Zu viel Solidarität zwischen Jung und Alt?
Die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für die Rentnerinnen und Rentner sind nicht einmal zur Hälfte durch deren eigene Beiträge gedeckt. Für den Rest müssen die Erwerbstätigen aufkommen. Ist das inzwischen erreichte Ausmaß an Solidarität zwischen Jung und Alt auf Dauer noch haltbar?
Haben wir den Generationenvertrag überstrapaziert?
Die Versicherten im höheren Alter verursachen deutlich höhere Ausgaben, als sie durch ihre Kassenbeiträge aufbringen. Weil die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im Umlageverfahren finanziert wird, muss diese Finanzierungslücke von den jüngeren Mitgliedern gefüllt werden.Im Grundsatz gehört die Solidarität der Jungen und Gesunden mit den Alten und Kranken zu den Kernfunktionen einer Krankenversicherung und wird auch von der Mehrheit der jungen Bevölkerung befürwortet. Gleichwohl gibt es hier ein Problem: Der Solidaritätsbedarf der Älteren ist im Laufe der letzten etwa 40 Jahre stark gestiegen.
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Zitat
Ausgleich zwischen Alt und Jung
"Zum Solidarprinzip der GKV gehört der Ausgleich zwischen Alt und Jung. Die Frage ist allerdings legitim, ob das jetzt erreichte Ausmaß dieses Ausgleichs noch mit dem Solidarprinzip vereinbar ist."
Ulf Fink, MdB (CDU); (Fink 2003)
Ulf Fink, MdB (CDU); (Fink 2003)


Im Jahr 1960 reichten die von den Rentnerinnen und Rentnern eingezahlten Beitragseinnahmen aus, um 92,5 Prozent ihrer Ausgaben zu decken. Zehn Jahre später reichte es nur noch zur Deckung von 76,4 Prozent, 1980 waren es noch 48,8 Prozent und im Jahr 2000 ist die Deckungsquote in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) in den alten Bundesländern bei nur noch 41,7 Prozent angekommen (Deutschland gesamt: 43,6 Prozent).


Aus der Perspektive der übrigen GKV-Mitglieder bedeutet diese Entwicklung: Die aktiv Erwerbstätigen mussten im Laufe der letzten vier Jahrzehnte einen immer größeren Solidarbeitrag zur Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung der Rentnerinnen und Rentner leisten.
Die Rentnerinnen und Rentner sind die hauptsächlichen Nutznießer des medizinischen Fortschritts
Die Ursache des steigenden Solidaritätsbedarfs der Rentnerinnen und Rentner ist in erster Linie der deutlich überproportionale Anstieg der Leistungsausgaben der GKV für die Rentnerinnen und Rentner.Dieser Sachverhalt lässt sich anhand von Zahlen belegen: Ökonomisch betrachtet, schlägt sich der medizinische Fortschritt in einer wachsenden Bedeutung der Gesundheitsversorgung für die Volkswirtschaft nieder. Als Anhaltspunkt für das Ausmaß des medizinischen Fortschritts kann man daher den Anteil der Leistungsausgaben der GKV am Bruttoinlandsprodukt – also an der Wirtschaftsleistung des Landes – betrachten.
Im Jahr 1960 machten die Leistungsausgaben der GKV einen Anteil von knapp drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Bis zum Jahr 2000 stieg der Anteil auf etwa 5,8 Prozent. Auf der Ebene der GKV insgesamt ist es also in 40 Jahren nicht einmal zu einer Verdopplung gekommen.
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man nach der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und den übrigen GKV-Versicherten (Mitglieder der allgemeinen Krankenversicherung, AKV) unterscheidet: Der Anteil der Leistungsausgaben für die Renterinnen und Rentner am BIP stieg von etwa 0,4 Prozent im Jahr 1960 auf gut 2,5 Prozent im Jahr 2000, er verfünffachte sich also.


Diese Entwicklung ist im Grundsatz auch plausibel: Krankheiten treten überwiegend im höheren Lebensalter auf. Bessere medizinische Behandlungsmöglichkeiten kommen daher vor allem bei den Rentnerinnen und Rentnern zum Tragen.
Bedenkt man zusätzlich, dass der größte Teil der Leistungsausgaben der GKV für medizinische Leistungen im letzten Lebensjahr der/des Versicherten aufgewandt wird, dann leuchtet die Konzentration der Kostensteigerungen auf die Rentnerinnen und Rentner um so mehr ein.
Mit anderen Worten: Die Rentnerinnen und Rentner sind die hauptsächlichen Nutznießer des medizinischen Fortschritts der letzten 40 Jahre und damit auch die Hauptverursachenden der damit verbundenen Kostensteigerungen.
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Orientierung im Wissensnetz
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