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Altersgrenzen, (flexible) Altersübergänge, Alterserwerbstätigkeit

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 5 Minuten zu lesen

Der Anspruch auf eine Altersrente hängt vom Erreichen der Altersgrenze ab. Deren Festlegung beeinflusst die Länge der Rentenbezugsdauer und die Höhe der zu erwartenden Leistungen. Ein höheres Renteneintrittsalter bedeutet auch eine Zunahme der Alterserwerbstätigkeit. Gleichzeitig haben Ältere im Falle von Arbeitslosigkeit größere Schwierigkeiten eine neue Anstellung zu finden.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Jahrgang 1942, während einer Plenarsitzung 2019. Die Auffassung, dass Ältere per se weniger leistungsfähig sind, trifft nicht zu. (© picture-alliance/dpa, Michael Kappeler)

Heraufsetzung der Altersgrenzen

Die Festlegung der Regelaltersgrenze in der Gesetzlichen Rentenversicherung, die den Zeitpunkt des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand markiert, hat für den Einzelnen, aber auch für die Finanzierbarkeit der Sicherungssysteme eine große Bedeutung. In Deutschland lag über viele Jahre hinweg die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren, seit 2012 wird sie schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Diese Erhöhung der Regelaltersgrenze lässt sich als entscheidender Schritt zur Überwindung der Frühverrentungspolitik bezeichnen, die die Situation in Deutschland seit Anfang der 1970-er Jahre geprägt hatte. Ziel war und ist es, die angesichts der fortlaufenden Erhöhung der Lebenserwartung sich verlängernde Rentenbezugsdauer zu begrenzen und zugleich dafür zu sorgen, dass die Alterserwerbstätigkeit ansteigt und damit die Beiträge länger gezahlt werden.

Aber diese Veränderung im Rentenrecht bedeutet noch keineswegs, dass alle Arbeitnehmer auch tatsächlich länger arbeiten, also länger in ihrem Beruf und Betrieb bleiben. Renteneintritt und Erwerbsaustritt sind nicht identisch. Ein längerer Verbleib im Arbeitsleben setzt bei den Beschäftigten voraus, dass sie hinsichtlich ihrer physischen und psychischen Konstitution auch dazu in der Lage sind. Und die Betriebe müssen Arbeitsplätze bereitstellen und von ihrer bisherigen Frühausgliederungsstrategie abrücken. Nur wenn diese beiden Annahmen durchgängig gewährleistet sind, führt die Erhöhung des Renteneintrittsalters tatsächlich dazu, dass alle älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer später aus dem Beruf ausscheiden bzw. die Chance haben, im höheren Alter – als Arbeitslose oder als Berufswiedereinsteiger – einen neuen Arbeitsplatz zu erhalten.

Alterserwerbstätigkeit

Die Daten der Arbeitsmarkt- und Rentenstatistik lassen erkennen, dass die Alterserwerbstätigkeit deutlich zugenommen hat und auch das durchschnittliche Rentenzugangsalter gestiegen ist. Die weitgehende Abschaffung der vorgezogenen Altersgrenzen und die Anhebung der Regelaltersgrenze machen sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Dies betrifft die Männer und vor allem die Frauen. Aber immer noch steht in den rentennahen Altersjahren nur ein Teil der Älteren in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Eine große Gruppe der Älteren arbeitet demnach nicht bis zur heraufgesetzten Regelaltersgrenze bzw. kann dies nicht und scheidet vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus − sei es durch das Abdrängen in (Langzeit)Arbeitslosigkeit und/oder durch die Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente mit 63 Jahren oder durch den Bezug einer Erwerbsminderungsrente. Zwischen Erwerbsaustritts- und Renteneintrittsalter schieben sich auch häufig Phasen der Nicht-Erwerbstätigkeit (passive Versicherungsverhältnisse). Solche passiven Versicherungsverhältnisse sind vor allem solche von Hausfrauen mit früher erworbenen Anwartschaften.

Die Chance auf einen nahtlosen Übergang in die Rente ist je nach Berufen/Tätigkeiten, Qualifikation, Gesundheitszustand, Branche und Region unterschiedlich. Je besser der sozioökonomische Status, umso eher gelingt ein später Renteneintritt aus stabiler Beschäftigung heraus.

Arbeitslosigkeit

Das Risiko, arbeitslos zu werden und zu bleiben, ist ein zentrales Problem für die Älteren am Arbeitsmarkt. Zwar haben sich in den zurückliegenden Jahren die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt insgesamt erheblich verbessert. Aber die Älteren haben von dieser positiven Entwicklung nur unterproportional profitiert. Wenn Ältere arbeitslos werden, dann haben sie sehr schlechte Chancen auf eine berufliche Wiedereingliederung. Es erweist sich als sehr schwierig, aus einer Arbeitslosigkeit heraus eine neue Beschäftigung zu finden. Die geringe Wiedereingliederungschance kommt darin zum Ausdruck, dass die Arbeitslosigkeit Älterer in der Regel über eine längere Zeit andauert. Mehr als die Hälfte aller älteren Arbeitslosen zählt zu den Langzeitarbeitslosen, d.h. ist länger als 12 Monate ohne Beschäftigung.

Flexibilisierung der Altersgrenzen und gleitende Übergänge?

Diese Benachteiligung Älterer auf dem Arbeitsmarkt lässt sich nicht dadurch erklären, dass mit steigendem Alter gleichsam automatisch die berufliche und gesundheitliche Leistungsfähigkeit nachlässt. Die Auffassung, dass Ältere per se weniger leistungsfähig sind, trifft nicht zu. Vielmehr kommt es zu einem Leistungswandel. Dies bedeutet aber auch, dass viele Ältere bei bestimmten, körperlich und psychisch besonders belastenden Tätigkeiten und Berufen vor Problemen stehen.

Die Frage stellt sich daher, ob es nicht flexibler Altersgrenzen bedarf, die der je speziellen Situation von einzelnen Beschäftigten- und Berufsgruppen besser gerecht werden, und ob es auch in Zukunft bei dem abrupten Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand bleiben soll. Seit langem werden deshalb Modelle eines gleitenden Altersübergangs diskutiert. Der zentrale Gedanke bei solchen Forderungen ist einerseits, den älteren Beschäftigten mehr Wahlfreiheit hinsichtlich des Altersübergangs zu gewähren, andererseits steht dahinter auch die Überlegung, dass ein reduzierter Arbeitszeitumfang eventuellen Verschleißerscheinungen und Belastungsfolgen Rechnung tragen kann und dass die Beschäftigten auf diese Weise gesund das Rentenalter erreichen können. Aber auch für die Lebenssituation nach dem Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit wird in einem gleitenden Übergang ein Vorteil gesehen.

Möglichkeiten eines solchen flexiblen Übergangs sind bereits vorhanden. Allerdings werden die Teilrenten kaum wahrgenommen: Wer Anspruch auf eine vorgezogene Rente hat, kann entweder die Vollrente oder eine nach der Höhe des Erwerbseinkommens abgestufte Teilrente beantragen. Mit dem noch geleisteten Arbeitsanteil bleiben Teilrentnerinnen und Teilrentner versicherungspflichtig, soweit sie nicht nur eine geringfügige Beschäftigung ausüben. Sie erwerben dadurch auch weitere Rentenansprüche. Die Teilrente eröffnet allerdings nur eine rentenrechtsinterne Wahlmöglichkeit: Die Option ist nur dann realisierbar, wenn die Betriebe für ältere Arbeitnehmer eine entsprechende Teilzeitbeschäftigung anbieten. Einen unbedingten Rechtsanspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit am gegebenen Arbeitsplatz gibt es nicht. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass die Teilrente bislang keine Wirkung erzielt hat und nur von sehr wenigen Betroffenen genutzt wurde.

Zudem ist es möglich, den Renteneintritt nach hinten zu verschieben. Während ältere Menschen für jeden Monat den sie vorzeitig in Rente gehen, einen Rentenabschlag von 0,3 Prozent in Kauf nehmen müssen, erhalten sie für jeden Monat den sie länger arbeiten einen Rentenzuschlag in Höhe von 0,5 Prozent. Allerdings setzt das die Zustimmung des Arbeitgebers voraus, den Arbeitsvertrag auch über das Rentenalter hinaus zu verlängern.

Eine zunehmende Zahl von Arbeitnehmern übt neben dem Rentenbezug eine Nebenbeschäftigung aus. Die Höhe des Einkommens ist bei einem vorzeitigen Rentenbezug begrenzt. Aber mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze ist es ohne Begrenzung des Einkommens durchaus möglich, noch weiter zu arbeiten − selbstständig oder abhängig beschäftigt. Davon wird im zunehmenden Maße Gebrauch gemacht. Der weit überwiegende Teil dieser Personen arbeitet auf der Basis eines Minijobs. Die Gründe für die Weiterarbeit sind vielfältig: Für die einen ist das Nebeneinkommen eine notwendige Aufstockung einer niedrigen Rente. Für die anderen ist die Nebenbeschäftigung vor allem wichtig, um sozial eingebunden zu bleiben.

Auf einen Blick: Altersgrenzen, (flexible) Altersübergänge, Alterserwerbstätigkeit

Durchschnittliches Eintrittsalter in eine Altersrente
2000 (Männer/Frauen)62,3 / 62,2
2017 (Männer/Frauen)64,0 / 64,1
Erwerbstätigenquote im Alter 60 bis 65 Jahre
Männer65,7 %
Frauen53,3 %
Anteil der Älteren in einem sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis 60-65 Jahre
40,7 %
Arbeitslosenquote Älterer (55 bis unter 65 Jahre)6,3 %
Anteil der Älteren an allen Arbeitslosen20,6 %
Geringfügig Beschäftigte im Alter von 65 Jahren und älter964.000

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.