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Demokratie als Marke? Was kommt nach dem Modell Deutschland?

/ 8 Minuten zu lesen

In seiner Rede zum Kongress "Demokratie als Marke?" geht Thomas Krüger auf den Wandel der Politikvermittlung ein. Der Präsident der bpb vertritt dabei die These, dass politische Kommunikation nicht nach dem Modell der Markenkommunikation begriffen werden kann. Denn, sagt Krüger, die Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie seien eben keine Konsumenten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Veranstalter

ich freue mich, auf dem Kongress "Marke Deutschland" zu Ihnen zu sprechen. Es ist vielleicht nicht gerade höflich, als Mitveranstalter das Motto des Kongresses infrage zu stellen. Aber erstens sind Sie jung und können mit Provokationen umgehen und zweitens wissen Sie ja, dass die Disziplin der politischen Bildung die Kontroverse wie die Luft zum Atmen braucht. Dennoch möchte ich folgende These vertreten: Politische Kommunikation kann nicht nach dem Modell der Markenkommunikation begriffen werden.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat nicht nur die Aufgabe, Informationen zu verteilen, sondern auch Diskurse zu organisieren, zu Lösungen aufzurufen und die vielfältigen Stimmen in der Zivilgesellschaft zu Wort kommen zu lassen. Politikalternativen plural sichtbar zu machen und nicht Corporate Identity zu organisieren, ist unser Ziel.

Politik kann und darf daher nicht substituiert werden durch PR-Strategien oder Markenkommunikation. Für die Eigenständigkeit des Politischen stehe ich auch als Präsident einer Institution ein, die die Aufgabe hat, das demokratische Bewusstsein zu stärken und Menschen zu befähigen, aktiv und kritisch am politischen Leben teilzunehmen.

I. Politik lässt sich nicht auf Ökonomie reduzieren
Wir erleben heute eine "Ausweitung der Markenzone" (Kai-Uwe Hellmann). Der Trend der Markenbildung überschreitet die Grenzen des ökonomischen Sektors – und scheint vor dem politischen Bereich nicht innezuhalten. Waren es früher nur die Unternehmen der Konsumgüterindustrie, die Marken für ihre Produkte schufen, so weitete sich das branding über Dienstleistungsunternahmen auch auf den non-profit-Sektor aus. Auch Kirchen, Hilfsorganisationen, Universitäten und politische Parteien versuchen über Markenkommunikation Aufmerksamkeit zu erzeugen. Gerade deshalb will ich den Unterschied zwischen politischer Kommunikation und Markenkommunikation betonen.

Politische Kommunikation lässt sich in einer Demokratie nicht auf den Wahlkampf und den Wahlakt reduzieren. Sie lebt von den Bürgerinnen und Bürgern, die sich informieren und die politisch aktiv werden. Ihr Kennzeichen ist der Streit der Meinungen und die Vielfalt der Stimmen. Für die Meinungsbildung in der Demokratie sind Öffentlichkeit und Transparenz unverzichtbar.

Charakteristisch für die politische Kommunikation ist die Vermittlung von Politik durch die Medien. Politische Entscheidungen erfordern eine Vermittlungsleistung und eine Übersetzung. Denn politische Entscheidungen richten sich an höchst unterschiedliche Adressaten. Die Vermittlungsleistung der Medien schließt immer auch Darstellung und Inszenierung mit ein. Gleichzeitig ist damit aber auch eine Grenze beschrieben. Reine Inszenierung, reines Theater ist nicht mehr glaubwürdig.

Politische Entscheidungen sind keine Produkte. Und bei demokratischer Politik geht es nicht um Produkte wie Waschmittel, die man nur gut verkaufen muss. Dies hat der letzte Wahlkampf und auch die Diskussion um den Irakkrieg deutlich gemacht. Es geht in der Politik um elementare und existentielle Fragen, um Dinge, die die Ordnung der Gemeinschaft betreffen und letztlich auch um Fragen von Krieg und Frieden. Dies ist eine andere Welt als die des Konsums.

Politik bedeutet in demokratischen Gesellschaften einen ständigen Kampf um Deutungshoheit, um Konzepte und um Personen. Politische Kommunikation beinhaltet daher Konflikt, Streit, Differenz, Vielfalt und Kompromiss – und nicht Glätte und Homogenität.

Unsere Demokratie ist keine Marke. Und der Kommunikationsprozess in der Demokratie lässt sich auch nicht nach den Regeln der Markenkommunikation organisieren. Denn Demokratie lebt vom Widerspruch, vom Widerstreit der Meinungen und von Öffentlichkeit. Eine Marke hingegen ist das Ergebnis einer glaubwürdigen Produktkommunikation. Glaubwürdigkeit entsteht dann, wenn sich alle Informationen, die mit dem Produkt verbunden werden können, sich nirgends widersprechen. Die Marke, so kann man sagen, ist das Ergebnis einer integrierten Kommunikation. Widerspruchsfreiheit ist ihr wesentliches Kennzeichen.

Aufgabe politischer Kommunikation ist es gerade, Widersprüche deutlich zu machen. Das zeigt jede Kriegsberichterstattung. Jeder Journalist wird nachfragen, wenn er von der Pressestelle des Armeehauptquartiers Informationen bekommt. Er wird mehr wissen wollen. Die Armeeführung hingegen hat ein Interesse daran, ein möglichst stimmiges und positives Bild zu vermitteln.

Ein wesentlicher Unterschied zur Markenkommunikation ist die Tatsache, dass die Bürgerinnen und Bürger keine Konsumenten sind. Von dieser fundamentalen Differenz leben alle Demokratien. Wir haben es mit Menschen zu tun, die sich informieren und einmischen. Im politischen Kommunikationsprozess in Demokratien gibt es einen Rückkanal und nicht nur private Konsumentscheidungen.

Der ehemalige Geschäftsführer der SPD, Matthias Machnig, hat das einmal so beschrieben: "Der politische Prozess gleicht einer Fernsehserie, bei der Kritiker und Zuschauer eingeladen sind, darüber zu diskutieren, wie das Skript fortgeschrieben werden soll, welche Charaktere weiter mitspielen und ob man den Schluss wirklich als happy end deuten kann."

Dies bedeutet: der politische Kommunikationsprozess ist ein offener und öffentlicher Prozess. Politische Kommunikation verläuft nicht linear, sie muss flexibel sein, weil sie sich schnell auf neue Konstellationen einstellen muss. Sie lebt von der Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die sich gegenseitig beeinflussen.

In der Politik kommt es darauf auf, den richtigen Zeitpunkt des Handelns zu finden. Das wusste schon Nicollo Machiavelli und Gorbatschov hat es mit seinem legendären Satz "wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" bestätigt. Politische Kommunikation muss sich daher schnell auf neue Situationen einstellen, da hilft kein Bezug auf eine langfristige Markenstrategie.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Politik lebt von Personen und deren Glaubwürdigkeit. Ein Schokoriegel kann in der Marketingabteilung geformt und zur Marke gemacht werden. Bei der Gestaltbarkeit eines Kanzlerkandidaten sind der politischen Kommunikation enge Grenzen gesetzt. Das hat die Kanzlerkandidatur Edmund Stoibers gezeigt. Der Kandidat ist eine Person mit gewachsenen Beziehungen innerhalb von politischen Konstellationen. Und er hat ein persönliches Profil. Er kann nicht einfach neu erfunden oder nach Marketingkriterien designt werden.

In der Politik gibt es darüber hinaus keine Testmärkte. Wenn der Wahlkampf einmal verloren ist, kann man nicht mehr nachjustieren. Es kommt auf den Augenblick an. Meine These lautet daher: Politische Kommunikation folgt eigenen Gesetzmäßigkeiten. Sie lässt sich nicht auf Markenkommunikation reduzieren. Öffentliche Diskurse lassen sich nicht mit Marketingmethoden führen und politische Öffentlichkeitsarbeit ist etwas anderes als Produktwerbung.

II. Politische Kommunikation kommt ohne Medien nicht aus
Wir leben in einer Mediengesellschaft. Die Medien übernehmen die Vermittlung von Politik und politische Kommunikation wird in einer Mediengesellschaft immer mehr durch die Gesetze der Medien bestimmt. Der Bürger ist auch ein Medienkonsument und seine Wahrnehmung wird durch die Medien geprägt. Die Medien ermöglichen die Teilhabe an der politischen Kommunikation und sie gestalten gleichzeitig die politischen Kommunikation, indem sie Themen auswählen, gewichten und kommentieren.

Alle Beteiligten an der politischen Kommunikation – Bürgerinnen und Bürger, Parteien, Regierungen, Institutionen - müssen die Gesetzmäßigkeit der Medien berücksichtigen. D. h. es gibt neben der politischen Logik – die mit den Begriffen Macht, Einfluss, Zustimmung, Mehrheit, politischer Wille und sachgerechten Lösungen beschrieben werden kann – auch eine Medienlogik. Politik muss auch kommuniziert werden. Die beste Programmarbeit hilft wenig, wenn sie nicht dargestellt – andere würden sagen: inszeniert wird.

Hier könnte man das Einfallstor der Markenkommunikation vermuten. Wir alle beobachten den Trend der Ökonomisierung der Mediengesellschaft. Medienunternehmen entfernen sich zunehmend von politischen und gesellschaftlichen Akteuren und werden stärker von ökonomischen Motiven geprägt. Zeitungen und Rundfunksender müssen heute stärker als in früheren Zeiten rentabel arbeiten. Die Ära der Parteipresse ist zu Ende gegangen und private Fernsehsender haben nicht automatisch eine Bindung an Parteien. Die Medienlogik kann für meine Begriffe aber nicht auf die Logik der Markenkommunikation reduziert werden. Sie birgt zwar durch die zunehmende Inszenierung und Personalisierung die Gefahr, dass als Politik nur noch gilt, was im Fernsehen vorkommt. Wir beobachten in diesem Sinne Trends hin zum Unwichtigen: die Tagesschau und andere Nachrichtensendungen berichten vor allem über Themen, die viele Zuschauerinnen und Zuschauer interessieren, nicht über das, was politisch wichtig ist. Auch die Inflation der Talkshows bekräftigt den Trend zur unterhaltenden Inszenierung und zur Personalisierung. Dennoch bleiben die Ereignisse selber ausschlaggebend und setzen diesen Trends objektive Grenzen.

III. Die Bundeszentrale für politische Bildung als Marke
Ich werde Sie vielleicht nach dem, was ich Ihnen bisher vorgetragen habe, überraschen, wenn ich Ihnen mitteile, dass sich auch die Bundeszentrale für politische Bildung als Marke präsentiert. Wir tun dies, weil wir von möglichst vielen in der Bevölkerung wiedererkannt werden möchten. Wir nutzen die Markenstrategie nicht, um Politik zu "verkaufen".

Unsere Aufgabe aber ist politische Bildung. Dies bedeutet, Diskurse zu ermöglichen, viele verschiedene Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Politikalternativen sichtbar werden zu lassen. Denn die Bürgergesellschaft lebt von der Auseinandersetzung und das bedeutet Vielfalt und nicht Vereinheitlichung.

Unser Ziel ist der aufgeklärte und handlungsfähige Bürger und nicht der consumer citizen, der Bürger, der vom Konsumenten nicht mehr zu unterscheiden ist. Das Bundesministerium des Innern hat 1999 die Bundeszentrale für politische Bildung beauftragt, ihre Arbeit einer Prüfung zu unterziehen. Ergebnis ist ein organisatorischer Umbau und eine fachliche Neuausrichtung unserer Institution, die wir 2001 eingeleitet haben.

Unsere Verwaltung ist nicht nur schlanker, transparenter und effizienter geworden. Wir haben auch neue Themen (Globalisierung, Rechtsextremismus, Wirtschaft/Neue Ökonomie) aufgenommen, richten uns an neue Zielgruppen (junge Erwachsene, Migranten/innen) und sehen uns als Teil der Medien- und Informationsgesellschaft, indem wir die Bundeszentrale für politische Bildung adäquater an den Datenhighway des World Wide Web angeschlossen haben.

Wir haben uns ein neues Selbstverständnis in einem Leitbild geschaffen, um die Reformen auch nach innen zu kommunizieren und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu motivieren. Vielfalt, Kompetenz, Bürgernähe, Service und Demokratie: Dies sind die Kernbotschaften unseres neuen Leitbildes.

Die bpb will möglichst viele Menschen mit ihren Produkten erreichen. Deshalb hat sie für die Gestaltung des Erscheinungsbildes der Bundeszentrale für politische Bildung und ihrer Produkte ein Corporate Design entwickelt. Farben, Formen und Schriften sollten identitätsstiftend nach innen und imagefördernd nach außen wirken.

Schließlich dienen die Kernbotschaften des Leitbildes auch zur Entwicklung der Marke "bpb". Hinzu kommt das neue Logo mit dem die Bundeszentrale für politische Bildung ihre Stärken signalisieren will.

Der gesamte Außenauftritt der Bundeszentrale für politische Bildung wird nach diesen Maßstäben einer integrierten Kommunikation festgelegt: Von der Gestaltung der Flyer über das Layout der Bücher bis hin zur Einrichtung der Besucherläden und der Messestände.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat für die Entwicklung der Marke "bpb" und des Corporate Design eine professionelle Agentur für Kommunikation beauftragt und mit ihr gemeinsam dieses unverwechselbare Profil entwickelt.

IV. Schluss
Wir nutzen die Strategie der Markenkommunikation, um möglichst alle in der Gesellschaft anzusprechen – nicht nur unsere Stammklientel. Dies mag für eine Institution der politischen Bildung, die zugleich auch noch eine Behörde ist, etwas ungewöhnlich sein.

Die Marke und das Corporate Design verändert das Selbstverständnis der politischen Bildung, die an der Lebenswirklichkeit der Menschen anknüpfen muss. Wir möchten zum politischen Handeln anregen und deshalb unterscheiden wir immer noch zwischen dem Bürger als Citoyen und dem Bürger als Konsument. Die Bundeszentrale für politische Bildung möchte die Rolle des Citoyen stärken und möglichst viele dazu ermuntern, sich zu informieren und sich einzumischen.

Daher ist mir die Differenz zwischen Politikkommunikation und Markenkommunikation wichtig. Sie darf nicht eingeebnet werden. Denn Demokratie beinhaltet mehr als nur die Stimmabgabe bei Wahlen, die oft nach dem Muster von Konsumentscheidungen beschrieben wurde. Sie rechnet mit dem mündigen und verantwortungsbereiten Bürger.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Fussnoten