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Europa braucht Deutschland, Deutschland braucht Europa | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Europa braucht Deutschland, Deutschland braucht Europa

Michael Hüther

/ 4 Minuten zu lesen

Die Industrienation Deutschland ist als Wachstumsmotor wichtig für Europa, betont Michael Hüther. Wenn Deutschland spart, schafft es zugleich ein Potenzial für Investitionen in anderen Euro-Ländern, sodass dort Chancen für mehr Wachstum und Beschäftigung entstehen.

Michael Hüther (© Institut der deutschen Wirtschaft Köln)

Im Zuge der Eurokrise ist immer wieder das Augenmerk auf makroökonomische Ungleichgewichte gerichtet worden. Laut Bericht der EU-Kommission vom 5. März 2014 bringen diese Ungleichgewichte die Wirtschaft der Eurozone in Gefahr. In dem Bericht heißt es: "In Deutschland bestehen makroökonomische Ungleichgewichte, [...] So weist die Leistungsbilanz aufgrund der hohen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands kontinuierlich sehr hohe Überschüsse auf, während ein großer Teil der Ersparnisse im Ausland investiert wurde. Dies ist auch ein Anzeichen dafür, dass das auf der Binnennachfrage beruhende Wachstum nach wie vor gedämpft ist und die wirtschaftlichen Ressourcen möglicherweise nicht effizient zugewiesen werden".

Die EU-Kommission folgt damit einer nachfrageseitigen Erklärung: Danach übersteigen Produktion und Einkommen in Deutschland die private und staatliche Güternachfrage, der entsprechende Ersparnisüberschuss wandert über Kredite in die Volkswirtschaften mit einem Leistungsbilanzdefizit. Diese sind damit in der Lage, ihre inländische Produktion durch Importe so zu ergänzen, dass Konsum, Investitionen und Staatsausgaben im gewünschten Maße befriedigt werden können. Soweit, so gut. Doch dies ist allenfalls die halbe Geschichte.

"Tatsächlich weisen Volkswirtschaften mit einem hohen Industrieanteil durchweg einen beachtlichen Leistungsbilanzüberschuss auf."

Eine andere Sichtweise erklärt Leistungsbilanzsalden über die volkswirtschaftliche Angebotsseite, indem die Produktionsstruktur und damit die Spezialisierung in der globalen Arbeitsteilung – somit eine Vielzahl unternehmerischer Entscheidungen mit zum Teil weit zurückreichender Historie – betrachtet werden. Tatsächlich weisen Volkswirtschaften mit einem hohen Industrieanteil durchweg einen beachtlichen Leistungsbilanzüberschuss auf.

Leistungsbilanz ausgewählter Euroländer (bpb) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de

Dagegen realisieren Länder mit einem Industrieanteil von unter 15 Prozent am Bruttoinlandsprodukt meist ein Leistungsbilanzdefizit. Die Industriestruktur ist trotz global fortschreitender Tertiarisierung (der Erhöhung der Dienstleistungswertschöpfung) unverändert in diesem Sinne prägend. Der Welthandel erfolgt zu 80 Prozent mit Waren, von 2002 bis 2012 stiegen die Warenexporte global um 180 Prozent, Dienstleistungsexporte um 170 Prozent.

Hintergrund der unverändert starken Bedeutung des Warenhandels ist zum einen die Tatsache, dass sich bei der Produktion von industriellen Gütern – anders als bei Dienstleistungen – besondere Potenziale der Arbeitsteilung ergeben, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer kräftigen Entwicklung grenzüberschreitender Verflechtungen geführt haben. Moderne Kommunikation und effektive Logistik haben die Verlängerung und Fragmentierung der industriellen Wertschöpfungsketten befördert.

"Der Verbundsektor aus Industrie und Dienstleistern ist tatsächlich nirgends in Europa so ausgeprägt wie in Deutschland."

Zum anderen hat der Investitionsboom vieler Schwellen- und Entwicklungsländer den globalen Warenhandel angetrieben. Von den globalen Bruttoinvestitionen, die sich zwischen 2002 und 2012 von 7.000 auf gut 12.000 Milliarden US-Dollar erhöhten, entfiel zu Beginn dieser Periode knapp ein Viertel auf Schwellen- und Entwicklungsländer. Heute liegt ihr Anteil bei über 50 Prozent. Davon konnte die deutsche Volkswirtschaft in besonderem Maße profitieren. Und dies nicht wegen einer Lohndumpingstrategie – dagegen sprechen die im internationalen Vergleich unverändert hohen industriellen Arbeitskosten –, sondern infolge fortlaufender Veränderung der Wertschöpfungsketten durch Outsourcing (die Verlagerung von Unternehmensaufgaben an externe und interne Zulieferer) und Offshoring (die Verlagerung von Unternehmensaufgaben ins Ausland).

Dies hat einerseits die preisliche Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, andererseits über die Ergänzung von Industriegütern durch Dienstleistungen das Potenzial für kundendifferenzierte Produkte geschaffen. Der so entstandene Verbundsektor aus Industrie und Dienstleistern ist tatsächlich nirgends in Europa so ausgeprägt wie in Deutschland – und verglichen mit Nordamerika sowie Ostasien ein Alleinstellungsmerkmal. Durch die Auslagerung von Produktionsschritten in die europäischen Nachbarländer erweist sich die deutsche Industrie zugleich als Wachstumsmotor für ganz Europa. Denn es hat sich nicht nur der deutsche Handel mit den übrigen 27 EU-Staaten kräftig erhöht, sondern aus deren Sicht ebenso die Intensität im Austausch von Industriewaren mit Deutschland.

"Die seit Jahren ansteigende Beschäftigung in Deutschland ist ein Beleg dafür, dass die Exporterfolge sich positiv auf die Binnenwirtschaft auswirken."

So gilt: Die Industrie in den europäischen Partnerländern braucht Deutschland, aber die deutsche Industrie braucht auch leistungsfähige Partner in Europa. Schließlich: Dem Saldo der Leistungsbilanz entspricht bei freiem Kapitalverkehr der Saldo der Kapitalbilanz. Wenn Deutschland spart, dann schafft es damit ein Potenzial für Investitionsfinanzierungen in anderen Ländern, so dass dort Chancen für mehr Wachstum und Beschäftigung entstehen. Ähnlich gilt dies für einseitige Geldtransfers, wie sie beispielsweise im Rahmen der speziellen europäischen Fonds (Strukturfonds und Kohäsionsfonds) geleistet werden. Deutschland kommt als größter Nettozahler der Europäischen Union seiner Verantwortung nach. Entscheidend ist, was mit den Kapitalimporten oder einseitigen Übertragungen in den Empfängerländern gemacht wird.

Zu guter Letzt: Die seit Jahren ansteigende Beschäftigung in Deutschland ist ein Beleg dafür, dass die Exporterfolge sich positiv auf die Binnenwirtschaft auswirken. Zusammen mit den Reallohnsteigerungen der letzten Jahre hat dies eine kräftigere Entwicklung des privaten Konsums begründet. Unzureichend ist freilich die Investitionstätigkeit, und zwar sowohl bei den Unternehmen wie beim Staat. Das reflektiert zum einen Verunsicherung mit Blick auf die globalen Trends und die Wirtschaftspolitik, zum anderen eine falsche Verteilung von Mitteln im Staatshaushalt.

Heiner Flassbeck (© picture-alliance)

Standpunkt Heiner Flassbeck:

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Prof. Dr. Michael Hüther, Jahrgang 1962, ist Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln und Honorarprofessor für Allgemeine Volkswirtschaftslehre an der European Business School Oestrich-Winkel.