arbeitsvermittlung auf Basis einer Erlaubnis durch die Bundesanstalt für Arbeit nach der Arbeitsvermittler-Verordnung ermöglicht.

  • Mit der Einführung des SGB III 1998 wurde die Kooperation zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und den privaten Vermittlern geregelt (§ 291 ff. SGB III alt), darunter auch Regeln zur Vergütung und Vertragsgestaltung. Vergütungen für Personalvermittlung durften nur von Arbeitgebern verlangt werden. Arbeitsvermittlung war nur für wenige Ausnahmen wie für Künstlerinnen und Künstler, Berufssportlerinnen und Berufssportler und Au-Pair erlaubt, hier galten enge Regeln zur Vergütung durch die vermittelten Personen, die in der Arbeitsvermittler-Verordnung geregelt waren. Die Erlaubnis hierfür wurde von den damaligen Landesarbeitsämtern für drei Jahre befristet erteilt und konnte auf Antrag entfristet werden.

  • Mit dem Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat entfiel ab März 2002 die Erlaubnispflicht. Nun reichte eine Gewerbeanmeldung, um private Vermittlungsdienstleistungen anzubieten. Seither dürfen private Dienstleister auch von Arbeitsuchenden und Beschäftigten, die eine neue Stelle suchen, Vermittlungshonorare für Arbeitsvermittlung verlangen (§ 296 SGB III). Für die Vermittlung von Ausbildungsplätzen darf nach wie vor keine Vergütung von Ausbildungssuchenden verlangt werden, von Arbeitgebern für die Vermittlung von Auszubildenen aber schon (§ 296a SGB III). Einzelheiten zur Vergütung von Arbeitsvermittlung sind seit Juni 2002 in der Vermittler-Vergütungsverordnung geregelt.

Unterdessen wird in Deutschland die Debatte um die Beteiligung privater Dienstleister an der Vermittlung von Arbeitslosen kaum noch geführt, nachdem sie in den Jahren nach der Ermöglichung privater Arbeitsvermittlung und der Einführung eines Vermittlungsgutscheins im Jahr 2002 durchaus relevant war. Aktuell stehen sowohl mit dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) als auch mit den Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (MAbE) Instrumente zur Verfügung, die eine Beauftragung eines privaten Arbeitsvermittlers für Arbeitslose dauerhaft ermöglichen.

Entwicklung der privaten Arbeitsvermittlung

Die Zahl der Unternehmen im Wirtschaftszweig der Vermittlung von Arbeitskräften stieg zwischen 2001 und 2018 rasant an. Auch deren Umsätze entwickelten sich stetig und stiegen zwischen 2001 und 2018 um mehr als das Zehnfache an (vgl. Abbildung).

Nach den Hochrechnungen der Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich des Statistischen Bundesamtes, die auf einer 15-Prozent-Stichprobe beruhen, hat sich die absolute Zahl der Einzelunternehmen zwischen 2008 und 2017 um 50 Prozent erhöht, die der in dem Wirtschaftszweig tätigen Kapitalgesellschaften hat sich in der gleichen Zeit verdreifacht (vgl. folgende Abbildung). Nach dieser Hochrechnung waren in diesen Jahren, über die Jahre schwankend, rund 50.000 Beschäftigten in diesem Wirtschaftszweig tätig.

Die Unternehmen der privaten Arbeitsvermittlung sind in mehreren Verbänden organisiert, beispielsweise dem Bundesarbeitgeber¬verband der Personal-dienstleister e.V. (BAP), dem Ring der Arbeitsmarktdienstleister e.V. (RDAEV), der International Federation for Employment and Recruitment e.V. (IFER) und dem Fachverband Personal- und Arbeitsvermittler Deutschland e.V. (FPAV). Nach den Hochrechnungen der Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich des Statistischen Bundesamtes erzielte die Branche im Jahr 2010 nur 0,4 Prozent ihres Umsatzes mit Subventionen der öffentlichen Hand. Im Jahr 2018 machten Subventionen nur noch 0,05 Prozent der Umsätze privater Arbeitsvermittler aus.

Daraus ist ersichtlich, dass der größte Teil der Aktivitäten in der Vermittlung von spezialisierten Beschäftigten bzw. der Personalvermittlung im Auftrag von Unternehmen liegt. Die Vermittlung von Arbeitslosen über die Förderinstrumente des SGB II und SGB III spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Zwischen den Unternehmen der privaten Arbeitsvermittlung und der Arbeitnehmerüberlassung bestehen enge Verbindungen (siehe hierzu den Interner Link: Text über Leiharbeit). Und beide privaten Akteure nutzen auch die Vermittlungsplattformen der öffentlichen Arbeitsvermittlung, um Personal für von ihnen akquirierte Stellen zu finden. Eine Zeit lang betrachtete die Bundesagentur für Arbeit Personaldienstleister sogar als Premiumkunden auf Seiten der Arbeitgeber, weil über diese eine relativ große Zahl an Stellenangebote zur Verfügung gestellt wurde (siehe hierzu den Text Interner Link: Virtueller Arbeitsmarkt).

Finanzielle Förderung der privaten Arbeitsvermittlung aus Mitteln der Arbeitsverwaltung

Um auch für Arbeitslose und am Arbeitsmarkt eher benachteiligte Gruppen das Potential der privaten Arbeitsvermittlung zu erschließen – und nicht zuletzt auch, um die Branche insgesamt zu fördern – wurden die Fördermittel der öffentlichen Arbeitsverwaltung ab 1998 schrittweise auch für die Förderung privater Vermittlungsdienstleistungen geöffnet. Beginnend 2003 wurden die Rahmenbedingungen für die Beauftragung privater Akteure mit Arbeitsmarktdienstleistungen grundlegend verändert. In der Zeit vor den Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz“-Reformen) wurden Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik üblicherweise in Gesprächen der Arbeitsämter mit potenziellen Trägern entwickelt. Die Arbeitsämter entschieden vor Ort und in hierarchischer Steuerung, welche Preise sie zahlten und welche Träger sie beauftragten. Diese gemeinsame Entwicklung von Fördermaßnahmen kann als klassische Public-Private-Partnership verstanden werden, für die allerdings immer wieder der Verdacht bestand, dass einzelne private Akteure aufgrund guter Beziehungen zur Arbeitsverwaltung bevorzugt würden und der Wettbewerb verzerrt würde.

Im Zuge der Diskussion um die Privatisierung des öffentlichen Sektors wurden in allen westlichen Wohlfahrtsstaaten in vielen Sektoren des Sozialstaats Quasi-Märkte zur Erhöhung von Effektivität und Effizienz sowie zur Förderung von Innovation geschaffen. Die Begründung dafür ging von einem Versagen der öffentlichen Dienstleistungserbringung wegen mangelnden Wettbewerbs aus. Drei Ansätze zur Erhöhung des Wettbewerbs wurden eingesetzt:

  1. Contracting Out: Um die privaten Dienstleister untereinander unter Wettbewerbsdruck zu setzen, wurden Aufträge nach Vergaberecht öffentlich ausgeschrieben und die Finanzierung von Fallpauschalen oder Tagessätzen auf Erfolgsprämien umgestellt.

  2. Gutscheine: Um die privaten Dienstleister unter Wettbewerbsdruck zu setzen und zugleich Arbeitsuchende mittels Fördermitteln in die Lage zu versetzen, in Konkurrenz zu Beschäftigten über private Vermittler eine neue Stelle zu finden, wurden Vermittlungsgutscheine eingeführt, mit denen die Leistungsberechtigten sich am Markt selbst die für sie geeigneten Vermittlungsdienstleister suchen können.

  3. Wettbewerb zwischen öffentlicher und privater Vermittlung: Um die öffentliche Arbeitsvermittlung zu verbessern und die Effizienz des Einsatzes öffentlicher Mittel für die Arbeitsvermittlung insgesamt zu erhöhen, sollten die Arbeitsagenturen und Jobcenter einer direkten Konkurrenz mit privaten Dienstleistern unterworfen werden. Dazu wurden im Laufe der Zeit mehrere Projekte initiiert und evaluiert.

Angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen in den frühen 2000er Jahren sollten Dritte zusätzlich zur öffentlichen Arbeitsverwaltung mit Arbeitsvermittlung beauftragt werden, um erstere zu entlasten.

Mit der Entscheidung, die Arbeitsförderung dem Vergaberecht zu unterwerfen, wurde deren gesamte Steuerung umgestellt. Während zuvor im Rahmen des Zuwendungsrechts das Arbeitsamt einen Bewilligungsbescheid erteilte, schließt die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter nun einen Vertrag über eine zu erbringende Dienstleistung mit den beauftragten Dritten ab. Während früher Personal- und Sachkostenzuschüsse bewilligt wurden, werden nun Erfolgshonorare und Aufwandspauschalen gezahlt. Während früher Projekte entwickelt wurden, werden jetzt Produkte eingekauft. Während Träger sich früher mit der Einreichung guter Konzepte, schlüssiger Finanzierungspläne und politischer Unterstützung aus dem Umfeld der Selbstverwaltung relativ sicher sein konnten, die beantragten Maßnahmen bewilligt zu bekommen, müssen sich private Anbieter heute einem Preiswettbewerb in einem begrenzten Quasi-Markt stellen, bei dem sich nicht immer das erfolgversprechendste, sondern das preiswerteste Angebot durchsetzt.

Beauftragung privater Dienstleister mit Maßnahmen zur Arbeitsvermittlung oder Unterstützung der Arbeitsvermittlung

Die Beauftragung privater Dienstleister mit der Arbeitsvermittlung wurde schrittweise entwickelt: Mit dem zum Januar 1998 in Kraft getretenen SGB III konnten zunächst die Arbeitsämter, mit Einwilligung der Ausbildung oder Arbeit suchenden Person, private Akteure über eine Maßnahme der Beauftragung Dritter mit vermittlungsunterstützenden Dienstleistungen nach § 37 SGB III (alt) beauftragen. Die ersten Arbeitsämter experimentierten daraufhin mit so genannten privaten Vermittlungsagenturen. Die Nutzung blieb aber sehr gering.

Mit dem Job-AQTIV-Gesetz vom Januar 2002 sollte Arbeitsuchenden, deren berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert ist oder die nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit noch nicht vermittelt worden waren, verstärkte vermittlerische Unterstützung gewährt werden. Dazu erhielten die Arbeitsämter die Möglichkeit, private Dritte über diese Fördermaßnahmen auch mit der gesamten Vermittlung von Arbeitsuchenden zu beauftragen.

Mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz I“) wurden im Januar 2003 die so genannten Eingliederungsmaßnahmen nach § 421i SGB III (alt) befristet in das Spektrum der arbeitsmarktpolitischen Instrumente eingeführt. Mit ihnen sollten besondere Zielgruppen von privaten Anbietern durch innovative Maßnahme mit größeren Handlungsfreiräumen in dauerhafte Beschäftigung integriert werden. In den Inhalten und Methoden zur Umsetzung dieser Aufgabe waren die Anbieter freier als bei den Maßnahmen zur Beauftragung Dritter nach § 37 SGB III (alt), die von der BA-Zentrale inhaltlich und von den Regionalen Einkaufszentren der BA wirtschaftlich relativ strikt reglementiert wurden. Zugleich wurde auch mit den Anreizstrukturen für die Vergütung der privaten Anbieter experimentiert. Die Honorare für diese Maßnahmen richteten sich in unterschiedlichen Relationen nach Aufwand und Erfolg. Es konnten Maßnahmepauschalen mit Erfolgsprämien bei Vermittlung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kombiniert werden. Erprobt wurde auch eine Maluskomponente, die fällig wurde, wenn der Maßnahmeträger die vertraglich vereinbarte Eingliederungsquote nicht erreichte.

Mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde der § 37 SGB III (alt) zum Januar 2004 neu gefasst. Die Arbeitsagenturen konnten nun private Dritte zu ihrer Unterstützung umfassend in Form von Maßnahmen mit Vermittlungsdienstleistungen beauftragen und dabei pauschale Vergütungsanteile für diese Dienstleistung zahlen. Außerdem konnten nun auch Personen, die länger als sechs Monate arbeitslos waren, von der Agentur für Arbeit verlangen, sie einer solchen Maßnahme zuzuweisen – sie erhielten also einen Rechtsanspruch darauf. Außerdem setzte jetzt der Systemwechsel in Bezug auf die Rahmenbedingungen ein: Die Beauftragung Dritter mit Arbeitsvermittlung wurde nun, wie andere Förderleistungen auch, der Logik des Contracting Out unterworfen, um einen Quasi-Markt für Vermittlungsdienstleistungen für Arbeitsuchende und Arbeitslose zu konstruieren und die sich langsam entwickelnde Branche der privaten Arbeitsvermittlung damit zu motivieren, ihre Dienste nicht nur den High Potentials anzubieten. Seit 2004 werden diese Maßnahmen nach dem geltenden Vergaberecht öffentlich ausgeschrieben.

Mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wurde zum Januar 2009 die Beauftragung Dritter in § 46 SGB III (i.d.F. von 2009) als Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (MAbE) neu gefasst, ausdifferenziert und mit den früheren Trainingsmaßnahmen (§ 48 SGB III, alt) zusammengefasst.

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 wurden diese Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (MAbE) zu § 45 SGB III. Der Rechtsanspruch auf eine Zuweisung zu einem Dritten wurde gestärkt. Nun reichte es, wenn nach einer Arbeitslosigkeit von sechs Wochen innerhalb einer Frist von drei Monaten die öffentliche Arbeitsvermittlung nicht erfolgreich war. Für diesen Personenkreis sind die Förderungen einer privaten Arbeitsvermittlung also keine Ermessensentscheidungen der zuständigen Arbeitsverwaltung („Kann-Leistung“). Vielmehr ist es für die Betroffenen möglich, diese Förderungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter einzufordern. Die privaten Anbieter müssen sich selbst als Maßnahmeträger und ihre Maßnahmen zusätzlich als Maßnahmen nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) zertifizieren lassenn Dadurch sollen Qualitätsprobleme reduziert werden.

Insgesamt gelten die Maßnahmen zur Beauftragung Dritter mit Arbeitsvermittlung als wenig effektiv. Die letzten Studien dazu liegen allerdings für Daten aus dem Jahr 2007 vor. Die Maßnahmen zur Beauftragung Dritter sind aber bis heute ein viel genutztes Förderinstrument. Mit aktuell bis zu 1,3 Millionen Teilnehmenden pro Jahr sind die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45 SGB III) die am häufigsten eingesetzte Fördermaßnahme. Umso erstaunlicher ist es, dass keine aktuellen Evaluationen und Studien zu den reformierten Maßnahmen vorliegen.

Der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS-MPAV)

Parallel zur Beauftragung Dritter mit der Arbeitsvermittlung, die als Maßnahmen mit Gruppencharakter dem Vergaberecht unterliegen, wurde auch ein Gutscheinsystem eingeführt. Arbeitsuchenden und Arbeitslosen sollten so als Kundinnen bzw. Kunden an einem Quasi-Markt finanzielle Mittel in die Hand gegeben werden, um selbst diejenigen Anbieter mit der Arbeitsvermittlung zu beauftragen, die die beste Unterstützung versprechen – nicht zuletzt dann, wenn sie von der öffentlichen Arbeitsvermittlung keine wirksame Unterstützung erhalten.

Im März 2002 wurde der Vermittlungsgutschein (VGS) nach § 421g SGB III (alt) befristet in das Spektrum der Vermittlungsinstrumente des SGB III eingeführt. Der Vermittlungsgutschein wurde mehrfach befristet und seine Konditionen wurden immer wieder neugestaltet. Aufgrund einer Reihe von Missbrauchsfällen, die auch der Bundesrechnungs¬hof kritisierte und aufgrund von geringer Wirksamkeit des Instruments, wurden die Konditionen des Gutscheins immer wieder modifiziert.

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt wurde der Vermittlungsgutschein im April 2012 in die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (MAbE) nach § 45 SGB III integriert und zu 2013 entfristet. Seither könnten nach § 45 Abs. 4 bis 7 SGB III so genannte Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine (AVGS) entweder für die Arbeitsvermittlung, für vorbereitende Schritte der Arbeitsvermittlung, für die Heranführung an eine selbständige Tätigkeit, für die Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme oder auch für Maßnahmen bei Arbeitgebern ausgegeben und eingelöst werden. (Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, die mit dem Gutschein gewählt werden können, werden im Kapitel Interner Link: „Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung“ vorgestellt.) Ein Rechtsanspruch auf einen AVGS besteht nun nach einer Arbeitslosigkeit von sechs Wochen innerhalb einer Frist von drei Monaten. Für die erfolgreiche Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis erhalten die privaten Arbeitsvermittler eine Vergütung in Höhe von 2.000 Euro, die erste Rate von 1.000 Euro nach einer sechswöchigen und den Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Für Langzeitarbeitslose und Menschen mit Behinderung kann der Gutschein auch auf 2.500 Euro ausgelegt werden. Keine Vergütung wird gezahlt, wenn das Beschäftigungsverhältnis von vornherein auf weniger als drei Monaten begrenzt ist oder bei einem früheren Arbeitgeber stattfindet, bei dem der Arbeitnehmer während der letzten vier Jahre vor Aufnahme der Beschäftigung mehr als drei Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt war. Die privaten Anbieter müssen sich als Maßnahmeträger nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) zertifizieren lassen, um die Qualitätsprobleme zu reduzieren.

Betrachtet man die Daten zu ausgegebenen und eingelösten Vermittlungsgutscheinen (VGS nach § 421g SGB III (alt) und AVGS-MPAV nach § 45 Abs. 4 SGB III), so wird eine große Diskrepanz deutlich (siehe Abbildung).

Im Jahr 2018 wurden von den Gutscheinen, die von Arbeitsagenturen und Jobcentern in gemeinsamer Einrichtung ausgegeben wurden, nur rund 14 Prozent auch eingelöst. Dieses Problem zeigt sich seit den Anfangszeiten des Vermittlungsgutscheins. Insgesamt sind die Vermittlungsgutscheine (AVGS-MPAV) ein ergänzendes Förderinstrument. Galten die alten VGS in ihren Wirkungen als relativ ineffektiv, liegen seit 2008 keine weiteren Wirkungs- oder Implementationsstudien zum reformierten AVGS vor.

Maßnahmen und Gutscheine zur privaten Arbeitsvermittlung im Vergleich

Über den gesamten Zeitraum seit der Einführung der Maßnahmen und Gutscheine zur privaten Arbeitsvermittlung wurden die Maßnahmen immer in wesentlich größerem Umfang genutzt als die Gutscheine – zumindest in Arbeitsagenturen und Jobcentern in gemeinsamer Einrichtung. Zur Nutzung durch die kommunalen Jobcenter liegen keine entsprechenden Daten vor.

Allerdings werden seit der Öffnung des AVGS für Teilaufgaben der Vermittlung im Jahr 2013 auch die überwiegende Zahl der Gutscheine für eben diese Teilaufgaben der Vermittlung eingesetzt. Im Jahr 2018 wurden danach von den Arbeitsagenturen und den Jobcentern in gemeinsamer Einrichtung zusammen rund 55 Prozent aller AVGS für Aufgaben zur Heranführung an den Arbeitsmarkt und rund 14 Prozent für die Feststellung und Beseitigung von Vermittlungshemmnissen ausgegeben. Nur 22 Prozent aller AVGS wurden für die eigentliche Arbeitsvermittlung ausgegeben (siehe Abbildung).

Frühere Evaluationen zeigten, dass der Vermittlungsgutschein (§ 421g SGB III alt) insgesamt bessere Ergebnisse erzielte, als die Maßnahmen zur Beauftragung Dritter (§ 37 SGB III alt) und die Eingliederungsmaßnahmen (§ 421i SGB III alt). Allerdings können hier die Mitnahmeeffekte besonders hoch sein und die Ergebnisse zeigten eine geringe Nachhaltigkeit der Beschäftigungen, die über einen Vermittlungsgutschein zu Stande kamen. Für die aktuellen Fördermöglichkeiten des § 45 SGB III fehlen Implementations- und Wirkungsanalysen seit vielen Jahren. Deshalb lässt sich zu den Effekten der Reformschritte seit 2008 nichts sagen.

Während für das Jahr 2004 bekannt ist, dass mit dem Vermittlungsgutschein eine um rund vier Prozentpunkte höhere Wirkung als mit der Beauftragung Dritter nach § 37 SGB III (alt) erzielt wurde, liegen direkt vergleichende Analysen zur Wirkung der geförderten privaten Arbeitsvermittlung über den AVGS-MPAV und vergleichbaren AVGS-Maßnahmen nicht vor.

Pro und Contra Subventionierung der privaten Arbeitsvermittlung

An der Legitimation privater Stellen- und Arbeitsvermittlung besteht heute insgesamt kein Zweifel mehr. Allerdings haben eine Vielzahl von Missbrauchsfällen der öffentlichen Förderung und Skandale bei der Abschöpfung von Bewerberdaten aus der Jobbörse der öffentlichen Arbeitsvermittlung die Sinnhaftigkeit der Subventionierung dieses Wirtschaftszweiges mit Mitteln der öffentlichen Arbeitsförderung nach SGB II und III immer wieder in Frage gestellt.

In der Summe fehlt es an wissenschaftlichen Analysen zur Wirksamkeit der öffentlich geförderten privaten Arbeitsvermittlung seit dem Jahr 2008. Deshalb lässt sich nicht einschätzen, ob die Maßnahmen und Gutscheine zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung ihre Ziele erreichen, wie sie eventuell verbessert werden könnten oder ob die Subventionierung der privaten Arbeitsvermittlung angesichts der Entwicklungen des Wirtschaftszweiges und der Wirkungen abgeschafft werden sollten.

Betrachtet man die Ergebnisse der verfügbaren Wirkungsanalysen der Instrumente bis 2007, spricht wenig dafür, die private Arbeitsvermittlung mit Mitteln der öffentlichen Hand weiterhin zu fördern. Allerdings sind sie nach wie vor geeignet, zur Behebung von Kapazitätsengpässen der öffentlichen Arbeitsvermittlung eingesetzt zu werden.

Insgesamt wurden zum Vermittlungsgutschein (AVGS-MPAV) kritisch angemerkt:

  • hohe Mitnahmeeffekte,

  • eine Subventionierung sonst nicht wirtschaftlicher privater Arbeitsvermittlung,

  • die unterm Strich wenig erfolgreiche Arbeit der Privaten,

  • die komplizierte Nutzung seitens der Arbeitslosen und

  • der geringe Nutzen für die Langzeitarbeitslosen und andere arbeitsmarktpolitische Zielgruppen.

Argumente für die private Arbeitsvermittlung über Gutscheine und Maßnahmen:

  • Private arbeiten effizienter.

  • Konkurrenz belebt das Geschäft.

  • Der Vermittlungsgutschein und die Maßnahmen zur Vermittlung reduzieren volkswirtschaftlich betrachtet die Arbeitslosigkeit.

  • Private Vermittler haben engeren Kontakt zu den Betrieben.

Der Bundesrechnungshof bescheinigte dem VGS bei einer Prüfung im Jahr 2006 keine Wirkung und konstatierte Mitnahmeeffekte und die Zunahme von instabiler Beschäftigung. Als wichtige Interessenvertretung der Arbeitnehmerseite kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) insgesamt und bemängelt, dass die negativen Evaluationsergebnisse nicht berücksichtigt und weiterhin an dem Instrument festgehalten wird. Die Vermittlung über Gutscheine würde die Instabilität der Beschäftigung verstärken und letztendlich zu einer Verschwendung öffentlicher Mittel führen.

Die Verbände privater Arbeitsvermittler fordern hingegen eine marktgerechte Anpassung der Höhe und der Ausgabekriterien des Vermittlungsgutscheins und werfen der BA vor, dass sie die Regeln zur Umsetzung der Gutscheine unnötig verkompliziere.

Nach Einschätzung der FDP belebt die private Konkurrenz das Vermittlungsgeschäft der Bundesagentur für Arbeit. Die Partei Die Linke sieht im Vermittlungsgutschein und den Maßnahmen zur Beauftragung privater Arbeitsvermittler wirkungslose Instrumente, über die kaum besser vermittelt werde als über ein Monopol in Hand der öffentlichen Arbeitsverwaltung und über die die Betroffenen häufiger in prekärer, nicht existenzsichernder Arbeit landen.

Halbstaatliche Arbeitsvermittlung: Das Beispiel der Integrationsfachdienste

Integrationsfachdienste sind private Dienstleister, die nach § 192 ff. SGB IX bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden. Sie können von den Integrationsämtern, den Agenturen für Arbeit, den Jobcentern und weiteren Rehabilitationsträgern beauftragt werden, um im Einzelfall tätig zu werden. Werden sie von den Integrationsämtern beauftragt, so können sie aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert werden, nach SGB II und SGB III können sie über die Maßnahmen oder Gutscheine zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45 SGB III) beauftragt werden.

Die Integrationsfachdienste wurden im Jahr 2000 eingerichtet. Zu ihren Aufgaben gehört es, Beschäftigte und Arbeitsuchende mit (Schwer-)Behinderung zu beraten, zu unterstützen und zu begleiten, um einen geeigneten Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz zu finden oder zu erhalten, den Arbeitgebern und dem betrieblichen Integrationsmanagement als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, sie umfassend zu informieren, zu beraten und zu unterstützen. Zielgruppen der Integrationsfachdienste sind insbesondere

  • Menschen mit (Schwer-)Behinderung mit einem besonderen Bedarf an arbeitsbegleitender Betreuung,

  • Beschäftigte aus den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), die nach zielgerichteter Vorbereitung den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erreichen können und

  • Schulabgänger/innen mit Schwerbehinderung, die zur Aufnahme einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf die Unterstützung eines Integrationsfachdienstes angewiesen sind.

Im Einzelnen hat der Integrationsfachdienst die Aufgaben,

  • die Fähigkeiten der zugewiesenen Menschen mit Schwerbehinderung zu bewerten und dabei ein individuelles Fähigkeits-, Leistungs- und Interessenprofil zu erarbeiten (Profiling),

  • die Bundesagentur für Arbeit auf deren Wunsch bei der Berufsorientierung und Berufsberatung in den Schulen zu unterstützen,

  • die betriebliche Ausbildung von Jugendlichen mit Schwerbehinderung, vor allem im Bereich der seelischen Behinderungen sowie besonderen schulischen Förderbedarfen zu begleiten,

  • geeignete Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu akquirieren und zu vermitteln,

  • die Menschen mit Schwerbehinderung auf die vorgesehenen Arbeitsplätze vorzubereiten,

  • die Menschen mit Schwerbehinderung am Arbeitsplatz – soweit erforderlich – begleitend zu betreuen,

  • die Vorgesetzten und Kollegen im Arbeitsplatzumfeld zu informieren,

  • für eine Nachbetreuung, Krisenintervention oder psychosoziale Betreuung zu sorgen und

  • als Ansprechpartner für die Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen.

Integrationsfachdienste sind im gesamten Bundesgebiet eingerichtet, sodass in jedem Bezirk einer Agentur für Arbeit mindestens ein solcher Dienst vorhanden ist.

Weitere Inhalte

Petra Kaps ist Politikwissenschaftlerin und geschäftsführende Partnerin am Zentrum für Evaluation und Politikberatung (ZEP) Berlin. Sie beschäftigt sich in wissenschaftlichen Studien und Beratung mit Fragen der politischen Steuerung, des Verwaltungshandelns und der Umsetzung politischer Programme in den Feldern der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Frank Oschmiansky ist Diplom Politologe und Partner in der Partnerschaftsgesellschaft ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Implementation und Evaluation der Arbeitsmarktpolitik; Geschichte der Arbeitsmarktpolitik; atypische Beschäftigungen; Entwicklung der Sozialpolitik und Übergangssystem Schule-Beruf.

Julia Berthold ist Studentin der Rehabilitationspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin und studentische Mitarbeiterin beim ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung. Sie beschäftigt sich vorrangig mit Fragen der Inklusion in arbeitsmarktlichen Zusammenhängen.