"Soziale Stadt" - Ein Programm gegen die sozialräumliche Spaltung in den Städten
Ein Programm gegen die sozialräumliche Spaltung in den Städten
III. Kooperation und Koordination. Neue Dringlichkeit der alten Handlungserfordernisse
Integrative Politik erfordert die Kooperation vieler Akteure und Mittelgeber sowie deren Koordinierung. Im Rahmen der städtebaulichen Sanierung ist das nichts grundsätzlich Neues. So besagt etwa § 149 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB), dass die Kosten- und Finanzierungsübersicht der Gemeinde mit den Kosten- und Finanzierungsvorstellungen anderer Träger öffentlicher Belange abzustimmen ist; und in § 149 Abs. 6 BauGB heißt es, dass die höhere Verwaltungsbehörde für ein "wirtschaftlich sinnvolles Zusammenwirken der Gemeinde und der anderen Träger öffentlicher Belange bei der Durchführung ihrer Maßnahmen zu sorgen und die Gemeinde bei der Beschaffung von Förderungsmitteln aus öffentlichen Haushalten zu unterstützen" hat [11] .Verstärkter Druck zur Kooperation
Aber der ausführlichen Begründung der Notwendigkeit "einer ganzheitlichen Aufwertungsstrategie", eines "integrierten Handlungskonzepts" zur Lösung der komplexen Probleme sowie der Aufzählung der verschiedenen Politikfelder hätte es nicht bedurft, wenn es sich dabei nur um die Wiederholung des Gesetzestextes und die Bestätigung einer verbreiteten Praxis gehandelt hätte. Vielmehr wird es künftig darauf ankommen, "investive und nicht investive Maßnahmen mit dem Schwerpunkt der städtebaulichen Erneuerung ,aus einer Hand' zu kombinieren und zu integrieren" [12] .
Diese das Programm prägende und nicht nur am Rande vorgesehene Vernetzung mit Trägern nichtinvestiver Politik, insbesondere die Einbeziehung der Wohlfahrtsverbände in die Stadterneuerung, ist das Neue und Ungewohnte an dem Programm. Erstmals greift unseres Wissens ein bundesweites Förderungsprogramm über die eigenen Ressortgrenzen hinaus und fordert zur Kooperation mit bisher "fremden" Akteuren - quasi jenseits der "vertikalen Fachkumpanei" (Frido Wagener) oder der "Versäulung" von Fachpolitiken - auf. Zwar können und sollen mit dem Programm keine fachübergreifenden Kompetenzen begründet werden, doch ist es auch nicht auf den Appell zur Kooperation reduziert: Indem die Mittelgewährung von der Entwicklung integrierter Handlungskonzepte durch die Kommunen abhängig gemacht wird, hält das Programm durchaus Sanktionen bereit, wenn diese Kooperationen dauerhaft nicht zustande kommen [13] .
Vom fürsorgenden zum aktivierenden Staat
Das vehemente Plädoyer für mehr Kooperation ist an sich nicht neu; doch die vielfachen bisherigen Umsetzungsversuche haben selten wirklich funktioniert. Das wird auch von den Ländern mit längeren Erfahrungen im Bereich sozialer Stadtteilentwicklung kritisch angemerkt. Dennoch führen das Diktat knapper Kassen und die wachsende Einsicht in das Ungenügen sektoraler Politik in vielen Handlungsfeldern dazu, neue Kooperationsformen zu entwickeln und neue Kooperationspartner einzubeziehen. Nur wenn es gelingt, ähnlich einer Technikfolgenabschätzung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung zum einen die kontraproduktiven Folgen des eigenen Handelns auf andere Bereiche und auch auf den eigenen Bereich selbst von vornherein zu bedenken und zum anderen die Synergien gemeinschaftlichen Handelns zu nutzen, führt Kooperation zu einem den komplexen Sachverhalten adäquaten Vorgehen. Das setzt bei allen Beteiligten Lernen und die Fähigkeit zum Zuhören voraus. Nur wo die Bereitschaft besteht, etwas von der eigenen "Macht" abzugeben und zu erkennen, dass durch gelingende Kooperation dieser Verlust durch einen Zugewinn an Einfluss auf andere Politikfelder und damit an Effizienz und Effektivität bei der Verfolgung der eigenen Politikziele verbunden ist, hat das Programm eine Chance.
Im Dezember 1999 beschloss die Bundesregierung das Programm "Moderner Staat - moderne Verwaltung" [14] , in dem ein neues Staatsverständnis im Sinne eines "aktivierenden Staates" mit nachhaltigen Veränderungen für Staats- und Verwaltungsstrukturen postuliert wird. Das Zusammenwirken staatlicher, halbstaatlicher und privater Akteure zum Erreichen gemeinsamer Ziele wird in den Vordergrund gerückt. In dieses zunehmend vom Bund, von den Ländern und Kommunen praktizierte neue Staatsverständnis fügt sich das Programm "Soziale Stadt" nahtlos ein.
Wenn das neue Staatsverständnis Platz greifen soll, bedarf es zudem nicht nur der Kooperation innerhalb von Staat und Gemeinde, sondern auch mit Akteuren auf gesellschaftlicher Ebene, insbesondere der Wirtschaft und der Wohlfahrtsverbände. Die Kooperation mit der Wirtschaft setzt voraus, dass diese in der Mitwirkung eigene Interessen verfolgen kann. Das erfordert auf beiden Seiten die Überwindung von Denkbarrieren und Vorurteilen, doch gibt es Beispiele dafür, dass dies möglich und erfolgreich ist [15] . Dasselbe gilt für die Einbeziehung der Wohlfahrtsverbände. Auch hier kann Kooperation nur dauerhaft und erfolgreich sein, wenn alle Beteiligten lernen, das Prinzip der Wechselseitigkeit zu akzeptieren, das auf gegenseitigem Zuhören und Vertrauen beruht [16] .