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Die Entwicklung bis 1945 | Rentenpolitik | bpb.de

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Die Entwicklung bis 1945

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 3 Minuten zu lesen

Die Entwicklung der Alterssicherungssysteme zwischen ihrer Einführung und dem Ende des Zweiten Weltkriegs war - den Umbrüchen in den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen folgend - sehr wechselhaft. Dennoch haben sich in dieser Zeit (und darüber hinaus) einige der Grundelemente (und die entsprechenden Debatten) aus den Anfangsjahren erhalten bzw. pfadabhängig fortentwickelt.

Hafenarbeiter an Bord eines Frachters im Hamburger Hafen machen Pause (Aufnahme um 1934). Die Nationalsozialisten beendeten nicht nur die Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen, sondern führten schrittweise das Kapitaldeckungsverfahren in der Rentenversicherung wieder ein und verwendeten angesammelte Überschüsse zur Rüstungsfinanzierung. (© picture-alliance/dpa)

Das gilt insbesondere für die Beitragsfinanzierung, die das wohl bekannteste deutsche oder "bismarcksche" Element der Alterssicherung hierzulande ist. Weniger bekannt ist, dass verschiedene andere - heute geforderte - Systemelemente auch schon einmal bestanden (und sozusagen erprobt worden waren, wie etwa die Kapitaldeckung statt dem Umlageverfahren; (vgl. Interner Link: Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren).

Chronik der Rentenversicherung bis 1945

Diese und die beiden in diesem Abschnitt folgenden Zeittafeln zur Chronik der Rentenversicherung in Deutschland können nur einen sehr groben Überblick über die wichtigsten Meilensteine geben. Mehr Angaben mit jeweils einigen wichtigen Details finden sich z. B. in den jährlichen Berichten "Rentenversicherung in Zeitreihen" der Externer Link: Deutschen Rentenversicherung Bund

Chronik der Rentenversicherung bis 1945

1881"Kaiserliche Botschaft"/Ankündigung Sozialgesetze
1889/91Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung
1911Reichsversicherungsordnung (Einführung von Witwen- und Waisenrenten) und Gründung der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte
1913Inkrafttreten Versicherungsgesetz für Angestellte
1916Einheitliche Altersgrenze 65 für die Altersrenten von Angestellten und Arbeitern
1923Reichsknappschaftsgesetz
1924Übergang vom Anwartschaftsdeckungsverfahren zum Umlageverfahren
1929Einführung der Rente an Arbeitslose 60-Jährige in der Angestelltenversicherung
1929/32Rentenkürzungen bei laufenden Renten (Wirtschaftskrise)
1933Übergang vom Umlage- zum Anwartschaftsdeckungsverfahren
1934Aufbau-Gesetz (Abschaffung der Selbstverwaltung, Führerprinzip)
1941Einführung der Krankenversicherung der Rentner

Die erste Teilepoche dieser Entwicklungen kann noch in der Kaiserzeit zwischen 1889 und dem Ende des Ersten Weltkriegs identifiziert werden. Zunächst konzentrierten sich die Reformen auf eine Verbreiterung des Versichertenkreises und eine Vereinheitlichung der Rechtsgrundlagen. In dieser Phase wurden aber auch einige wichtige Leistungsausweitungen Gesetz, ohne dass aber das noch sehr bescheidene Leistungs-/Absicherungsniveau insgesamt deutlich verbessert worden wäre.

Rechtsvereinheitlichung und Leistungsausweitungen auf niedrigem Niveau

Beispiele für die Vereinheitlichung des Rechts bzw. die Rechtsanwendung beziehen sich einerseits auf die Absicherung der damaligen besonders prekären Formen atypischer Beschäftigung (Heimarbeiter, Heimgewerbe), mit denen Arbeitgeber versuchten, die Versicherung ihrer Beschäftigten zu umgehen. Vereinheitlichung und Ausweitung des Versichertenkreises beziehen sich aber vor allem auf die Einführung der - ausschließlich beitragsfinanzierten - Rentenversicherung für Angestellte durch die Reichsversicherungsordnung von 1911, die ab 1913 eine Invaliditäts- und Rentenversicherungspflicht der Angestellten einführte.

Während Arbeiter zu diesem Zeitpunkt bereits unbesehen ihres Einkommens versicherungspflichtig waren, wurde für Angestellte eine Pflichtversicherungsgrenze eingeführt. Als Altersgrenze für Angestelltenrenten wurde das 65. Lebensjahr festgelegt − ab 1916 wurde dies auch für Arbeiter die Regelaltersgrenze (auch zur Förderung der Loyalität der Arbeiterbewegung gegenüber dem kriegführenden System).

Eine wesentliche Leistungsausweitung bestand ab 1911/13 in der Einführung einer Hinterbliebenenversicherung (bei Arbeiterwitwen zunächst nur an solche, die selbst erwerbsunfähig waren; bei den Arbeitern erst ab 1927, bei den Angestellten von Anfang an in vollem Umfang).

Währungsreform verstärkt Altersarmut

Bettelnder Kriegsinvalide in Berlin, 1923: Trotz einiger Rentenerhöhungen blieben die Renten gering und konnten mit den Preissteigerungsraten nicht mithalten, ein Problem, das sich in der Nachkriegszeit potenzierte. (© Bundesarchiv, Bild 146-1972-062-01 / Fotograf: o.A.)

Trotz einiger Rentenerhöhungen, v. a. in der Zeit des Ersten Weltkrieges, blieben die Renten gering und konnten mit den Preissteigerungsraten nicht mithalten, ein Problem, das sich dann in der Nachkriegszeit potenzierte.

Betrachtet man die Zeit der Weimarer Republik, so ragt die Inflationsproblematik als Hauptproblem in den sozialpolitischen Debatten und Maßnahmen heraus − und in Verbindung damit eine dramatische Verschlechterung der Einkommenslage der Rentnerinnen und Rentner. Zunächst war 1921 eine spezielle Sozialrentnerfürsorge eingeführt worden.

Eine wesentliche Verbesserung der Einkommenslage der Rentner wurde jedoch nicht erreicht - im Gegenteil: Die Weltwirtschaftskrise 1931 und der dann dominierende Sparkurs der Politik verschlimmerte die Lage auch und besonders für die Rentner.

Die Rentenversicherung überlebt das Dritte Reich

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten war nicht nur, was oft im Vordergrund steht, eine Zerschlagung der bereits 1889 eingeführten Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen verbunden. Die andere wichtige Veränderung betraf die schrittweise (Wieder-)Einführung eines Kapitaldeckungsverfahrens in der Rentenversicherung. Die angesammelten Überschüsse wurden dabei gezielt und konsequent zur Rüstungsfinanzierung verwendet. Ziel war eine Volksversicherung für die "arischen" Bevölkerungsteile, während jüdische Mitbürger, Deportierte, Zwangsarbeiter etc. ihre Ansprüche verloren (und − soweit sie es noch erlebten − von der Bundesrepublik Deutschland z. T. erst sehr spät entschädigt wurden).

Bezogen auf das Leistungsniveau der Renten während des Dritten Reiches kann auch nicht von größeren Leistungsverbesserungen gesprochen werden.

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.