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Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik von 1945 bis zur Gegenwart | Presse | bpb.de

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Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik von 1945 bis zur Gegenwart Buchpräsentation

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Eine unpolitische Kultur gibt es nicht. Kultur ist immer Spiegel der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, sie ist Reibungs- und Bezugspunkt.

Sehr geehrter Herr Schildt, sehr geehrter Herr Siegfried, sehr geehrte Podiumsgäste, sehr geehrte Damen und Herren,

in seinem Buch "Was ist Kulturgeschichte?" stellt der englische Historiker und Kulturwissenschaftler Peter Burke mehr oder weniger überrascht fest, dass die Kulturgeschichte, "einst das Aschenputtel unter den historischen Fachgebieten" ein "Revival" erlebt, das in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts kaum jemand erwartet hätte. "Und er fährt dann nach einigen Überlegungen fort: "Diese Hinwendung zur Kultur ist selbst Teil der Kulturgeschichte der letzten Generation. Und die Inflationierung des Kulturbegriffs erklärt er damit, dass viele offenkundig heute bei ganz alltäglichen Gelegenheiten von Kultur sprechen, "bei denen man vor 20 oder 30 Jahren noch von Gesellschaft gesprochen hätte." Übrigens haben wir auch dieses Buch von Peter Burke in unserem Angebot (Sie finden es unter der Nr. 532 der Schriftenreihe der Bundeszentrale).

Und in der Tat: Sehen wir uns an, was heute unter Kultur verstanden wird, so stoßen wir auf die unterschiedlichsten Dinge. Ein Blick in die vor uns liegende breite Darstellung von Axel Schildt und Detlef Siegfried macht es deutlich. Ein Roman von Günter Grass ebenso wie Architektur, der Fußballfankult, Musikvideos, Modeproduktdesign, ein Rockkonzert oder auch das Format "Kanzlerduell", selbst wenn es als "Kanzlerduett" über die Fernsehschirme flimmert. Möglicherweise ist in der Tat lange wenig zu diesem Thema gearbeitet worden, wie Detlef Siegfried und Axel Schildt in ihrem Vorwort verdeutlichen, weil sich die Wissenschaftler kaum vor der Fülle des Stoffs "retten" konnten.

Was gehört in eine Kulturgeschichte der Bundesrepublik hinein? Würden wir Sie das jetzt fragen, bekämen wir eine uns in die Verzweiflung treibende Fülle, Unterschiedlichkeit und Gegensätzlichkeit von Begriffen zu hören.

Axel Schildt und Detlef Siegfried helfen sich zunächst einmal mit der UNESCO-Definition von 1982: Kultur ist die "Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnet und die über Kunst und Literatur hinaus auch Lebensformen, Formen des Zusammenlebens, Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen umfasst."

Wie weit die beiden Wissenschaftler damit ihren Gegenstand eingeschränkt und sich damit das Auswahlproblem verkleinert oder vergrößert haben, lässt sich im Moment für Sie alle nur ahnen. Da hilft zur Beurteilung nur die Lektüre. Allein das Volumen des Buches macht Ihnen allen deutlich, dass die beiden Autoren sich mit einer ungeheuren Fülle von – lassen Sie es mich im Plural sagen – "Kulturen" auseinandergesetzt haben. Es ist beiden Autoren dennoch gelungen, einen Text vorzulegen, der nicht nur kulturgetränkt, sondern auch und vor allem gut lesbar ist und darüber hinaus jedem und jeder etwas bietet, so dass das Lesen eine reine Freude ist.

Beide Autoren machen deutlich, dass sie sich zunächst schwergewichtig auf die Kultur der Bundesrepublik beschränkt haben, ohne an wichtigen Stellen die Kultur der DDR außer Acht zu lassen. Sie benutzen die DDR-Kultur auch nicht nur als negative Folie oder als Alibi, sondern setzen sich schon mir ihr auseinander, so dass die Überlegungen beider Autoren, sich auf die Dauer intensiver damit zu beschäftigen, uns mit Neugier erfüllt.

Die Überlegung ist bereits angedeutet, warum mein Haus – die Bundeszentrale für politische Bildung – eine Kulturgeschichte mit heraus gibt. Nicht nur sind Kultur und Politik, wie wir alle wissen, aufs engste verzahnt. Mehr noch: Eine unpolitische Kultur gibt es nicht. Kultur, in all ihrer Breite, ist immer Spiegel der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, sie ist Reibungs- und Bezugspunkt.

Politik und Gesellschaft setzen nicht nur die Rahmenbedingungen für den Kunstbetrieb, sie versuchen auch vielfach das Feld des künstlerisch Möglichen abzustecken, sowohl in der so genannten Hochkultur wie auch in der Populär- und Alltagskultur. Gerade dadurch fühlt sich die Kunst vielfach herausgefordert.

Die bpb trägt in ihrer Arbeit dieser Tatsache Rechnung. Um nur einige aktuelle Beispiele herauszugreifen: Vergangene Woche fand das Symposium "fashion@society" statt, dass Mode als Ausdruck einer politischen Haltung von Jugendkulturen untersucht hat. Die nächste der schon traditionellen bpb-Israelreisen beschäftigt sich mit der dortigen Popkultur und gerade heute haben wir in Berlin einen bpb-Band zur bildenden Kunst im Deutschland des Kalten Krieges vorgestellt, das unter dem Titel "Feindliche Brüder? Der Kalte Krieg und die deutsche Kunst 1945 – 90" erscheint. Umso mehr freue ich mich, dass wir – in bewährter Kooperation mit dem Carl Hanser Verlag – nun auch einen kulturgeschichtlichen Gesamtüberblick der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland in unserem Angebot wissen.

Mein Dank gilt den beiden Autoren, die uns ihr Werk nun gleich ausführlich vorstellen werden, sowie den beiden Podiumsgästen Amelie Deuflhard und Hans-Michael Kloth, die mit ihren Perspektiven die Diskussion bereichern werden.

Schließlich danke ich ebenfalls ganz herzlich dem gastgebenden KörberForum und der Körber-Stiftung für die Unterstützung und die angenehme Zusammenarbeit.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten