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Entwicklungen nach der Wiedervereinigung | Der Weg zur Einheit | bpb.de

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Entwicklungen nach der Wiedervereinigung

Manfred Görtemaker

/ 13 Minuten zu lesen

Deutschland hat seinen Platz im europäischen Mächtesystem gefunden und übernimmt Verantwortung bei der Lösung internationaler Konflikte. Unter parteipolitisch veränderten Bedingungen muss es sich wirtschafts- und sozialpolitischen Herausforderungen stellen.

Folgen des Umbruchs 1989/91 (© Bergmoser + Holler Verlag AG, Zahlenbild 701 800)

Neue Außen- und Sicherheitspolitik

Besonders in der Außen- und Sicherheitspolitik war die Zäsur bald unübersehbar. Der Zusammenbruch des Kommunismus, der Zerfall der Sowjetunion und die daraus erwachsende Unabhängigkeit zahlreicher Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas waren neben der Wiedervereinigung Deutschlands Prozesse von historischer Bedeutung, die eine weitgehende Neuordnung Europas erforderten. Die Regierung des geeinten Deutschlands setzte sich dabei nicht nur für die Fortsetzung des seit Konrad Adenauer betriebenen Einigungsprozesses Westeuropas ein, sondern unterstützte auch die Erweiterung der Integration nach Osten. Deutschland, so Bundeskanzler Kohl am 2. Oktober 1990, habe als ein Land im Herzen Europas "alles Interesse daran, dass das wirtschaftliche West-Ost-Gefälle in Europa überwunden wird". Deshalb gehörte die Bundesregierung in der Folgezeit zu den maßgeblichen Förderern einer Osterweiterung der EU, um den Transformationsprozess in den mittel- und osteuropäischen Staaten zu unterstützen, die ökonomische Angleichung zu beschleunigen und Grundlagen für eine neue gesamteuropäische Architektur zu schaffen.

Einen wichtigen Schritt zur Neuordnung Europas stellte der Vertrag von Maastricht dar, der am 7. Februar 1992 unterzeichnet wurde und am 1. November 1993 in Kraft trat. Mit ihm wurde nicht nur stufenweise die seit langem angestrebte Wirtschafts- und Währungsunion verwirklicht, zu der ein gemeinsamer europäischer Binnenmarkt, der "Euro" als gemeinsame Währung und die nach dem Modell der Deutschen Bundesbank konzipierte Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main gehörten, sondern auch die politische Union vorangetrieben. Der europäische Integrationsverbund erhielt den vielversprechenden neuen Namen "Europäische Union" (EU) und bestand bis zum Inkrafttreten des 2007 unterzeichneten Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 aus drei Säulen: den bisherigen Europäischen Gemeinschaften (EG), der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik. Durch den Vertrag von Lissabon wurden die drei Säulen aufgelöst; das Wort "Europäische Gemeinschaft" wurde durchgängig durch "Europäische Union" ersetzt. Die EU übernahm damit die Rechtspersönlichkeit der früheren EG und kann jetzt als Völkerrechtssubjekt in eigenem Namen internationale Verträge und Abkommen schließen, diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten unterhalten und Mitglied in internationalen Organisationen werden.

Am 1. Januar 1999 wurde zudem der Euro in elf Mitgliedstaaten als gesetzliche Buchungswährung eingeführt, am 1. Januar 2002 auch als Bargeld. Inzwischen gilt er in 19 der mittlerweile 28 EU-Länder als gesetzliches Zahlungsmittel.

Die Euphorie, die anfänglich mit der Einführung des Euro verbunden war, ist seit Beginn der "Eurokrise" 2009 allerdings deutlich geschwunden. Aufgrund der unterschiedlichen Wirtschaftsleistung kam es nach dem Wegfall der Möglichkeit, die Konkurrenzfähigkeit der nationalen Volkswirtschaften durch Änderungen der Wechselkurse zu steuern, in einzelnen Ländern immer wieder zu Haushaltsproblemen, die in mehreren Fällen dramatische Ausmaße annahmen. Verstöße gegen grundlegende Regeln des Maastricht-Vertrages – wie die Drei-Prozent-Grenze bei der jährlichen Neuverschuldung und die Maximalverschuldungsgrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – waren keine Ausnahme. Besonders schwerwiegend waren und sind die Probleme im Falle Griechenlands. Aber auch Spanien, Portugal und Irland waren nicht in der Lage, die Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu bewältigen und mussten Hilfen der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch nehmen. Ob der 2011 als "Rettungsschirm" der EU verabschiedete Europäische Stabilitätsmechanismus, der Europäische Fiskalpakt und die Europäische Bankenunion sowie die Steuerungsmechanismen der EZB mittel- und langfristig ausreichen werden, um weitere Krisen zu vermeiden, ist allerdings fraglich. Und auch der Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2007 von den Staats- und Regierungschefs der EU zur Vertiefung der europäischen Integration unterzeichnet wurde, geriet mit zunehmender Dauer der Wirtschafts- und Finanzprobleme immer mehr in die Kritik, weil insbesondere Großbritannien sich nicht mehr gewillt zeigt, zugunsten eines als fragwürdig empfundenen Brüsseler Zentralismus auf nationale Souveränität zu verzichten.

Anders als in der Europapolitik sah sich das wiedervereinigte Deutschland in der Militär- und Sicherheitspolitik nach 1990 zunächst zur Zurückhaltung verpflichtet. Sie ergab sich aus der Rücksichtnahme auf das historische Erbe und auf die mehrheitlich pazifistische Grundhaltung der deutschen Bevölkerung. Schon der Artikel 87a des Grundgesetzes, wonach deutsche Streitkräfte außer zur Verteidigung nur in ganz bestimmten Fällen eingesetzt werden dürfen, setzte dem Handeln der Bundesregierung enge Grenzen. Außerdem wurde befürchtet, mit einem forschen deutschen Auftreten würden unerwünschte Assoziationen an die aggressive Rolle Deutschlands in zwei Weltkriegen wachgerufen. Der Golfkrieg 1991 fand daher ohne die Deutschen statt. Allerdings trug Deutschland – neben Saudi-Arabien, Kuwait und Japan – mit knapp 18 Milliarden DM wesentlich zu seiner Finanzierung bei. Vor allem in den USA wurde den Deutschen daher eine "Scheckbuch-Diplomatie" vorgeworfen.

Tatsächlich konnte Deutschland seine historisch verständliche Haltung gegenüber den Bündnispartnern immer weniger rechtfertigen und sah sich gezwungen, seine künftige außen- und sicherheitspolitische Rolle und mögliche Auslandseinsätze der Bundeswehr zu überdenken. Notwendig wurde dies bereits im Sommer 1991, als nach der Unabhängigkeitserklärung von Slowenien und Kroatien in Jugoslawien ein Bürgerkrieg begann, der 1992 auch Bosnien-Herzegowina und Ende der 1990er-Jahre den Kosovo erfasste. Deutschland bemühte sich dabei zunächst um politische Lösungen, insbesondere für Slowenien und Kroatien. Doch als die Kämpfe sich ausweiteten und der UN-Sicherheitsrat im März 1993 entschied, ein Flugverbot über Bosnien-Herzegowina durchzusetzen, und zu diesem Zweck AWACS-Fernaufklärer der NATO anforderte, in denen auch deutsche Soldaten Dienst taten, ließ sich eine Klarstellung der deutschen Position nicht länger hinausschieben. Nachdem ein Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes im Bundestag gescheitert war, entschied das Bundesverfassungsgericht am 12. Juli 1994, dass die Bundesrepublik gemäß Artikel 24 Absatz 2 GG ermächtigt sei, sich in Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzuordnen. Allerdings müsse jeder bewaffnete Einsatz vom Bundestag beschlossen werden.

Damit war der Weg für Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich frei. Deutsche Streitkräfte konnten dadurch sowohl im Kosovo-Konflikt gegen Serbien eingesetzt werden als auch – nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington am 11. September 2001 – im Kampf gegen die Taliban und das Al-Qaida-Netzwerk in Afghanistan. Die Beteiligung der Luftwaffe an Angriffen auf Serbien im Frühjahr 1999 stellte dabei den ersten Kriegseinsatz deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg überhaupt dar. Die Teilnahme der Bundeswehr an der Operation "Enduring Freedom" in Afghanistan bedeutete ebenfalls ein Novum, da die NATO nach dem 11. September 2001 zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages ausgerufen hatte.

Im Irak-Konflikt 2002, der 2003 unter Führung des amerikanischen Präsidenten George W. Bush zu einem weiteren Krieg gegen das Regime von Saddam Hussein führte, und im Libyen-Konflikt 2011, in dem insbesondere Frankreich und Großbritannien den Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi betrieben, verweigerte die Bundesregierung ihren Bündnispartnern hingegen die Gefolgschaft und lehnte eine Beteiligung deutscher Soldaten ab. Im Fall des Irak lagen nach Meinung der Bundesregierung keine Beweise für den Besitz von Massenvernichtungswaffen und Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk vor. Im Fall Libyens bestanden zwar große Sympathien für den "Arabischen Frühling", der in Tunesien und Ägypten bereits zu einem Regimewechsel geführt hatte, aber eine militärische Einmischung in den libyschen Bürgerkrieg zur Unterstützung der Aufständischen gegen das Gaddafi-Regime lehnte die Bundesregierung ab. Als der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 17. März 2011 die internationale Gemeinschaft zu militärischen Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten in Libyen ermächtigte und die USA, Großbritannien und Frankreich am 19. März mit einer Luft- und Seeblockade sowie mit Luftangriffen auf Regierungstruppen und Militäreinrichtungen in Libyen begannen, enthielt sich daher der deutsche UNO-Botschafter – gemeinsam mit den Vertretern Russlands und Chinas – der Stimme.

Diese deutsche Haltung, die vor allem im Irak-Konflikt zu einer ernsthaften Belastung für das deutsch-amerikanische und deutsch-britische Verhältnis führte, war weniger die Folge wachsenden innenpolitischen Unbehagens über die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die von allen Parteien des Bundestages mit Ausnahme der Linken unterstützt wurden, sondern eher ein Zeichen für die zunehmende außenpolitische Eigenständigkeit Deutschlands nach der Wiedervereinigung. Zwar wurden weder die NATO-Mitgliedschaft noch die Allianz mit den USA und Großbritannien infrage gestellt. Doch die Bundesregierung machte deutlich, dass sie sich inzwischen ein eigenes Urteil in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zutraute und gewillt war, nach deutschen Interessen zu handeln, selbst wenn dies Konflikte im Bündnis auslöste.

Eine ähnliche Eigenständigkeit bewies die Bundesrepublik auch im Ukraine-Konflikt. Er begann im Herbst und Winter 2013/14 mit Massenprotesten auf dem Majdan in Kiew gegen die überraschende Weigerung der ukrainischen Regierung, ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen. Als der Konflikt eskalierte, vermittelte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gemeinsam mit seinen französischen und polnischen Amtskollegen am 21. Februar 2014 einen Vertrag, der zur Beilegung der Krise beitragen sollte. Er setzte diese Vermittlungsaktion auch dann noch fort, als der Konflikt andauerte und in den ostukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk zu einem regelrechten Krieg zwischen von Russland unterstützten Separatisten und ukrainischen Truppen ausuferte. Mit dem Protokoll von Minsk vom September 2014 und dem erneuerten Protokoll Minsk II vom 12. Februar 2015, das unter direkter Beteiligung von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgehandelt wurde, bemühte sich Deutschland nicht nur um die Wiederherstellung des Friedens in der Region, sondern unternahm zugleich große Anstrengungen, mit Russland im Gespräch zu bleiben. Die Bundesregierung vollführte dabei wiederum einen Balanceakt zwischen nationaler Eigenständigkeit und Bündnissolidarität, weil sie sich zwar einerseits am Wirtschaftsboykott der westlichen Länder beteiligte, aber andererseits den Dialog mit Putin auch dann noch fortsetzte, als dieser wegen seiner Ukraine-Politik von vielen westlichen Ländern immer heftiger kritisiert und sogar weitgehend boykottiert wurde.

QuellentextDeutschlands gegenwärtige Rolle in Europa

Heinrich August Winkler, Jahrgang 1938, ist einer der bedeutendsten Historiker Deutschlands, lehrte in Freiburg und zuletzt in Berlin, an der Humboldt-Universität.

SZ: Herr Winkler, welche Rolle wünschen Sie sich für Deutschland in Europa und der Welt?

Heinrich August Winkler: Mein erster Gedanke ist: Keine deutschen Sonderwege, auch nicht in Zukunft. Wir sollten uns immer mit unseren Nachbarn abstimmen, zuallererst mit Frankreich, aber auch mit Polen und den anderen Partnern. Deutsche Interessen, die nicht mit den Interessen der Europäischen Union verträglich sind, sind nicht legitim. Die EU besteht aus postklassischen Nationalstaaten, die Hoheitsrechte an supranationale Einrichtungen abgegeben haben oder gemeinsam ausüben. Ein Rückfall in die Denkkategorien des souveränen Nationalstaats wäre ein dramatischer Rückschritt.

SZ: Und Ihr zweiter Gedanke?

Heinrich August Winkler: Mehr Europa darf es nicht um den Preis von weniger Demokratie geben. Integrationsfortschritte müssen einhergehen mit entsprechender parlamentarischer Mitverantwortung. Und dieser Integrationsprozess muss von der Bevölkerung gewollt werden. […]

SZ: Deutschland ist der bevölkerungsreichste EU-Staat und hat die größte Wirtschaftskraft. Verändert sich im krisenhaften Europa gerade die Rolle der Bundesrepublik?

Heinrich August Winkler: Deutschland trägt eine hohe Verantwortung für den Zusammenhalt der EU. Aber nicht die deutsche Frage ist wieder offen, sondern die europäische Frage ist immer noch so offen, wie sie in Maastricht geblieben ist.

SZ: Dort ist 1991 die Währungsunion beschlossen worden, aber nicht die politische Union.

Heinrich August Winkler: Und auch die Fiskalunion fehlt bislang. Die Währungsunion kann nicht dauerhaft stabilisiert werden, so lange Haushalts- und Fiskalpolitik nicht harmonisiert sind. […]

SZ: Welche Fehler hat die deutsche Seite gemacht?

Heinrich August Winkler: Berlin hat den Eindruck erweckt, dass Sparen allein ausreiche, um zu Wohlstand zu gelangen und dass Austerität die Mutter der Prosperität sei. Das ist zu einseitig. Richtig ist aber auch: Ohne Konsolidierung der Finanzen und ohne strikte Beachtung der Schuldentragfähigkeit ist anhaltendes Wachstum nicht möglich. Es ist ein vulgärkeynesianischer Aberglaube, man könne ausgebliebene Strukturreformen mit deficit spending – kreditfinanzierten Invesitionen des Staates – kompensieren. Dabei geht es nicht um spezifisch deutsche Interessen, sondern um die Interessen der Währungsunion. Was die Erklärung einer solchen Politik angeht, gibt es da sicherlich eine deutsche Bringschuld. Die Bundesregierung ist gut beraten, wenn sie ihre Ziele immer wieder geduldig und allgemein verständlich darlegt.

SZ: Durch die harte deutsche Position bei den Griechenland-Verhandlungen ist in Europa Angst vor einem teutonischen Hegemon entstanden. Zur Sorge kommt eine regelrechte Wut auf die Deutschen, Nazi-Vergleiche inklusive.

Heinrich August Winkler: Manche Debattenbeiträge der jüngsten Zeit sind so emotional und voller Ressentiment, dass man nur hoffen kann, dass es sich um ein Übergangsphänomen handelt. Vieles davon ist sicherlich auch gesteuert und manipuliert, denken Sie an die Berlusconi-Presse in Italien. Vieles erklärt sich schlicht aus dem Erfolgsgefälle der Volkswirtschaften.

SZ: Ist die Angst vor einer deutschen Übermacht berechtigt?

Heinrich August Winkler: Nein. Es geht nicht um deutsche Dominanz, sondern um eine grundsätzliche Frage: […] [M]uss es Grundkonsens sein, dass die vereinbarten Regeln gelten und nur einvernehmlich geändert werden können? […] Deutschland darf nicht das Falsche tun, nur um möglichst populär zu sein. […]

Oliver Das Gupta im Gespräch mit Heinrich August Winkler, "Warum die Deutschen über Europas Einigung abstimmen sollten", in: Süddeutsche Zeitung vom 18. August 2015

Probleme der inneren Einigung

Die innergesellschaftliche Entwicklung Deutschlands nach der Wiedervereinigung schwankte zwischen Euphorie und Ernüchterung. Im Überschwang der Gefühle, die sich mit den überstürzenden Ereignissen der Wendezeit 1989/90 verbanden, wurden vielfach die Schwierigkeiten übersehen, die der als Folge der Wiedervereinigung notwendige Strukturwandel in beiden Teilen Deutschlands mit sich bringen würde. Als Bundeskanzler Kohl am 21. Juni 1990 in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag behauptete, nur die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen den beiden deutschen Staaten biete "die Chance, dass Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen bald wieder blühende Landschaften sein werden, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt", weckte er Erwartungen, die zunächst nur schwer einzulösen waren. Der Begriff verkehrte sich dadurch in sein Gegenteil und wurde zum Sinnbild für die Deindustrialisierung Ostdeutschlands: Unter "blühenden Landschaften" wurden jetzt nicht renovierte Dörfer, pulsierende Städte und florierende Wirtschaftsparks verstanden, sondern stillgelegte Industrielandschaften und Rangierbahnhöfe, die sich die Natur zunehmend zurückeroberte.

Die verfügbaren Daten unterstreichen den dramatischen Verfall der ostdeutschen Wirtschaft nach 1990: Die Industrieproduktion, die bereits von 1989 bis zum Herbst 1990 um die Hälfte gesunken war, fiel bis April 1991 auf 30 Prozent ihres Ausgangsniveaus von 1989 und konnte sich in den folgenden Jahren kaum erholen. 1997 entfielen auf Ostdeutschland nur noch neun Prozent der Industrieproduktion und rund 10,5 Prozent der Industriebeschäftigten der Bundesrepublik (bei 30 Prozent der Fläche und einem Anteil von 21,5 Prozent der Bevölkerung); 1989 hatten die entsprechenden Anteile bei 20 bzw. 32 Prozent gelegen. Das Bruttoinlandsprodukt sank 1990 um 30,5 Prozent und 1991 noch einmal um 2,2 Prozent, ehe sich eine – wenn auch sehr langsame – Verbesserung einstellte.

Ob dieser Absturz vermeidbar gewesen wäre, zumal in anderen Transformationsländern wie Polen, der Tschechoslowakei oder Ungarn vergleichbare wirtschaftliche Einbrüche ausblieben, ist fraglich. Die Währungsumstellung war politisch ebenso geboten wie die rasche Anhebung der Löhne, die zwar noch lange unter dem Niveau der alten Bundesrepublik blieben, aber doch nur in seltenen Fällen der Produktivität der Betriebe entsprachen. Der 1:1-Umtauschkurs wurde von der ostdeutschen Bevölkerung und von allen ostdeutschen Parteien mit großem Nachdruck gefordert. Ein Verzicht auf die sofortige Anhebung der Löhne hätte die Gefahr sozialer Unruhen mit sich gebracht oder eine Fortsetzung der Massenabwanderung nach Westdeutschland bewirkt. Die Devisenknappheit der ehemaligen Kunden aus dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) war von westlicher Seite nicht zu beeinflussen. Und eine Inflationsfinanzierung der Nachfrage kam – anders als in den osteuropäischen Ländern – in Deutschland nach den Erinnerungen an die Inflation 1923 und 1948 nicht in Betracht, zumal die Bundesbank schon in der Währungsumstellung vom 1. Juli 1990 eine Gefahr für die Stabilität der DM sah. Damit aber blieb keine andere Wahl, als die ostdeutsche Wirtschaft einer "Schocktherapie" auszusetzen, die sie nicht überleben konnte.

Die damit einhergehende Massenarbeitslosigkeit, die plötzliche Konfrontation mit einer völlig neuen ökonomischen und soziokulturellen Umwelt sowie die Entwertung bisheriger Institutionen, Normen und Leistungen lösten bei vielen Ostdeutschen jedoch einen "Transformations- und Einheitsschock" aus, der verbreitet zu Verunsicherung, Enttäuschung und Resignation führte. Hieraus speiste sich der Begriff "Vereinigungskrise" (Jürgen Kocka). Zwar war Deutschland jetzt wieder vereint, aber es existierten noch immer zwei Gesellschaften. Mitte der 1990er-Jahre wurde daher vielfach die Frage gestellt, ob diese Entfremdung zwischen Ost und West den Wiedervereinigungsprozess dauerhaft stören könnte.

In Wirklichkeit stellten sich die Ostdeutschen jedoch in weit höherem Maße und mit mehr Erfolg auf die neuen Gegebenheiten ein, als häufig vermutet wird. Ganz abgesehen davon, dass es keinen ostdeutschen "Separatismus" und keine nennenswerten Bestrebungen gab, das Rad der Geschichte zurückdrehen, wurden der politische Ordnungswechsel, der sich 1989/90 vollzogen hatte, und die Einigung Deutschlands bei Umfragen seit 1990 regelmäßig von etwa 80 Prozent der Befragten befürwortet. Noch bemerkenswerter ist die Tatsache, dass diese Zustimmung quer durch alle sozialen Schichten und politischen Parteien verlief. Die eingetretene Ernüchterung war demzufolge nicht das Ergebnis einer grundsätzlichen Ablehnung der Wiedervereinigung, sondern hauptsächlich eine Begleiterscheinung der Enttäuschung, die sich aus den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Einigungsprozesses ergab. Nachdem der Systemwechsel und der Institutionentransfer in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre weitgehend abgeschlossen waren, stellten sich die Menschen subjektiv auf die Wiedervereinigung ein und suchten sich in den veränderten Strukturen zu orientieren. Je nach Erfolg oder Misserfolg wurden die neuen Verhältnisse dabei als Glücksfall, Chance und Herausforderung oder als Belastung, Ausgrenzung, Trauma und Ende bisheriger Lebensentwürfe begriffen.

Die Vermessung der Republik (© SZ Grafiken Sarah Unterhitzenberger; Quelle-Zentrum für Sozialforschung Halle e. V.)

Von einem gänzlichen Zusammenwachsen der beiden deutschen Teilgesellschaften kann zwar auch mehr als zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Mauerfall noch immer nicht die Rede sein. Doch das lange beschworene Bild der "Mauer in den Köpfen" ist inzwischen nicht mehr angemessen. In einer 2014 vom Zentrum für Sozialforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erstellten Studie, die von der Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Iris Gleicke, in Auftrag gegeben wurde, wird unter dem Titel "Sind wir ein Volk? 25 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" festgestellt, dass die meisten Deutschen (im Westen 83 Prozent, im Osten 76 Prozent) mit ihrem Leben zufrieden sind. Die Wiedervereinigung empfinden 77 Prozent der Ostdeutschen und immerhin auch 62 der Westdeutschen für sich persönlich als vorteilhaft. "Ungeachtet der Mängelrügen, die aus west- und ostdeutscher Sicht der Bundesrepublik für die Zeit nach 1990 erteilt werden", so heißt es in der Studie wörtlich, "und trotz etlicher von Ostdeutschen mehrheitlich positiv erinnerter Facetten des Systemprofils der DDR sind sich vier Fünftel im Osten wie im Westen des Landes gleichermaßen darin einig, dass die Wiedervereinigung für Deutschland als Ganzes vorteilhaft war."

Dieser Eindruck verstärkt sich noch bei der Frage, ob man sich in der Bundesrepublik "politisch zu Hause" fühle. Zwar wurde diese Frage nur von knapp der Hälfte der Ostdeutschen insgesamt (bei den Westdeutschen waren es fast drei Viertel) bejaht. Aber in der jüngeren Generation der 14- bis 29-Jährigen ergab sich ein völlig anderes Bild: Hier erklärten 64 Prozent im Westen und 65 Prozent im Osten, dass sie in der Bundesrepublik ihre politische Heimat sehen. Dieses nahezu identische Meinungsbild der jüngeren Generation zeigt, dass die Jüngeren sich – anders als die älteren, noch direkt von der Wiedervereinigung betroffenen Menschen – weit überwiegend mit "ihrer" Bundesrepublik identifizieren. Bei der Vorstellung der Studie erklärte daher Iris Gleicke, es gebe "klare Belege dafür, dass Ost und West seit der Wiedervereinigung im Sinne Willy Brandts zusammenwachsen".

QuellentextOst und West – eine Bestandsaufnahme

25 Jahre nach der deutschen Einheit schwindet das Gefühl der Fremdheit zwischen West- und Ostdeutschen, aber nur langsam. Das geht aus einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung hervor. So sieht die Hälfte der Bundesbürger weiter Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen. [...] In der Studie, in der 25 Themenfelder untersucht wurden, werden dafür etliche Beispiele genannt – ein Überblick in Stichpunkten:

Bevölkerung
Mit dem Mauerfall verloren die fünf ostdeutschen Flächenländer bis 2013 mehr als zwei Millionen ihrer einst 14,5 Millionen Bürger (Grafik). Vor allem junge Erwachsene gingen. Diese Abwanderung ist nicht gestoppt: Ländliche Regionen bluten weiter aus. Nur zehn von 70 Kreisen und 15 der 132 größten Städte in den neuen Bundesländern hätten sich dem Abwärtstrend entziehen können, stellen die Autoren in der Studie fest. Die Folgen sind dramatisch: Durch das Weggehen der Jüngeren wächst der Anteil der Älteren im Osten schneller als im Westen. Die ehemalige DDR wird dadurch teilweise zum Land der Alten: "Im Jahr 2035 könnte in einigen Kreisen wie Suhl oder Elbe-Elster mehr als jeder zweite Einwohner 60 Jahre und älter sein", heißt es in der Untersuchung.

Kinder
Frauen bekommen in den neuen Ländern wieder mehr Kinder als Frauen im ehemaligen West-Gebiet. Das liegt vor allem daran, dass Kinderlosigkeit in den alten Ländern stärker verbreitet ist als im Gebiet der früheren DDR [...]. In der Untersuchung wird dies so begründet: "Ostdeutsche Frauen profitieren offenbar bis heute von dem sozialistischen Frauenbild der DDR, in dem Kinder und berufliche Selbstverwirklichung zusammengehörten." So hat auch nur eine Minderheit der Ostdeutschen das Betreuungsgeld beantragt.

Bildung
Der Anteil der Abiturienten an den Schulabgängern hat sich mit einer Quote von fast 40 Prozent angeglichen. Auffällig sind jedoch die guten Erfolge der Schulen im Osten bei den Pisa-Tests: Demnach sind an der Spitze des innerdeutschen Rankings fast ausschließlich die neuen Bundesländer zu finden. Besonders gut schneiden deren Schulen in den Naturwissenschaften und Mathematik ab. Die Autoren der Studie führen dies unter anderem auf den geringeren Anteil an Zuwanderern und höhere Bildungsausgaben zurück.

Verdienst
Unmittelbar nach der Wende erhielt ein ostdeutscher Durchschnittsverdiener nicht einmal die Hälfte des vergleichbaren West-Lohnes. Mittlerweile ist der Lohnabstand auf drei Viertel der Gehälter im Westen gesunken. Zuletzt stagnierte aber der Aufholprozess. In der Studie werden dafür viele Gründe genannt: das Fehlen großer Industriebetriebe mit guten Löhnen, die wenig verbreitete Bezahlung nach Tarifverträgen, die vielen atypisch Beschäftigten (Teilzeit, Leiharbeit, befristete Verträge).

Vermögen
Superreiche meiden den Osten. Die Autoren schreiben: "Gerade mal 20 der 500 reichsten Deutschen wohnen östlich der ehemaligen Grenzen, davon 14 in Berlin – zumeist im Westen der Stadt." Die frühere DDR ist nicht, wie einst Altkanzler Helmut Schmidt befürchtete, zu einem "Mezzogiorno ohne Mafia" geworden. Blühende Landschaften und üppiger Wohlstand sind aber eher selten. Im Westen beläuft sich das Pro-Kopf-Vermögen auf 153.200 Euro, wobei Spitzenverdiener den Durchschnitt stark nach oben treiben. Im Osten ist der Wert nicht einmal halb so groß.

Arbeitslose
Im Osten ist die Arbeitslosigkeit zuletzt stärker gesunken als im Westen. Das wird aber vor allem damit begründet, "dass in Ostdeutschland die Zahl der Erwerbspersonen seit 2008 um etwa 400.000 zurückgegangen ist". Dies sei "eine Folge der Abwanderung vor allem junger Menschen sowie des extremen Geburteneinbruchs zu Beginn der 1990er-Jahre".

Unternehmen
Keines der 30 größten Börsen-Unternehmen, das Mitglied im Deutschen Aktienindex (Dax) ist, hat seine Zentrale im Osten. Stattdessen wird Ostdeutschland bestimmt von kleinen und mittleren Firmen. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sieht darin ein Problem: Um die Firmenzentralen seien Vertrieb, Forschung oder Marketing angesiedelt mit vielen hochqualifizierten und gut bezahlten Arbeitskräften. Für die Ost-Ableger bliebe lediglich "die mittlere Führungsebene". Auch Zulieferer siedelten sich so nicht an.

Konsum
Nur wenige Marken-Produkte aus dem Osten haben es in die westdeutschen Supermarktregale geschafft. Aber ob Rotkäppchen-Sekt, Spee-Waschmittel oder Bautz’ner Senf – diese Waren werden im Westen zunehmend beliebter.

Engagement
Beim Einsatz für das Gemeinwohl gibt es einen großen Graben. Im Osten engagiert sich nicht einmal jeder Dritte (30 Prozent) bei der Feuerwehr oder in einem Verein. Im Westen liegt dieser Wert bei 37 Prozent. Die Autoren führen dies auf das Erbe der DDR zurück, in der der Staat fast alles regelte.

Partnerwahl
Die Ost-West-Liebe scheint eher selten zu sein, wobei dies mit amtlichen Daten kaum festzustellen ist. Außerdem verorten sich viele gar nicht mehr so klar als Ossi oder Wessi – das sind für die Forscher schlicht "Wossis".

Thomas Öchsner, "Innerdeutsche Grenze", in: Süddeutsche Zeitung vom 23. Juli 2015

Reformzwänge und ihre Auswirkungen auf die politischen Strukturen

Zu den Herausforderungen, denen sich die "Berliner Republik" nach der Wiedervereinigung gegenübersah, gehörte neben der Außen- und Sicherheitspolitik in erster Linie die Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik. Der Preis der deutschen Einheit war keine Festgröße, sondern addierte sich in den zweieinhalb Jahrzehnten ab 1990 zu einer Summe von etwa zwei Billionen Euro, die hauptsächlich von der Volkswirtschaft im Westen des Landes aufgebracht werden musste. Besonders die sozialen Errungenschaften, über die sich die alte Bundesrepublik zu einem wesentlichen Teil definiert hatte und die nach dem Inkrafttreten der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion 1990 auf ganz Deutschland übertragen worden waren, ließen sich daher immer weniger finanzieren. Die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder legte daraufhin 2002 mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission und danach mit der Agenda 2010, die er am 14. März 2003 im Bundestag vorstellte, ein Konzept vor, das drastische Kürzungen im Sozialetat vorsah und von dem Grundsatz ausging, dass man, wie Schröder erklärte, "Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern" müsse.

Dieser sozialpolitische Neuansatz wurde zwar von der Regierungskoalition gebilligt, löste aber eine öffentliche Protestwelle aus, die bald auch die SPD erfasste. Enttäuschte SPD-Anhänger schlossen sich mit der seit 1990 als ostdeutsche Regionalpartei erfolgreichen PDS 2007 zur Partei "Die Linke" zusammen, die sich seither als Bundespartei links von der SPD etablieren konnte. Diese Entwicklung wäre kaum möglich gewesen, wenn nicht die ökonomischen Lasten der Wiedervereinigung dazu beigetragen hätten, der Sozialpolitik die finanzielle Basis zu entziehen, eine sozialpolitische Kehrtwende der Regierung zu erzwingen und damit Protestwähler in großer Zahl zu mobilisieren.

Sitzverteilung 18. Deutscher Bundestag (© DBT)

Tatsächlich verlor die SPD schon bei der Bundestagswahl im September 2005 die Mehrheit für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition und ging eine Große Koalition mit der CDU/CSU unter Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. Die neue Regierung setzte die Reformpolitik der Agenda 2010 jedoch im Wesentlichen fort, und der deutliche Rückgang der Arbeitslosigkeit in den folgenden Jahren sprach für die Richtigkeit dieser Politik. In der Außenpolitik hingegen kehrten Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zur klaren Westorientierung früherer Bundesregierungen zurück und stellten sich damit wieder in die Kontinuität der alten Bundesrepublik, ohne die inzwischen erfolgten Weichenstellungen in der Europa- und Russlandpolitik infrage zu stellen.

Fazit

Die Zwischenbilanz zweieinhalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung fällt damit insgesamt positiv aus. Die Folgen des Umbruchs von 1989/90 scheinen weitgehend überwunden. Zwar sind die Veränderungen gravierend. Aber in der Außenpolitik hat sich Deutschland in das neue europäische Mächtesystem eingefügt und durch eine aktive, verantwortungsbewusste Mitwirkung bei der Lösung regionaler Konflikte seine Rolle als Akteur auf der internationalen Bühne überzeugend ausgefüllt, wobei in mancherlei Hinsicht sogar eine eigene Handschrift erkennbar wird. Und in der Innenpolitik vermochte die Berliner Republik durch zwei Machtwechsel 1998 und 2005 ihre demokratische Reife auch unter neuen parteipolitischen Bedingungen zu beweisen.

Selfie zum 3. Oktober (© NEL / nelcartoons.de )

Trotz der weltweiten Finanzkrise 2008 und der "Eurokrise" seit 2009 zeigen sinkende Arbeitslosenzahlen und die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, dass sich die Berliner Republik auch wirtschafts- und finanzpolitisch bislang auf einem guten Weg befindet. Die mit der Agenda 2010 eingeleiteten Reformen erwiesen sich als wirksam, obwohl der demografische Wandel hin zu einer überalterten Gesellschaft vor allem die Bereiche Gesundheit und Renten zunehmend belastet. Auch aus den außenpolitischen Entwicklungen erwachsen Herausforderungen, darunter weltwirtschaftliche Erschütterungen, terroristische Bedrohungen, wachsende Instabilität insbesondere im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika, die Ukraine-Krise und das erschütterte Verhältnis zu Russland, zunehmende Migration, Abspaltungstendenzen in der EU und kostspielige staatliche Maßnahmen zur Sanierung der Eurozone. Ob sich die bisher positive Entwicklung vor diesem Hintergrund fortsetzen lässt, bleibt deshalb abzuwarten.

Manfred Görtemaker, geboren 1951, ist Professor für Neuere Geschichte mit dem Schwerpunkt 19./20. Jahrhundert an der Universität Potsdam. ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Potsdam. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die deutsche und europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie internationale Beziehungen, insbesondere die Geschichte des Ost-West-Verhältnisses im 20. Jahrhundert (Kalter Krieg und Entspannung). E-Mail: E-Mail Link: goerte@uni-potsdam.de