Inhaltsbeschreibung
Die "Reichskristallnacht" war das Fanal für offene Gewalt gegen Juden in Deutschland. Wenngleich staatlich organisiert und protegiert, fanden die Exzesse im November 1938 vielfach mit Billigung oder unter aktiver Beteiligung derer statt, die ihren Judenhass in Pöbeleien und Demütigungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen bis hin zum Mord auslebten. Wolfgang Benz zeichnet deren Motive nach und entzieht dem Mythos von der schweigenden, aber das Pogrom doch missbilligenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung den Boden: Nach Ausweis der Quellen finden sich kaum Belege für Solidarität. Viele wandten sich aus Gleichgültigkeit oder, angesichts der Stimmungslage gegen Juden, resigniert oder aus Angst vor eigenen Nachteilen ab.
In der Folge bereiteten die fortschreitende Entrechtung sowie die Misshandlungen jüdischer Häftlinge in Haftanstalten und Lagern den Boden für den Holocaust. Uneinheitlich, zwischen ungläubigem Entsetzen und abwartender, teils verharmlosender Beobachtung, reagierten die europäische und die Weltöffentlichkeit auf die Ereignisse in Deutschland. Die deutsche Nachkriegsgesellschaft in West und Ost stellte sich dem Geschehen nur zögernd. Benz konstatiert eine andauernde, latente Bedrohung aus dem Ungeist der "Reichskristallnacht" bis in die unmittelbare Gegenwart.