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Kumulation von Renten | Rentenpolitik | bpb.de

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Kumulation von Renten

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

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Die Armutsrisikoquote ist in Deutschland bei Frauen ab 65 Jahren, vor allem wenn sie alleinstehend sind, deutlich höher als bei Männern.

Eine ältere Frau scheidet ihrem älteren Ehemann die Haare. Bei Paar-Haushalten bildet die oft niedrige Rente der Frau und die üblicherweise höhere Rente des Mannes zusammen das verfügbare Gesamteinkommen. (© picture-alliance, imageBROKER)

Niedrige Versichertenrenten sind ein Armutsrisiko, aber nicht gleichbedeutend mit Armut. Denn der Bezug einer niedrigen Rente besagt noch nicht, dass der Lebensunterhalt ausschließlich mit diesem Einkommen bestritten werden muss. Maßgebend ist die finanzielle Gesamtsituation der betroffenen Person. Außerdem ist zu berücksichtigen (vgl. Einkommensquellen und Einkommensarten im Alter), dass die Einkommenslage stets im Kontext des Haushalts zu bewerten ist.

Bei älteren Menschen ist hier in erster Linie an die verbreitete Konstellation der (Ehe)Paar-Haushalte zu denken: Die Einkommen beider Partner fließen in den gemeinsamen Haushalt ein. Die niedrige Rente der Frau und die üblicherweise höhere Rente des Mannes bilden zusammen das verfügbare Gesamteinkommen, das in der Regel die Schwelle der im Fall von Bedürftigkeit gezahlten Grundsicherung im Alter übersteigt. Das Modell der "(modifizierten) Versorgerehe" ist nach wie vor gesellschaftliches Leitbild und soziale Realität zugleich: Während der Erwerbsphase dient das Einkommen der Frau (häufig auf Teilzeitbasis) als "Zuverdienst", der das Einkommen des Mannes aufstockt ("modernisiertes Ernährermodell": Mann - Vollzeit, Frau - Teilzeit). Im Alter ist entsprechend die Frauenrente eine Ergänzung der Rente des Ehemannes. Mit beiden Leistungen zusammen – aufgestockt womöglich noch um Ansprüche aus der betrieblichen und privaten Altersvorsorge – wird von vielen ein relativ auskömmliches, zumindest oberhalb der Grundsicherungsgrenze liegendes Einkommen erreicht.

Dieses Unterhaltsmodell setzt sich fort, wenn der unterhaltsleistende Mann (wegen der geringeren Lebenserwartung von Männern und des unterschiedlichen Heiratsalters zumeist zuerst) stirbt. Dann nämlich übernimmt die Rentenversicherung mit der Zahlung einer Witwenrente eine sog. "Unterhaltsersatzfunktion". So ist es wahrscheinlich, dass die geringere Versichertenrente einer älteren Witwe durch eine Hinterbliebenenrente aufgestockt wird.

Ein wachsender Teil der Witwen bezieht neben der Witwenrente auch eine eigene Rente. Insbesondere bei den jüngeren, ins Rentenalter nachrückenden Jahrgängen ist das der Fall. Die kontinuierlich steigende Frauenerwerbstätigkeit − aber auch die rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten − machen sich hier bemerkbar. Der Gesamtanspruch aus Versicherungs- und Witwenrenten wird deshalb aus der Einzelbetrachtung der jeweiligen Rentenart nicht sichtbar; zu erfassen ist vielmehr, bei wie vielen Witwen eine Kumulation der beiden Renten auftritt und welcher Gesamtbetrag sich hieraus ergibt.

Wie erwähnt wird die Hinterbliebenenrente im Unterschied zur Versichertenrente nur dann in voller Höhe ausgezahlt, wenn die übrigen anrechenbaren Einkünfte unter einem bestimmten Freibetrag liegen . Angerechnet – d.h. die Hinterbliebenenrente wird entsprechend gekürzt – werden 40 Prozent der Einkünfte. Der Freibetrag beträgt das 26,4 fache des aktuellen Rentenwerts (2. Hj. 2018: West 846 €; Ost 810 €), zuzüglich eines Betrags in Höhe des 5,6-fachen des aktuellen Rentenwerts für jedes waisengeldberechtigte Kind (ausführlich vgl. Interner Link: Beispiele für die Berechnung von Hinterbliebenenrenten).

Informationen über die Rentenkumulation und − mehr noch − über die gesamte Einkommenslage im Alter (einschließlich der Leistungen aus der zweiten und dritten Säule) sind nur begrenzt vorhanden sind (vgl. Einkommensquellen und Einkommensarten im Alter). Einen Einblick in die Rentenkumulation bietet jedoch die nachfolgende Tabelle aus dem Jahr 2014.

Anzahl und durchschnittlicher Rentenzahlbetrag von Mehrfachrentenbeziehern nach dem Rentnerstatus 20141

RentnerInnen insgesamt (Einzel- plus Mehrfachrentnerinnen)MehrfachrentnerInnen1 Kombination von Versichertenrente und Witwen-/Witwerrente
Anzahl
in Mio
Ø Zahlbetrag
in €
Anzahl in Mio.Durchschnittlicher Zahlbetrag
insgesamt in €Versicher-tenrente in €Witwen-/
Witwer-rente in €
Männer8,81.0130,51.3161.057259
Frauen 11,87623,61.167530637
Insgesamt20,68694,11.186596590

Fußnote: 1 Ohne Knappschaftsausgleichsleistungen, reine Kindererziehungsleistungen und ohne Nullrenten.

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund (2015), Rentenbestand.

Es zeigt sich, dass es unter den Beziehern von Doppelrenten mit der Kombination von Versicherten- und Witwen-/Witwerrente um ein Vielfaches mehr Frauen als Männer gibt, wobei bei den Frauen die Witwenrente durchschnittlich wesentlich höher ausfällt (637 €) als die eigene Versichertenrente (530 €). Der Abstand des Gesamtrentenzahlbetrags zwischen Mehrfachrentnerinnen und dem Durchschnitt von Einzel- plus Mehrfachrentnerinnen (Spalten 1 und 2) ist mit 405 Euro (1.167 minus 762 €) viel höher als bei den Männern (1.316 minus 1.013 = 303 €). Die Anrechnung eigener Einkommen (darunter auch der eigenen Versichertenrente) betrifft überwiegend die Witwer.

Insgesamt gesehen kommen die Renten wegen Todes vor allem Frauen zugute – sowohl erstens wegen der höheren Lebenserwartung als auch zweitens wegen der unterschiedlichen Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit unter den Geschlechtern und drittens wegen der unterschiedlichen Verdienste von Männern und Frauen. Witwenrenten sind ein wichtiger Faktor, um Altersarmut von Witwen zu vermeiden bzw. zu begrenzen (vgl. Interner Link: Armutsfeste Renten − aber wie?).

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.