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Grundsicherung und Altersarmut | Rentenpolitik | bpb.de

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Grundsicherung und Altersarmut

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 2 Minuten zu lesen

Das Ziel der Grundsicherungsleistungen insgesamt und damit auch der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, ist es, alle Menschen so zu stellen, dass das sozial-kulturelle Existenzminimum gewährleistet ist. Einkommensarmut, also die Unterversorgung mit materiellen Ressourcen, soll vermieden werden.

Demonstration in München im Jahr 2008: Armut hat viele Dimensionen. In materieller Hinsicht werden oft auch Indikatoren wie die Ausstattung des Haushalts mit Gebrauchsgütern oder die Struktur der Konsumausgaben herangezogen. (© ddp/AP)

Grundsicherungsquoten versus Armutsrisikoquoten

Wird Armut durch die Grundsicherung erfolgreich bekämpft und vermieden? Oder ist die Angewiesenheit auf Leistungen der Grundsicherung nicht vielmehr ein Kennzeichen von Armut? Ist es letztlich nicht nötig, auch die inzwischen in der Armutsforschung üblich gewordene relative Armutsbetrachtung (sog. Armutsrisikoquoten) mit in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. zum Armutsrisiko den Kasten und Interner Link: Altersarmut).

QuellentextArmut endet nicht immer dann, wenn das Niveau der Grundsicherung überschritten wird

In der Armutsforschung und Sozialberichterstattung hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass es zur Messung von Armut nicht ausreicht, nur danach zu fragen, ob das (bedarfsgewichtete) Äquivalenzeinkommen unterhalb des normativ-politisch bestimmten Niveaus der Grundsicherung bzw. Sozialhilfe liegt.

Armut hat viel mehr Dimensionen. In materieller Hinsicht werden daher oft auch Indikatoren wie die Ausstattung des Haushalts mit Gebrauchsgütern oder die Struktur der Konsumausgaben herangezogen. Immaterielle Aspekte werden z. B. durch Verwendung von Kennziffern zur Häufigkeit von Sozialkontakten und subjektive Indikatoren (wie das "Gefühl, ausgeschlossen zu sein" abzubilden versucht.

Bezogen auf die nur materielle Dimension wird heute − auch international − meist berücksichtigt, dass Armut immer ein relativer Begriff ist und sich anhand von Einkommensdifferenzen zu einem Durchschnitt in einem Land, einer Region oder auch Gruppe definiert.

Dazu werden Anteile der Bevölkerung ermittelt, die mit ihrem Äquivalenzeinkommen unterhalb so genannter Armutsrisikogrenzen/-schwellen liegen. Üblich geworden ist es, die Armutsrisikogrenzen bei 60 Prozent des Medianeinkommens zu ziehen (Median: Das Einkommen, das genau in der Mitte der Einkommenshierarchie liegt). Die Armutsrisikoschwelle liegt in Deutschland − abhängig auch vom Wohnkostenniveau in der Region − normalerweise oberhalb des Grundsicherungsniveaus.

Es wäre in jedem Fall eine verkürzte Sichtweise, sich in der Armutsdiskussion nur auf Grundsicherungsquoten im Sinne einer "bekämpften Armut" zu beschränken (vgl. Interner Link: Altersarmut).

Die Regelbedarfe im Fokus

Die Beantwortung dieser Fragen steht und fällt mit der Bewertung des Leistungsniveaus der Grundsicherung: Sind die Regelbedarfe einschließlich der Erstattung der Warmmiete in ihrer Höhe so bemessen, dass sie oberhalb der Armutsgrenze liegen? Wird nämlich der Bezug von Grundsicherung per se, also ohne Bewertung der Leistungshöhe, als "bekämpfte Armut" verstanden, dann würde dies ja auch dann gelten, wenn z. B. die Regelsätze reduziert würden und sich die Empfänger- und Armutszahlen entsprechend verringern.

Wird umgekehrt der Bezug von Grundsicherung per se, also ohne Bewertung der Leistungshöhe, als Armutsindikator angesehen, dann würde dies bedeuten, dass bei einer deutlichen Anhebung der Regelsätze und einer entsprechenden Verbreiterung des Empfängerkreises auch die Zahl der Armen steigt.

Die Bemessung der Höhe der Regelsätze ist also von entscheidender Bedeutung für die Armutsfestigkeit der Grundsicherung. Zugleich hat die Höhe der Regelsätze aber auch massive fiskalische Auswirkungen. Denn höhere Regelsätze bedeuten ja nicht nur, dass die bisherigen EmpfängerInnen der Grundsicherung eine höhere Zahlung erhalten, sondern dass dann auch Personen Leistungen beanspruchen und erhalten können, die mit ihrem Einkommen bisher über dem Grundsicherungsbedarf gelegen haben. Es erhöht sich also auch der Empfängerkreis.

Des Weiteren sind Gerechtigkeitsprobleme zu berücksichtigen: Welche Rückwirkungen hat es in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung zum Beispiel, wenn die Grundsicherung höher liegt und schneller steigt als viele Renten?

Angesichts dieser Vielschichtigkeit der Interessen kann es nicht verwundern, dass die Frage nach der angemessen Berechnung der Regelsätze immer strittig ist und bleiben wird und letztlich politisch entschieden wird. Über die Höhe des sozial-kulturellen Existenzminimums und damit über die Frage, ab welcher Einkommenshöhe keine Armut mehr besteht, kann nicht nach vermeintlich objektiven Maßstäben entschieden werden. Stets handelt es sich um politisch-normative Wertentscheidungen.

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.