Wahlkampfmanagement
Der nächste Wahlkampf beginnt am Tag nach der Wahl. Wegen der bundespolitischen Bedeutung von Landtagswahlen wird es immer schwieriger, Wahlkampf und wahlkampffreie Zeit abzugrenzen. Die aufwendigen Wahlkampagnen werden in verschiedenen Phasen lange vor dem Wahltag vorbereitet.Zeitplanung
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In den Wahlkampfstrategien der politischen Parteien unterscheidet man drei Abschnitte: Vorbereitungsphase, Vorwahlkampfzeit und Schlussphase. Letztere beginnt in der Regel nach der Sommerpause und geht in den letzten sechs Wochen vor der Wahl in eine sogenannte heiße Phase über.
In der Vorbereitungszeit erarbeiten die Parteien eine eher allgemeine politisch-organisatorische Planung, wie beispielsweise Terminierung der Parteitage oder innerparteiliche Wahlen. Etwa zwei Jahre vor dem Wahltag geht der Wahlkampf in eine aktivere Phase über. Die Parteispitzen stehen nun vor der schwierigen und anspruchsvollen strategischen Aufgabe, eine Grundphilosophie für den Wahlkampf zu entwickeln: Welche Sachthemen und welche Kommunikationsstrategie sollen die Auseinandersetzung bestimmen? In dieser Zeit halten die Parteien auch Ausschau nach einem möglichen Spitzenkandidaten. Die Werbeagenturen werden beauftragt, erste Ansätze einer Werbestrategie zu entwickeln. Der zeitliche Ablauf einer derartigen Werbekampagne kann folgendermaßen aussehen:
- Erarbeitung erster Überlegungen innerhalb des Parteiapparats,
- Diskussion eines Entwurfspapiers in den Führungsgremien einschließlich der Wahlkampfkommission,
- Ausgabe einer konzeptionellen Anweisung an Werbeagenturen,
- Präsentation erster Entwürfe vor der Wahlkampfkommission,
- Perfektionierung der Entwürfe,
- Abstimmung mit den Führungsgremien,
- Festlegung eines Zeitpunkts für den Beschluss über den zentralen Wahlslogan,
- endgültiger Beschluss der zuständigen Gremien über Werbelinie und Slogan,
- Produktionsfahrpläne für die Werbemittel,
- Auslieferung der Materialien an nachgeordnete Parteigliederungen,
- Belegplan für Anzeigen und für die kommerzielle Plakatierung,
- Einsatz der Werbemittel.
Die Spitzenkandidatur
Die Ergebnisse der Wahlforschung lassen für die Parteiführungen vor allem einen Schluss zu: Mit der werbewirksamen Vermarktung der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten steht und fällt der Wahlkampf. Sie müssen Glaubwürdigkeit, Sachkompetenz und Vertrauen ausstrahlen. Als eine Art Werbesymbol erhöhen sie die Chancen, die Stammwählerschaft zu mobilisieren, und vergrößern die Einsatzbereitschaft der Anhängerschaft. Dennoch sollte nicht ausgeblendet werden, dass auch die Spitzenkandidaten den Wahlvorgang nicht allein entscheiden. Es geht immer noch um die Wahl einer politischen Partei.Wie wären auch sonst die Wahlerfolge von Helmut Kohl 1983 und 1987 zu erklären? Die Wahlforschung ermittelte damals, dass der Bundeskanzler keineswegs über einen Amtsbonus verfügte. Kohls Image und Popularität in der Öffentlichkeit waren bis zur Bundestagswahl 1990 nicht die eines strahlenden Siegertyps. Dass er dennoch die Wahlen gewann, hing mit dem gesamten Umfeld, der Mannschaft, dem Programm sowie dem jeweiligen Gegenkandidaten der SPD zusammen. Dies relativiert ein wenig die Personaldebatte. Deutlich werden dabei die Grenzen der Amerikanisierung von Wahlkämpfen. Nichts geht in Deutschland ohne die politischen Parteien, relativ wenig ohne ein dazugehöriges politisches Programm.
Neben dem Image der Kandidatinnen und Kandidaten ist ihr Bekanntheitsgrad ein wichtiges Auswahlkriterium sowohl für die Spitzenkandidatur als auch für die Kanzlerkandidatur. Doch die Machtbalance zwischen Partei und Fraktion muss ebenfalls beachtet werden. Zumeist wird in hochrangigen informellen Zirkeln über die kandidierende Person verhandelt, bevor sie öffentlichkeitswirksam inszeniert wird.
Als für dieses informelle Verfahren beispielhaft kann die Ernennung Frank-Walter Steinmeiers zum Kanzlerkandidaten der SPD gelten. Bereits Ende August 2008 wurde zwischen dem Vizekanzler und Außenminister Steinmeier und dem Parteivorsitzenden Kurt Beck vereinbart, ersteren zum Kandidaten zu ernennen. Aber erst nach Abflauen der Georgien-Krise hätte sich diese Personalie inszenieren lassen. Allerdings wurde mit der Rückkehr Franz Münteferings auf die politische Bühne und dem damit verbundenen Rücktritt Becks vom Parteivorsitz dieses Ziel verfehlt. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Kanzlerkandidatur das höchste Ehrenamt ist, welches eine Partei zu vergeben hat, gleichzeitig aber auch das chancenloseste.
Nach der Kandidatenkür beginnt die Medienoffensive. Die Redaktionen möchten im Wettlauf mit der Zeit und der großen Konkurrenz möglichst vieles – politisch wie privat – über die Personen publizieren. Angesichts dieser Dynamik fällt es immer schwerer, künstliche Politikerimages mit modernen Werbemethoden aufzubauen.
In der Schlussphasendramatisierung des Wahlkampfes spielt das Duell der Spitzenkandidaten in der Öffentlichkeit eine besondere Rolle. Es bietet für die Wählerinnen und Wähler eine weitere Möglichkeit der Bewertung. Dazu wurde bei den zurückliegenden Bundestagswahlen häufig eine große Fernsehdiskussion mit den Spitzenkandidaten wenige Tage vor der Wahl durchgeführt. Zumeist umgibt sich der/die Spitzenkandidat/in der Opposition mit einem sogenannten Schattenkabinett, neuerdings Kompetenzteam genannt. Damit wird der Blick auf die künftige Regierungsarbeit gelenkt und dokumentiert, dass man für alle wichtigen Sachbereiche über kompetente personelle Optionen verfügt. Für dieses Schattenkabinett organisiert die Partei gemeinsame Auftritte in verschiedenen Werbeträgern.