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Grußwort von Thomas Krüger zur Eröffnung der PLAY15 am 15. September 2015 im Medienbunker in Hamburg

/ 6 Minuten zu lesen

Liebe Gäste, liebe Organisatorinnen und Organisatoren, liebe Förderer!

Zweieinhalb Milliarden Dollar. Genau heute vor einem Jahr wurde bekannt, dass das digitale Sandkasten-Abenteuer „Minecraft“ an den Weltkonzern Microsoft verkauft wurde.

Thomas Krüger bei der Eröffnung der PLAY 15 (© Bente Stachowske für PLAY15)

Es klang ein wenig verrückt, aber Microsoft war dieses kleine Independent-Klötzchenspiel zweieinhalb Milliarden Dollar wert. Das sympathische Team um den Filzhut-tragenden Firmengründer Markus „Notch“ Persson war über Nacht reich. Perssons Vermögen wird seitdem auf 1,33 Milliarden Dollar geschätzt. Umgerechnet eine Milliarde und 180 Millionen Euro – was macht ein Einzelner mit so viel Geld, was hat Persson damit in den letzten zwölf Monaten angestellt? Von dieser Summe ließen sich so einige Creative Gaming Festivals ausrichten! Notch hat sich hingegen von seinem schwedischen Entwicklerstudio verabschiedet, seinen Job an den Nagel gehängt und das teuerste Privatdomizil in Beverly Hills gekauft. 70 Millionen Dollar hat ihn das gekostet. Wenn er nicht dort ist, verbringt er seine Zeit in Bars oder verprasst er auch schon mal 180.000 Dollar im Kasino. Ein bisschen Neid kann ich nicht verbergen.

Kürzlich konnten seine zweieinhalb Millionen Twitter-Follower erfahren, dass es nach Ibiza ging. Dort „hing er mit Freunden ab und feierte mit berühmten Leuten“, wie er auf Twitter bekannte. Am Strand liegen, unbekümmert Urlaub machen, ohne dass danach wieder der Arbeitsalltag droht? Das klingt für Außenstehende großartig. Doch dann schrieb Persson: „Ich habe mich noch nie so isoliert gefühlt“. Wegen seines Reichtums sei es ihm unmöglich, mit anderen Menschen zu interagieren. Haben Sie schon einmal mit einem Milliardär zu Abend gegessen, sind ins Kino gegangen oder haben Ausflüge unternommen? Gar mit ihm in einem Swimming-Pool gebadet? Wahrscheinlich nicht. Reich sein scheint einsam zu machen, echte Freunde zu finden macht es schwieriger.

Notch eröffnete: auch in Schweden wären seine sozialen Kontakte zum Erliegen gekommen. Er würde dort nur rumsitzen, auf seinen Monitor starren und warten bis seine Freunde endlich mal wieder Zeit für ihn haben. Er hätte außerdem zwar eine großartige Frau kennengelernt, diese wäre jedoch vor seinem jetzt extravaganten Lebensstil zurückgeschreckt. Sie wollte lieber mit einer „normalen“ Person glücklich werden. Geld macht also nicht glücklich, im Gegenteil, zu viel Geld ruft negative Emotionen hervor. Perssons Reichtum hat bei seinen Mitmenschen Unsicherheit und Angst hervorgerufen und bei ihm Einsamkeit, Frust und Depression. Aber Markus Persson hat doch alles, hat doch mehr Geld bekommen als man sich vorstellen kann! Immerhin muss er sich keine finanziellen Sorgen mehr machen? Doch er hat erkannt: Wenn man alles hat, gibt es keine Ziele mehr. Warum anstrengen, wenn es dafür keine Notwendigkeit gibt? Wofür arbeiten, wenn man alles hat? Geld ist nicht alles und sich für Anerkennung anzustrengen, scheint Menschen gut zu tun. Vielleicht ist dies auch das Geheimnis hinter seinem Independent-Hit Minecraft: Dort baut man Häuser, Burgen und Paläste, aber um das tun zu können, muss man erst einmal hinab in die Höhlenschächte steigen, um dort die passenden Baumaterialien zu finden und abzubauen. Doch so einfach ist das nicht, denn in den dunklen Stollen warten allerlei Herausforderungen und Gefahren. Klappernde Skelette beschießen einen mit Pfeilen, Zombies nehmen die Verfolgung auf und wenn man nicht aufpasst, fällt man in tiefe Gruben, die gefüllt sind mit heißer Lava. Ein bisschen zum Fürchten ist es da unten, aber die Begierde nach Eisen, Gold und Edelsteinen lässt einen den Mut zusammennehmen und immer weiter in die Tiefe hinabsteigen. Es ist das übergeordnete Ziel, das beständig antreibt. Wenn man wohlbehalten wieder an die Oberfläche zurückkehrt, freut man sich über die gefundenen Schätze und vielleicht wird ja auch jemand neidisch, wenn er den fertiggestellten Palast sieht. Wenn ein anderer Spieler das Werk dann aus Hass oder auch nur zum Spaß zerstören sollte, kann man auch mal zornig werden.

Andere Spiele können andere Emotionen entfachen, und diese können ebenso positiv wie negativ sein. In „Die Sims“ kann man ähnlich wie in Minecraft ein eigenes Heim aufbauen und mit seinen virtuellen Nachbarn interagieren. Aber hier kann man die anderen Spielfiguren sogar verführen und Liebesbeziehungen aufbauen. Die Liebe kann aber auch unerwidert bleiben und in Sehnsucht scheitern. Und wenn man fremdgeht, kann sie an Eifersucht zerschellen. Dann hat man mit seinen „Sims“ auch ein wenig Mitleid.

Furcht, Begierde, Mut, Freude, Neid, Hass, Zorn, Liebe, Sehnsucht, Eifersucht und Mitleid. Damit haben wir sie auch schon zusammen: die elf Affekte, die schon Aristoteles zur Systematisierung der menschlichen Emotionen zusammengetragen hat – die digitalen Spielewelten bieten sie alle. Sind Emotionen nicht der wichtigste Faktor, der das Medium Games zu diesem überwältigenden Siegeszug der letzten Jahrzehnte geführt hat? Ist es nicht genau das, was die Menschen suchen, was die Menschen bewegt, was sie an die Spiele bindet und sie immer wieder zurückkehren lässt, um damit „herumzuspielen“ und zu experimentieren? Wenn man seine „Sims“ aufpäppelt oder manchmal auch ein wenig gemein zu ihnen ist, wenn man mit ihnen Trauer wie Freude durchleidet. Wenn man Paläste errichtet und zerstört, oder sich in Stollen verirrt und mit Glück wieder an die Oberfläche findet – dann entfaltet das Spiel erst seinen wahren Reiz. Nicht der reine Erfolg, sondern das Wechselspiel von Emotionen macht glücklich.

Ich muss zugeben, ein bisschen macht Erfolg schon glücklich. Uns alle macht zum Beispiel glücklich, dass wir auch dieses Jahr wieder Partner und Förderer haben, die das sich jedes Jahr fast neu erfindende PLAY-Festival unterstützen und finanzieren. Dass auch dieses Jahr wieder ein breiter Kreis an privaten, an öffentlichen, an regionalen und überregionalen Akteuren mitspielt und deutlich macht, wie wichtig ihnen innovative Kulturförderung ist. Es scheint unmöglich, alle aufzuzählen. Wir wissen aber, dass es uns gibt. Und dass die PLAY ein großartiger Ort ist, um sich zu sehen, miteinander zu reden, gemeinsame Sache zu machen und nicht zuletzt, um gemeinsam zu feiern.

Denn das macht die PLAY aus. Schon als ich 2013 das Festival miteröffnen durfte, folgte eine beeindruckende Bandbreite an Workshop-Angeboten für Schulklassen und für Enthusiasten, eine Ausstellung regionaler wie internationaler Kulturschaffender und ein buntes Rahmenprogramm aus Filmvorstellungen, Musik und Poesie. Letztes Jahr haben die Partner mit der aus dem Stand hervorragend geglückten Play Conference die PLAY auf das nächste Level gehoben. Sie hat internationales Flair in die Justizvollzugsschule beim Gänsemarkt gebracht! Und dieses Jahr soll mit dem neu geschaffenen Creative Gaming Award noch eins oben drauf gesetzt werden, wir sind gespannt.

Kultur kann nur lebendig sein, wenn sie sich laufend neu erfindet, Formate umwirft, neue erkundet und diese weiterentwickelt. Mit dem Netzwerk rund um das PLAY-Festival haben wir Partner gefunden, die genau dies tun und so das Festival zu einem pulsierenden Zentrum des spielerischen Lernens gemacht haben.

Mit dem „System Computerspiel“ kann Lernen leicht fallen, weil Spiele eine hohe intrinsische Motivation erzeugen. Diese ermutigt dazu, experimentierfreudig zu sein, zu scheitern, herumzutüfteln und schließlich die gestellten Hindernisse zu überwinden. Computerspiele bieten über eine reichhaltige Themenpalette attraktive Lernumgebungen, die von Spielerinnen und Spielern als authentisch, als relevant für sich selbst angesehen werden. In ihrer Interaktivität bieten sie ständig neue Herausforderungen, die sich zudem an die jeweilige Person anpassen können. Aus den Augen der politischen Bildung kann ein kreatives Zentrum wie die PLAY dabei helfen, diese vielfältigen Potentiale tatsächlich nutzbar zu machen. In diesem Sinne freut mich besonders der Themenschwerpunkt „Emotionen in Games“, denn was könnte involvierender, was könnte bewegender sein als ein emotionaler Zugang?

Der Wunsch, den ich vor zwei Jahren an Sie gerichtet habe, scheint in Erfüllung zu gehen: Dass dieses einzigartige Festival zu einer festen Adresse in Hamburgs Kultur- und Medienkalender wird. Und das ist es geworden! Kreative aller Art, also Fachpublikum, Studenten, Schüler, oder kreative Pädagogen – sie alle reisen aus Hamburg, der Region, der ganzen Bundesrepublik an, um Ideen einzubringen und Impulse mitzunehmen. Das ist ein großer Erfolg – werden wir uns nun ausruhen auf dem Erreichten? Werden wir nach Ibiza fliegen und unsere Meilensteine abfeiern? Nein, das würde uns nur langweilen und in die Depression stürzen. Wir können uns glücklich schätzen, dass uns noch Ziele bleiben. So ist es schon nicht leicht, immer wieder neue Themen in den Fokus zu nehmen. Noch herausfordernder ist es aber, mit diesen beständig neue Wege zu bestreiten und neue Formate zu entwickeln. Die PLAY hat dies bislang jedes Jahr aufs Neue bewältigt und dabei an Renommee und Klasse gewonnen. Neidisch können andere nach Hamburg blicken, welches dieses kreative Versuchslabor angezogen hat. Es sollte sich das Festival nun langfristig sichern. Wir alle, so glaube ich, können noch mehr tun, um die Ideen der PLAY weiterzuentwickeln und ganz nebenbei Hamburg zu profilieren als internationalen Innovationsstandort der Gameskultur.

Ich wünsche uns allen viel Freude dabei!

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten