Inhaltsbeschreibung
Die Frage nach dem Einfluss Einzelner auf den Lauf der Geschichte ist ebenso alt wie heikel. Für Ian Kershaw steht bei seinem Blick auf Europa im 20. Jahrhundert nicht das moralische Urteil der Nachgeborenen im Vordergrund. Ihn interessiert das komplexe Zusammenwirken historischer Gegebenheiten mit den Persönlichkeitsmerkmalen von Menschen, die Raum und Epoche maßgeblich beeinflussten. Kershaw betreibt keinen Geschichtsdeterminismus: Vielmehr fragt er jeweils nach Denkmustern und Idealen, Defiziten und Prägungen, also individuellen Eigenschaften, denen Entscheidungen folgten. Im Zusammenwirken mit den Potenzialen des Amtes, sei es übertragen oder usurpiert, lasse sich, so Kershaw, eher begreifen, warum die Verbindung von Person und Macht bei Lenin oder Mussolini, Hitler oder Stalin Europa in den Abgrund führte.
Kershaw sucht das in der jeweiligen Persönlichkeit und in der historischen Situation Wurzelnde, um über Werturteile hinaus zu verstehen: Was förderte, was hinderte Winston Churchill oder Charles de Gaulle? Warum gingen Konrad Adenauer oder Helmut Kohl die Herausforderungen ihrer Ämter so und nicht anders an? Wie errangen Franco oder Tito ihre mächtige Stellung, und welche Rolle spielten der Zufall der Geschichte einerseits, ihre Persönlichkeit andererseits dabei? Hier wie auch bei den Schlaglichtern auf Michail Gorbatschow und Margaret Thatcher verbindet der britische Historiker den Blick auf Schranken und Potenziale von Menschen und Macht mit den großen Wegmarken europäischer Geschichte im 20. Jahrhundert.