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Rentenversicherung und Arbeitsmarkt | Rentenpolitik | bpb.de

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Rentenversicherung und Arbeitsmarkt

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 4 Minuten zu lesen

Veränderungen am Arbeitsmarkt sind von größter Bedeutung für die Rentenfinanzen. Das gilt insbesondere für die Entwicklung der nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsformen.

Schild zur Suche einer Teilzeitkraft/Aushilfe im Schaufenster eines Ladens. Einbußen für die Rentenversicherung entstehen z. B. dadurch, wenn durch Teilzeitarbeit Vollzeitarbeitsplätze verdrängt werden. (© picture-alliance, Sven Simon)

Versicherungspflichtig Beschäftigte

Erwerbstätige und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 1992 - 2017 (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

"Aufgrund der engen Verbindung zwischen der Lohn- und Gehaltsentwicklung auf der einen und den Renten auf der anderen Seite, gelten verschlechterte Einkommensperspektiven auch für die Rentner. Damit ist die deutsche Gesetzliche Rentenversicherung hinsichtlich ihrer Finanzierung weitgehend abgeschirmt gegen Einkommensschwankungen. Problematisch wäre es jedoch, wenn auch die Beschäftigung auf Dauer niedriger ausfallen würde. Für einen längeren Übergangszeitraum müsste dann eine kleinere Gruppe von Beitragszahlern eine erst allmählich kleiner werdende Gruppe von Rentnern finanzieren, was während dieser Zeit einen höheren Beitragssatz erfordern würde" .

Es kommt also entscheidend auf die Lage auf dem Arbeitsmarkt an. Dabei ist nicht die Zahl der Erwerbstätigen sondern allein die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten maßgebend. Entwickelt diese sich rückläufig, wirkt sich dies unmittelbar negativ auf die Höhe und Entwicklung der Beitragseinnahmen aus. Dies war insbesondere in den Jahren seit 2000 der Fall (vgl. die Abbildung "Erwerbstätige und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 1992 − 2017"). Erst seit 2006 steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wieder an. Und erst im Jahr 2014 ist der Wert von 2000 wieder erreicht worden.

Erwerbstätige und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 1992 - 2017 in Prozent (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Dabei ist zu beachten, dass sich unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im zunehmenden Maße Teilzeitbeschäftigte finden (vgl. Abbildung "Sozialversicherungspflichtige Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung 2000 – 2017"). Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten liegt mit etwa 23,2 Mio. im Jahr 2017 unter dem Wert von 23, 9 Mio. im Jahr 2000.

Der Trend zur Teilzeitarbeit, soweit Teilzeitarbeit versicherungspflichtig ist, wirkt sich allerdings auf der Einnahmeseite nicht zwingend nachteilig aus. Denn das Beitragsaufkommen bleibt unverändert, wenn – um ein Beispiel zu nehmen – ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis in zwei Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse umgewandelt wird. Dies ist indes nicht der Fall, wenn durch Teilzeitarbeit Vollzeitarbeitsplätze verdrängt werden, wenn also ein Vollzeitarbeitsverhältnis in ein Teilzeitarbeitsverhältnis (plus eventuell ein oder mehrere Minijobs) umgewandelt wird.

Beschäftigte in Mini-Jobs 2003 - 2017 (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Vor allem aber führen jene Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zu Einnahmeeinbußen, die wegen einer Ausweitung von nicht der Versicherungspflicht unterliegenden Arbeitsverhältnissen zu Lasten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gehen. Eine große und wachsende Bedeutung haben hier in erster Linie die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs) (vgl. Abbildung "Beschäftigte in Mini-Jobs 2003 −2017") sowie alle Formen der Selbstständigkeit.

Dies betrifft insbesondere die so genannten Solo-Selbstständigen (d. h.: Selbstständige ohne eigene Angestellte), soweit sie nicht in ein anderweitiges Alterssicherungssystem einzahlen oder freiwillig in der GRV versichert sind (Ihr Anteil an allen Selbstständigen liegt inzwischen bei mehr als der Hälfte, ihre Anzahl ist in den letzten 10 Jahren um rund eine Million angestiegen). Zwar werden – wie oben beschrieben – bei fehlender Beitragszahlung auch keine Rentenanwartschaften erworben, so dass langfristig eine entsprechende Ausgabenminderung zu erwarten ist. Kurz- und mittelfristig jedoch überwiegen die Einbußen auf der Einnahmenseite.

Die Einnahmeausfälle durch entfallene Beschäftigungsverhältnisse werden dadurch teilweise kompensiert, dass für Arbeitslose, soweit sie Leistungsempfänger sind (!), Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt werden. Das gilt seit 2011 aber nur noch für die Empfänger der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I. Auf Basis von 80 Prozent des Bruttoarbeitseinkommens vor der Arbeitslosigkeit überweist die Bundesagentur für Arbeit Beiträge an die Rentenversicherung. Die Zeit des Arbeitslosengeld-I-Bezugs ist damit für die spätere Rente um ein Fünftel weniger wert als die vorherige Beschäftigungszeit. Und für die Rentenversicherungsträger entstehen entsprechende Einnahmeausfälle in Höhe von 20 Prozent. Weitaus gravierendere Folgen hat es, wenn die Arbeitslosen Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld II im Rahmen des SGB II (Hartz IV) sind. Denn für diesen Personenkreis werden seit 2011 überhaupt keine Beiträge mehr an die Rentenversicherung gezahlt. Denn seitdem gilt die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld II nicht mehr als Pflichtversicherungszeit. Zuvor waren es aber auch nur minimale Beträge in Höhe eines monatlichen Beitrags von 40,80 Euro.

Arbeitslose in den Rechtskreisen SGB II und SGB III 2005 - 2017 (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Wenn man berücksichtigt, dass der weit überwiegende Teil der arbeitslosen Leistungsempfänger das bedürftigkeitsgeprüfte Arbeitslosengeld II erhält (im Jahr 2017 waren dies gut 66 Prozent (vgl. Abbildung "Arbeitslose in den Rechtskreisen SGB II und SGB III 2005 −2017"), dann wird deutlich, dass die Beitragszahlungen für Arbeitslose, die durch eine rückläufige Beschäftigung entstehenden Einnahmeminderungen lediglich geringfügig kompensieren. Dies auch deswegen, weil viele der registrierten Arbeitslosen weder Anspruch auf Arbeitslosengeld I noch auf Arbeitslosengeld II haben (v. a. wegen zu kurzer Versicherungszeiten vor (Wieder-)Eintritt in die Arbeitslosigkeit).

Ausgaben

Auch die Ausgaben der Rentenversicherung werden durch die Lage auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst. So lässt sich das niedrige und sinkende Rentenzugangsalter, das die Situation über lange Jahre geprägt hat, maßgeblich durch den Druck der Arbeitslosigkeit erklären. Viele Arbeitnehmer haben die Möglichkeiten des Bezugs einer vorgezogenen Altersrente genutzt, da für die Personalpolitik der Betriebe die Strategie der Frühausgliederung charakteristisch war. Für die GRV resultierte daraus eine finanzielle Doppelbelastung aufgrund kürzerer Beitragsdauern einerseits und längerer Rentenlaufzeiten andererseits. So stieg in den alten Bundesländern der Anteil der mit der sog. "Arbeitslosenaltersgrenze" (ab 60 Jahren) in die Rente übergewechselten männlichen Versicherten an allen Rentenneuzugängen von 2,8 Prozent im Jahre 1970 auf 8,4 Prozent im Jahre 1980 an. Er erhöhte sich von über 13,7 Prozent im Jahre 1990 auf 23 Prozent im Jahre 2003. Die Rentenversicherung trug insofern einen Teil des Arbeitsmarktrisikos, indem sie die (amtlich ausgewiesene) Arbeitslosigkeit reduziert und die Bundesagentur für Arbeit von Ausgaben faktisch entlastet. Dies gilt auch für die zahlreichen Fälle der sog. "konkreten Betrachtungsweise" bei den Erwerbsminderungsrenten (vgl. Interner Link: Erwerbsminderungsrenten). Hier erstattet die Bundesagentur für Arbeit der Rentenversicherung nur einen Teil der Kosten.

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.