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America first. Donald Trump und die Neujustierung der US-Handelspolitik | Globaler Handel | bpb.de

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America first. Donald Trump und die Neujustierung der US-Handelspolitik

Peter Sparding

/ 9 Minuten zu lesen

Rabiat hat der US-Präsident den Kurs in der Handelspolitik verändert – und sich damit sogar von seinen Parteikollegen abgesetzt. Vehement kritisiert er das Handelsbilanzdefizit und versucht, die Handelsverträge der USA neu auszuhandeln. Mit wechselnden Erfolgen, analysiert der Politologe Peter Sparding.

US-Präsident Donald Trump bei einer Rede vor Stahlarbeitern in Granite City (Illinois) im Juli 2018. (© picture-alliance, newscom)

Die Handelspolitik ist einer der wenigen Themenbereiche, in denen US-Präsident Donald Trump seit langem konsistente Positionen erkennen lässt. Bereits als New Yorker Immobilieninvestor in den 1980er Jahren sprach Trump in Fernsehauftritten wiederholt davon, dass andere Länder, die USA wirtschaftlich ausnutzen und unfair behandeln würden. 1987 platzierte Trump eine ganzseitige Anzeige in Form eines Briefes an das amerikanische Volk in großen US-Tageszeitungen, in dem er davon schrieb, dass insbesondere Japan die USA seit Jahrzehnten ausgenutzt und mithilfe seiner Überschüsse eine starke Wirtschaft aufgebaut habe.

Peter Sparding (© GMFUS)

Es war daher nicht überraschend, dass Trump ab 2015 eine aggressive Position beim Handelsthema zu einem Markenkern seiner Präsidentschaftskandidatur machte. So behauptete er im Wahlkampf zum Beispiel, Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation (WTO) habe zum größten "Job-Raub" der US-amerikanischen Geschichte geführt. Neben einzelnen Ländern waren besonders regionale Freihandelsabkommen immer wieder Ziel wütender Angriffe des Kandidaten Trump: So das unter Präsident Barack Obama mit elf weiteren pazifischen Anrainerstaaten verhandelte Transpacific Partnership (TPP) und das 1994 mit Kanada und Mexiko erzielte North-American Free Trade Agreement (NAFTA), welches er als "das schlechteste je von den USA unterzeichneten Handelsabkommen" bezeichnete.

In der Handelspolitik setzte sich Trump damit stark von traditionellen Positionen der Republikaner ab. Diese galten lange als die Freihandelspartei. Die Mehrheit der republikanischen Kongressmitglieder hatte noch 2015 für Obamas TPP gestimmt. In der Handelspolitik hat sich somit eine der gröβten Scheren zwischen den etablierten Republikanern im Kongress und ihrem Präsidenten aufgetan – bislang ohne Probleme für Trump.

Wodurch zeichnet sich Trumps handelspolitisches Denken nun aus? Es lassen sich zwei argumentative Hauptstränge erkennen. Zum einen sieht Trump den internationalen Handel eindeutig als ein Nullsummenspiel, in dem immer nur eine Seite wirklich gewinnen kann. In Trumps Sichtweise haben die USA in diesem "Spiel" seit Jahrzehnten verloren. Beleg hierfür sind für ihn die langjährigen amerikanischen Handelsdefizite, die er als Zeichen von Schwäche deutet. Zum anderen, lässt sich auch eine Abneigung gegen regionale oder multilaterale Vereinbarungen erkennen. Aus Trumps Sicht sind bilaterale Verhandlungen, in denen die USA aufgrund ihrer Größe und Macht immer am längeren Hebel sitzen, komplizierteren und Kompromisse erfordernden mehrstaatlichen Formaten vorzuziehen. Beide Aspekte dominieren mittlerweile die US-Handelspolitik.

Handelsdefizite und Handelsüberschüsse

Es ist Trumps erklärtes Ziel, das US-Handelsdefizit zu verringern. Dieses Defizit, das größte weltweit, lag 2017 bei etwa 552 Milliarden US-Dollar und betrug somit 2,85 Prozent des amerikanischen Bruttosozialprodukts. Dabei ist zwischen dem massiven amerikanischen Defizit im Güterhandel, welches sich auf über 811 Milliarden US-Dollar belief, und dem Überschuss von rund 242 Milliarden US-Dollar im Dienstleistungsbereich zu unterscheiden. In der amerikanischen Debatte, die vor allem in Verbindung mit dem Verlust von Industriejobs geführt wird, spielt vor allem das Güterdefizit eine Rolle. Das bei weitem größte bilaterale Handelsdefizit im Güterhandel haben die USA mit China (375 Milliarden US-Dollar 2017), gefolgt von Mexiko (71 Milliarden), Japan (68 Milliarden) und Deutschland (64 Milliarden). Es ist daher kein Zufall, dass alle genannten Länder Ziel der Kritik des Präsidenten oder seiner Berater wurden.

Handelsdefizite sind kein neues Phänomen der amerikanischen Wirtschaft. Zum letzten Mal wies die amerikanische Handelsbilanz 1975 einen Überschuss auf. Insbesondere das erhebliche bilaterale Defizit mit China ist nicht erst seit Trump vielen amerikanischen Politikern ein Dorn im Auge. Und das nicht ohne Grund. Der rasante wirtschaftliche Aufstieg Chinas und der Eintritt des Landes in die WTO im Jahr 2001 hatten erhebliche Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft und insbesondere den Arbeitsmarkt. Wie einige viel beachtete Studien nahelegen, hat der "China-Schock" dazu geführt, dass einzelne Regionen und Branchen in den USA besonders heftig vom in den 2000er Jahren rasant zunehmenden Zustrom chinesischer Importe getroffen wurden.

Zwischen 1999 und 2011 gingen laut einer Untersuchung rund 2,4 Millionen Arbeitsplätze als direkte Folge steigender Importe aus China verloren. Auch die Kritik, China habe sich durch unfaire Maßnahmen einen Vorteil verschafft, ist nicht von der Hand zu weisen. Neueste Studien gehen davon aus, dass Währungsmanipulation durch China (und andere Länder) einer der Hauptgründe für das massive Ungleichgewicht der Handelsbilanzen in den 2000er Jahren war. Und dass das US-Handelsdefizit ohne diese künstlichen Einwirkungen um bis zu 35 Prozent geringer gewesen wäre.

Wenngleich in der Wissenschaft eine rege Debatte über den genauen Anteil des Handels an verlorenen Industriejobs und steigender Ungleichheit in den USA geführt wird , sind diesbezügliche Ängste weit verbreitet, besonders unter Anhängern der Republikaner.

Die direkten Handlungsmöglichkeiten des Präsidenten bei der Verringerung bilateraler Handelsdefizite sind allerdings begrenzt. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass diese zu großen Teilen nicht von konkreten Handelsmaßnahmen, wie zum Beispiel Zöllen oder Importquoten verursacht werden, sondern durch makroökonomische und strukturelle Entwicklungen und Bedingungen entstehen. Entscheidende Faktoren sind demzufolge eher das Spar- und Investitionsverhalten eines Landes, Wechselkursschwankungen und unterschiedliche Branchenfokussierungen miteinander handelnder Länder. Paradoxerweise stieg das amerikanische Handelsdefizit in Trumps erstem Amtsjahr sogar um mehr als 60 Milliarden US-Dollar an.

Dies hat den Präsidenten bisher allerdings nicht davon abgehalten, öffentlich brachial auf die Verringerung der Handelsdefizite der USA zu drängen. Unter Berufung auf eine mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit, ordnete Trump gemäß Abschnitt 232 des Trade Expansion Acts von 1962 die Erhebung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium an, die ab Juni 2018 auch die EU trafen. Die US-Regierung beruft sich dabei auf WTO-Regeln, welche die Einführung restriktiver Handelsmaßnahmen bei einer Gefährdung der nationalen Sicherheit erlauben. Mit der gleichen Begründung ordnete Trump im Mai 2018 eine neue Untersuchung an, die herausfinden soll, ob auch Autoimporte die nationale Sicherheit der USA gefährden können. Sollte das zuständige Commerce Department zu diesem Schluss kommen, droht die US-Regierung, Autoimporte mit Zöllen von bis zu 25 Prozent zu belegen. Im Gegensatz zu den Stahl- und Aluminiumzöllen hätte das erhebliche Bedeutung insbesondere für Deutschland.

Handelsabkommen und WTO

Der Versuch, das Handelsdefizit zu senken, ist auch treibende Kraft hinter Trumps Anliegen, die Handelsabkommen der USA neu auszurichten. In den offiziellen Zielsetzungen des US-Handelsbeauftragten für die im August 2017 begonnenen Neuverhandlungen des nordamerikanischen NAFTA-Abkommens stand die Senkung der bilateralen Handelsdefizite mit Mexiko und Kanada an erster Stelle. In weiteren neuverhandelten Handelsabkommen, so dem US-Korea Free Trade Agreement (KORUS), war das bilaterale Handelsdefizit, welches sich seit Inkrafttreten des Abkommens im Jahr 2012 verdoppelt hat, ebenfalls von besonderer Bedeutung für die US-Seite.

Auch mit Blick auf die EU hat der US-Präsident immer wieder Kritik in diese Richtung geäußert und behauptet, Europa sei "fast so schlimm wie China, nur kleiner." Vor diesem Hintergrund und angesichts der Stahl- und Aluminiumzölle sowie der Androhung weiterer Zölle strebte auch die EU schließlich im Sommer 2018 direkte Verhandlungen mit den USA an. Bei ihrem Treffen in Washington vereinbarten Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, von weiteren Zöllen Abstand zu nehmen, solange verhandelt wird. Allerdings herrscht bisher Uneinigkeit über genaues Ausmaß und Ziel der Verhandlungen: Während beispielsweise die europäische Seite davon ausgeht, dass die in Europa sensiblen landwirtschaftlichen Themen nicht Teil der Verhandlung sind, wächst in Washington der Druck, diese in Verhandlungen mit der EU einzubeziehen.

Die US-Regierung machte ebenfalls ihre Ankündigung wahr, das NAFTA-Abkommen neu zu verhandeln. Die Forderungen der Amerikaner seit Sommer 2017 waren dabei teilweise so brüsk, dass einige Beobachter sie als reinen Vorwand für einen möglichen Rückzug der USA aus dem Abkommen deuteten. Präsident Trump versuchte während der Verhandlungen immer wieder, mit aggressiven öffentlichen Äußerungen Druck auf Kanada und Mexiko auszuüben. Im Herbst 2018 einigten sich die drei Länder vorläufig auf Veränderungen: Kanada und Mexiko akzeptierten dabei restriktivere Vorschriften für Exporte an ihren größten Handelspartner, die USA. Auch der mexikanischen Automobilproduktion drohen erhebliche Anpassungen, da vereinbart wurde, dass künftig mehr Autoteile in Regionen gefertigt werden müssen, in denen Arbeiter mindestens 16 Dollar pro Stunde und damit deutlich über dem durchschnittlichen Stundenlohn in Mexiko verdienen.

Ähnliches gilt auch für die Einstellung der Regierung gegenüber der WTO. Trump hat wiederholt damit gedroht, aus der WTO auszutreten, sollte diese sich seinen Plänen in den Weg stellen. Insbesondere der Appellate Body, das Berufungsgremium der WTO ist der US-Regierung ein Dorn im Auge. Zwar verhinderten die USA bereits unter Präsident Barack Obama die Neubesetzung eines Richterpostens, doch auch Trump hat bisher weitere Berufungen blockiert, so dass das Gremium droht, endgültig handlungsunfähig zu werden.

Hauptziel der US-Handelspolitik ist und bleibt China

Hauptziel der amerikanischen Handelspolitik ist und bleibt allerdings China. Im Frühjahr 2018 verlangte die US-Seite, dass China seinen Handelsüberschuss gegenüber den USA innerhalb von zwei Jahren um 200 Milliarden US-Dollar senken soll, was von der chinesischen Seite abgelehnt wurde. Dann wurde auch China mit Stahl- und Aluminiumzöllen belegt. Im Sommer verhängten die USA unter Berufung auf unlautere chinesische Handelspraktiken zunächst Strafzölle auf Importe im Wert von 50 Milliarden, im Herbst 2018 auf Einfuhren im Wert von 200 Milliarden Dollar. Eine Erhöhung und eine Erweiterung dieser Zölle hat Trump bereits in Aussicht gestellt, sollte China nicht auf die US-Forderungen eingehen. Die chinesische Seite hat ihrerseits Gegenmaßnahmen gegen amerikanische Importe eingeleitet. Eine weitere Eskalation erscheint so gut wie sicher.

Der äußerst aggressive Umgang mit Handelspartnern und die hitzige Rhetorik aus Washington lassen keinen Zweifel an den Zielen der US-Handelspolitik unter Trump. Unklarer ist, wie sich diese Grundausrichtung im Detail niederschlagen wird. Innerhalb der US-Regierung gibt es hierüber immer wieder heftigen Streit zwischen eher moderaten (wie Finanzminister Steven Mnuchin) und vehementeren Kräften (wie Handelsminister Robert Lighthizer). Der Präsident selbst zeigt durch seine häufigen und aggressiven öffentlichen Ausgerungen sowie seinen Unwillen, auf Gegenargumente einzugehen, dass er persönlich auf Konfrontation als Mittel seiner Handelspolitik setzt.

Noch ist unklar, inwiefern andere Akteure, wie etwa der seit den Midterm-Wahlen 2018 zur Hälfte von den Demokraten geführten Kongress, Trumps Ambitionen einhegen werden können. Für die Handelspartner der USA und insbesondere die EU ergibt sich daraus eine Situation, in der sie einerseits auf die aktiven Maßnahmen der US-Seite mit eigenen Gegenmaßnahmen reagieren und andererseits eine möglichst produktive und hinhaltende Verhandlungsatmosphäre aufrechterhalten müssen, um Zeit zu gewinnen. Angesichts der politischen Volatilität in Washington dürfte dieser Balanceakt immens schwierig werden.

Der Beitrag ist eine gekürzte und aktualisierte Fassung des in der APuZ 4-5/2018 erschienenen Textes Interner Link: "America First. Donald Trump und die Neujustierung der US-Handelspolitik"

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Peter Sparding ist Transatlantic Fellow beim German Marshall Fund of the United States in Washington D.C. Dort ist der Politologe zuständig für Handelspolitik und transatlantische Beziehungen.