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Eine gute Idee – eigentlich | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Bedeutet Corona das Ende der Globalisierung? Weiterhin kein Exit der EZB Videos: 4x4 Fragen zur Corona-Krise Wie hat sich die EU in der Corona-Krise bis jetzt geschlagen? Wie wird sich die Pandemie auf Europas Wirtschaft auswirken? Sollte man die Krise nutzen, um die EU klimagerechter umzubauen? Gefährden die Rettungsmaßnahmen die Geldwertstabilität? Zur Lage der Krisenländer in der Eurozone (2014-2017) Kann sich Frankreich von der Krise erholen? Yes, he can Frankreichs europäische Aufgabe Vor der Generalüberholung Frankreich als Zivilisationsthermometer Wird Italien wieder auf die Beine kommen? Der Fall Italien(s) Volk der letzten Minute Je südlicher, desto schlimmer Solider als viele denken Gingen die Reformen in Griechenland zu weit? Ohne Strukturreformen ist alles nichts Der Aderlass hat Griechenland geschadet Was hat Portugal der Sparkurs gebracht? Die Leiden des lusitanischen Musterschülers Sparen unvermeidbar Zeigen Spanien, Irland und Portugal, dass die angebotsorientierte Politik sich auszahlt? Es schmerzt, aber die Reformen wirken Crash-Kurs mit jeder Menge Kollateralschäden Ist Spanien über den Berg? Von Gesundung kann keine Rede sein Rückkehr zum Normalzustand Hat die Sparpolitik Irland aus der Krise geholfen? Via Dolorosa ohne Alternative Die Generation der stillen Verzweiflung Hat die Politik der Troika Griechenland genutzt? Die Schrumpfpolitik ist gescheitert Griechenland hat alle Möglichkeiten Zur Rolle Deutschlands in der Schuldenkrise (2014) Ist Deutschland ein Modell für Europa? Die Mär vom gesunden Staat Marktkonform und doch sozial gerecht Hat Deutschlands Bilanzüberschuss die Krise beschleunigt? Die Eurokrise ist eine Zahlungsbilanzkrise Europa braucht Deutschland, Deutschland braucht Europa Bedrohen unterschiedliche Lohnkosten die Stabilität der Eurozone? Löhne und Produktivität müssen sich gleich entwickeln Konsum und Löhne in Deutschland müssen anziehen Videos: 6x6 Fragen zur Euro-Krise (2015) Hat die Eurozone in ihrer derzeitigen Form eine Zukunft? Sparen oder Investieren - wie sollte die Schuldenkrise überwunden werden? Wie kann Deutschland dazu beitragen, die Euro-Krise zu beenden? Handelt die EZB ohne demokratische Legitimation? In welchen Ländern lauern neue Gefahren für den Euro? Wie kann die Eurozone künftig Krisen besser vermeiden? 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Eine gute Idee – eigentlich

Hans-Peter Burghof

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Gut gemeint, nicht immer gut gemacht: Hinter Europas Antwort auf die zunehmende Vernetzung der Bank- und Finanzmärkte stehen sinnvolle Überlegungen, findet der Hohenheimer Finanzwissenschaftler Hans-Peter Burghof. Allerdings sieht er Mängel bei der Umsetzung.

Hans-Peter Burghof (© Privat)

Die Stabilität unseres Finanzsystems lässt sich heute nicht mehr in den nationalen Grenzen sichern. Die Bank- und Finanzmärkte sind international vernetzt, was dazu führt, dass Krisen nicht länger an Grenzen halt machen. Das eindrucksvollste Beispiel dafür ist der Zusammenbruch der amerikanischen Großbank Lehman Brothers im Jahr 2008, in dessen zerstörerischen Sog viele Finanzinstitute auch außerhalb der amerikanischen Landesgrenzen gerieten. Die Auswirkungen solcher Kaskadeneffekte können einzelne Länder kaum verkraften.

Die Europäische Interner Link: Bankenunion kann als europäische Antwort auf die zunehmende Vernetzung der Bank- und Finanzmärkte verstanden werden. Sie beruht auf einem gemeinsamen Verantwortungsgefühl der Europäerinnen und Europäer für die Stabilität des globalen Banken- und Finanzsystems. Die drei Bausteine, das einheitliche Aufsichtsregime, das einheitliche Abwicklungsregime und die europäische Einlagensicherung begegnen jeweils spezifischen Problemen dieser besonderen Gefahrenlage.

Das einheitliche Aufsichtsregime soll verhindern, dass einige Länder durch ein besonders laxes nationales Aufsichtsregime riskante Finanzgeschäfte anziehen – auf Kosten der anderen Euro-Staaten und zu Lasten der Stabilität des europäischen Finanzsystems. Großinstitute unterliegen unmittelbar der Aufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB), der sie sich auch durch den Wechsel der Jurisdiktion nicht entziehen können. Auch müssen sie die Kosten dieser verschärften Aufsicht tragen. Aus ökonomischer Sicht könnte man darin eine Art „Too-big-to-fail-Steuer“ (engl. für „zu groß zum Scheitern“) sehen: Durch die erhöhten Aufsichtskosten wird es für Banken unattraktiver, so groß zu werden, dass sie ein systemisches Risiko für die Allgemeinheit darstellen.

Große Geldinstitute genießen faktisch eine staatliche Bestandsgarantie

Auch das einheitliche Abwicklungsregime zielt auf das Problem, dass Staaten den möglichen Konkurs großer Finanzinstitute als existenzielle Bedrohung ihres wirtschaftlichen Wohlergehens und ihrer politischen Stabilität verstehen müssen. Diese Banken genießen daher faktisch eine staatliche Bestandsgarantie – und damit den Vorteil künstlich verringerter Refinanzierungskosten. Das einheitliche Abwicklungsregime soll gewährleisten, dass auch solche Großinstitute abgewickelt werden können. Dazu sollen in einem großen Abwicklungsfonds ausreichend Mittel mobilisiert werden, um auch die größten Institute ohne Schaden für die Allgemeinheit vom Markt nehmen zu können. In diesem Sinne versucht das einheitliche Abwicklungsregime, die Marktkräfte zu mobilisieren, um die negativen Auswirkungen dieser „Too-big-to-fail“-Garantie auf Wettbewerb und wirtschaftliche Effizienz zu begrenzen.

Elemente der Bankenunion (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Die europäische Einlagensicherung soll schließlich das Vertrauen der Einleger in die bereits bestehenden Einlagensicherungen erhöhen und so in Krisenzeiten einen Run auf die Liquidität der Banken verhindern. Vor allem bei großen Instituten reicht die nationale Vorsorge oft nicht aus. Indem die großen Institute der Eurozone in einer einzigen Einlagensicherung zusammengefasst werden, ergibt sich eine bessere Risikostreuung und die Perspektive einer glaubwürdigen Absicherung – was bei realistischer Einschätzung heute nicht der Fall ist.

Hinter der europäischen Bankenunion stehen demnach sehr sinnvolle Überlegungen. Wie so oft hapert es aber bei der Umsetzung. Dabei geht es zum einen um ihre regionale Begrenzung. Die Bankenunion beschränkt sich auf die Eurozone – und bleibt insoweit selbst Stückwerk. Zum anderen gibt es aber auch gravierende Mängel im Konzept, die zu Effekten führen können, die der eigentlichen Intention entgegenstehen.

Aufsichtskosten führen zur Konzentration des Finanzmarkts

Das einheitliche Aufsichtsregime orientiert sich zwar richtigerweise an den Regulierungsbedarfen bei systemisch relevanten Instituten. Kleine Institute können den hohen Fixkosten für die Aufsicht jedoch nur ein vergleichsweise kleines Geschäftsvolumen gegenüberstellen. Sie werden daher überproportional stark belastet. Dieses Problem ist nicht neu. Durch die intensivere Aufsicht bestimmen jedoch heute die Aufsichtskosten zu einem großen Anteil die Unternehmensgröße mit: Viele Institute fusionieren nur deshalb, weil sie in der bisherigen Unternehmensgröße die Aufsichtskosten nicht mehr bewältigen können.

Aufgabenverteilung innerhalb des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Die so erzwungene Konsolidierung des Bankenmarktes führt zu einer Konzentration des Finanzmarktes und somit zu einer wachsenden Anzahl systemrelevanter Banken. Erst jetzt gibt es Bemühungen, dieser Fehlentwicklung durch die Schaffung eines gesonderten Aufsichtsregimes für kleine Institute, einer sogenannten Small Banking Box (engl. etwa für „Regulierungspaket für kleine Banken“), zu begegnen. Dies kommt jedoch viel zu spät, und schon jetzt ist erkennbar, dass die Aufseher dieses Konzept mit großen Vorbehalten verfolgen – und damit entwerten.

Fragwürdige Rolle der EZB

Fragwürdig ist auch die Rolle der EZB in der neuen Aufsichtsarchitektur. Sie soll sich zwar überwiegend um die großen, systemischen Institute kümmern. Die Grenze, ab der ein Institut unter die EZB-Aufsicht fällt, ist jedoch viel zu niedrig angesetzt. Darüber hinaus darf die EZB diese Grenze ignorieren und ihr Aufsichtshandeln auf noch kleinere oder gleich alle Institute ausweiten. Bereits heute belastet die EZB auch die kleinen Banken mit ausufernden Informationsanforderungen. Die Fokussierung auf die wirklich relevanten Institute ist damit gefährdet und wird längst durch Begrifflichkeiten wie "Too many to fail" (engl. für „zu viele zum Scheitern“) unterlaufen.

Die Rolle der EZB ist aber auch grundsätzlich in Frage zu stellen: Es war sicher sinnvoll, die Bankenaufsicht aus dem funktionierenden Apparat der Zentralbank heraus zu entwickeln. Nun aber sollte man beide Institutionen trennen, da es evidente Interessengegensätze zwischen Bankenaufsicht und Geldpolitik gibt. Stattdessen erfolgt aktuell lediglich eine organisatorische Trennung innerhalb der EZB, die gerade unter einem derart personalisierten Regime wie dem von Mario Draghi unglaubwürdig ist.

Abwicklungsregime kann zu leicht umschifft werden

Auf dem Papier steht das gemeinsame Abwicklungsregime. Es sind aber offenbar genügend Freiräume gelassen worden, um es wirksam umschiffen zu können. Das Handeln des italienischen Staates folgte im Sommer 2017 zum Beispiel wieder der überkommen geglaubten „Too-big-to-fail“-Logik. Damals rettete der Staat zwei kleinere Institute – bei Umgehung der Regeln der Bankenunion – mit 17 Milliarden Euro. Für die gemeinsame Einlagenversicherung dagegen gibt es bisher nur immer wieder neue Vorschläge, die vor allem die Bedenken der Deutschen zerstreuen sollen. Das Grundelement einer gemeinsamen Haftung wird dabei immer kunstvoller verschleiert. Dadurch erhöht sich in Deutschland eher das Misstrauen, dass hier nur ein weiterer Baustein in einem mit der „Griechenland-Rettung“ eröffneten Schneeballsystem zur Vermögensumverteilung in Europa konstruiert werden soll.

Nicht zuletzt soll auch die tägliche Aufsichtspraxis alles andere als reibungslos verlaufen. Möglicherweise verstehen viele nationale Behörden den europäischen Aufseher vor allem als Gegner, dem es nach besten Kräften Widerstand zu leisten gilt. Der Weg zu einer echten, am gemeinsamen europäischen Interesse ausgerichteten Zusammenarbeit ist offenbar auch in der Bankenaufsicht noch weit.

Christian Kirchner (© Capital)

Standpunkt Christian Kirchner:

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Prof. Dr. Hans-Peter Burghof ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Außerdem ist er Geschäftsführer der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim und Börsenrat der Börse Stuttgart.