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Migrationspolitik – Juni 2017 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – Juni 2017

Vera Hanewinkel

/ 5 Minuten zu lesen

Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa.

Das Rettungsschiff Aquarius der NGO SOS Mediterranee läuft im Hafen von Catania auf Sizilien ein. Nach Angaben der IOM kamen in den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 rund 72.000 Migranten und Flüchtlinge über den Seeweg nach Italien. (© picture-alliance, Nur Photo)

UNHCR-Jahresbericht: Fluchtbewegungen erreichen neuen Höchststand

Ende 2016 waren weltweit Interner Link: 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht – die höchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnung internationaler Fluchtbewegungen. Das geht aus dem Externer Link: Jahresbericht des Interner Link: UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) hervor. Unter den Geflüchteten befanden sich 40,3 Millionen Menschen, die innerhalb ihres Landes vor Krieg, Gewalt und Verfolgung ausgewichen waren. 22,5 Millionen Menschen hatten in einem anderen Land Schutz gesucht. Die drei Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen waren Interner Link: Syrien (5,5 Millionen), Interner Link: Afghanistan (2,5 Millionen) und Interner Link: Südsudan (1,4 Millionen). Die Interner Link: Türkei beherbergte die meisten Flüchtlinge – insgesamt 2,9 Millionen – gefolgt von Pakistan (1,3 Millionen) und dem Interner Link: Libanon (1 Million). Aber auch Deutschland war 2016 mit rund 670.000 im Land lebenden Flüchtlingen unter den zehn wichtigsten Aufnahmeländern. Im internationalen Vergleich hat die Bundesrepublik die meisten Asylerstanträge angenommen (722.400 Anträge). Weltweit wurden insgesamt zwei Millionen neue Asylanträge registriert, darunter 75.000 Interner Link: von Kindern, die ohne ihre Eltern fliehen mussten oder auf der Flucht von diesen getrennt wurden.

Mehr Asylsuchende im Mai

Im Externer Link: Mai registrierte das Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 14.973 neu eingereiste Asylsuchende. Das ist ein leichter Anstieg gegenüber dem Vormonat (11.952). Das BAMF nahm im Mai 16.641 Asylanträge entgegen und entschied über die Anträge von 87.649 Personen. Dadurch konnte die Zahl anhängiger Verfahren auf 165.099 verringert werden. Externer Link: Ende 2016 lagen 433.719 noch nicht entschiedene Asylanträge bei der Behörde.

Zahl der Einbürgerungen steigt – vor allem Briten sorgen für Zuwachs

Die Zahl der Einbürgerungen ist 2016 gegenüber dem Vorjahr um 2,9 Prozent gestiegen. Nach Externer Link: Angaben des Statistischen Bundesamtes erhielten rund 110.400 Ausländerinnen die deutsche Staatsangehörigkeit. Einen Zuwachs verzeichneten die Statistiker vor allem bei der Externer Link: Zahl der Einbürgerungen britischer Staatsbürger (+ 361 Prozent). Insgesamt ließen sich 2.865 Briten einbürgern und damit mehr als jemals zuvor.

Abschiebungen nach Afghanistan vorerst ausgesetzt

Nach einem schweren Anschlag in Kabul Ende Mai einigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder darauf, Abschiebungen nach Afghanistan vorerst auszusetzen. Ausnahmen gelten für "Gefährder", Straftäter und Ausreisepflichtige, "die sich hartnäckig ihrer Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern". Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, sprach sich hingegen dafür aus, auch diese Personengruppen in den Abschiebestopp einzubeziehen. Interner Link: Seit Monaten streiten Regierung und Opposition um Abschiebungen nach Afghanistan. Mehrere Bundesländer hatten bereits vor dem Anschlag Abschiebungen in das Land weitgehend ausgesetzt.

Bundesrat stimmt Asylrechtsverschärfung zu

Nach dem Bundestag stimmte Anfang Juni auch der Bundesrat dem Externer Link: Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht zu. Dieses soll die Interner Link: Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer erleichtern und sieht dafür u.a. vor, dass Ausreisepflichtige, von denen eine Gefahr für Leib und Leben oder die innere Sicherheit ausgeht, leichter in Abschiebehaft genommen werden können. Außerdem erlaubt es die Überwachung von sogenannten Gefährdern, die nicht unmittelbar abgeschoben werden können, mithilfe einer elektronischen Fußfessel. Für Asylbewerber, die als Gefährder eingestuft werden, kann zudem die Residenzpflicht ausgedehnt werden. Um die Identität von Asylbewerbern feststellen zu können, darf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zukünftig auch Mobilfunktelefone oder andere Datenträger von Asylbewerbern auslesen.

10 Millionen Ausländer in Deutschland

In Deutschland lebten Ende 2016 rund 10 Millionen Menschen mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit. Das ist die höchste Zahl seit der Einrichtung des Ausländerzentralregisters im Jahr 1967, wie das Statistische Bundesamt Ende Juni Externer Link: mitteilte. Der Umfang der ausländischen Bevölkerung hat seit 2014 um rund 1,9 Millionen Personen zugenommen, wobei der Zuwachs vor allem auf die Zuwanderung aus dem Ausland zurückzuführen ist. Die ausländische Bevölkerung ist im Schnitt 37 Jahre und 7 Monate alt; der Anteil der Männer liegt bei 54,1 Prozent. Die meisten Ausländer leben in Nordrhein-Westfalen (2,5 Millionen), die wenigsten in Mecklenburg-Vorpommern (69.000).

EU-Flüchtlingspolitik: Vertragsverletzungsverfahren gegen drei Mitgliedstaaten

Die EU-Kommission hat Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, Tschechien und Polen Externer Link: eingeleitet, weil sich die drei Länder weigern, Asylbewerber aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Im September Interner Link: 2015 hatten die EU-Innenminister gegen den Wiederstand mehrerer osteuropäischer Länder beschlossen, 120.000 Asylsuchende aus den beiden südeuropäischen Hauptankunftsländern nach einem Quotensystem in andere EU-Staaten umzuverteilen. Bislang ist das erst in rund 18.000 Fällen geschehen. Auch Deutschland hat bislang deutlich weniger Asylbewerber aus Griechenland und Italien aufgenommen als Externer Link: zugesagt. Die Verfahren könnten zu empfindlichen Geldbußen führen. Ungarn kündigte Wiederstand gegen den Kommissionsbeschluss an.

Reform des EU-Asylsystems nicht in Sicht

Auf eine Reform des europäischen Asylsystems konnten sich die Staats- und Regierungschefs auf einer Tagung des Europäischen Rates am 22. und 23. Juni erneut Externer Link: nicht einigen. Einigkeit besteht lediglich bezüglich eines weiteren Ausbaus der europäischen Grenz- und Küstenwache sowie der Erstellung einer EU-Liste mit sicheren Drittstaaten, in die Migranten mithilfe von Rückübernahmeabkommen zurückgeschickt werden können. Außerdem soll die Interner Link: migrationspolitische Kooperation mit Libyen trotz der Externer Link: Kritik von Menschenrechtsorganisationen weiter verstärkt werden. Hintergrund ist die zunehmende illegale Migration über die von Interner Link: Nordafrika nach Italien verlaufende zentrale Mittelmeerroute. Nach Externer Link: Angaben der Interner Link: Internationalen Organisation für Migration (IOM) erreichten in den ersten sechs Monaten des Jahres rund 72.000 Migranten und Flüchtlinge die Europäische Union über diesen Weg und damit mehr als im Vorjahreszeitraum (56.400). Italien fühlt sich mit den über den Seeweg ankommenden Flüchtlingen alleingelassen. Daher drohte die italienische Regierung der Europäischen Union nun damit, in den Häfen des Landes Schiffe Externer Link: abzuweisen, die nicht unter italienischer Flagge segeln. Davon wären auch Schiffe der EU-Mission "Operation Sophia" betroffen, die im Mittelmeer gegen Schlepper vorgeht.

USA: Trumps Einreisestopp vom Obersten Verfassungsgericht teilweise genehmigt

Der Supreme Court, das Oberste Gericht der USA, hat Teile von Donald Trumps umstrittenem Einreisestopp für Menschen aus einigen mehrheitlich muslimischen Ländern wieder in Kraft gesetzt. Der Supreme Court setzte sich damit über Entscheidungen der Vorinstanzen hinweg, die sowohl die ursprünglich im Interner Link: Januar erlassene Fassung des Einreisestopps wie auch eine später veränderte Fassung blockiert hatten. Das Einreiseverbot gilt nun für eine Dauer von 90 Tagen für Bürger der Länder Iran, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen. Allerdings bleiben Menschen, die "glaubwürdige" Beziehungen zu den USA pflegen – Familienangehörige, Studierende, Konzernmitarbeiter – von den Einreisebeschränkungen ausgenommen. Eine Grundsatzentscheidung des Supreme Courts zum Einreiseverbot wird im Herbst erwartet.

Fussnoten

Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und Redakteurin bei focus Migration.
E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de