Die Ukraine besaß in der polnischen Ostpolitik von Beginn an einen besonderen Stellenwert. Polen betrachtete sie als denjenigen Nachbarn im Osten, dessen Unabhängigkeit, Stabilität und demokratische Entwicklung im Rahmen der europäischen Institutionen von grundlegendem polnischem Interessen ist.
Die polnisch-ukrainischen Beziehungen waren jedoch gleichfalls nicht frei von historischen Streitfragen; zu den wichtigsten Problemen gehörte die Bewertung des Massakers in Wolhynien 1943 und der sogenannten Aktion Weichsel (1943 ermordeten die ukrainischen Bewohner von Wolhynien ungefähr 60 000 dort lebende Polen. Während der "Aktion Weichsel" wurden nach dem Zweiten Weltkrieg ca. 140 000 Ukrainer aus dem Südosten Polens nach Masuren und Pommern umgesiedelt). Beide Seiten bewiesen jedoch von Anfang an den Willen, die schwierigen Kapitel der gemeinsamen Geschichte zu einem Abschluss zu bringen. 1997 gaben die Präsidenten Aleksander Kwaśniewski und Leonid Kutschma die "Gemeinsame Erklärung über Einvernehmen und Aussöhnung" ab. Im Juli 2003 wurde der polnische Friedhof von Poryck in Wolhynien eröffnet, der die Aussöhnung Polens und der Ukraine symbolisieren sollte.
Das Verhältnis blieb in den folgenden Jahren jedoch dadurch belastet, dass die Stadtregierung von Lemberg der Eröffnung des "Friedhofs der jungen Adler"
Noch vor dem Beschluss zu seiner Aufnahme in die EU machte sich Polen zum Anwalt einer europäischen Integration der Ukraine; nach dem Beitritt im Mai 2004 wurde es zum größten Fürsprecher ukrainischer Interessen in der Union. Nach polnischer Überzeugung ist die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft für die Ukraine das wichtigste Instrument, um grundlegende politische und wirtschaftliche Reformen zu erleichtern. Warschau unterstützte ebenso die ukrainischen Bestrebungen, in die NATO aufgenommen zu werden.
Während der Amtszeit Aleksander Kwaśniewskis und Leonid Kutschmas trafen sich beide Präsidenten regelmäßig, um die Bedeutung der strategischen Partnerschaft Polens und der Ukraine zu bekunden. Die intensiven Kontakte zwischen polnischen und ukrainischen politischen Eliten ermöglichten es Polen, während der Orangenen Revolution als Vermittler zwischen den Konfliktparteien aufzutreten. Die polnische Schlichtungsbemühungen während dieser Geschehnisse führten zu einer Kompromisslösung und wurden somit zu einem der größten Öffentlichkeitserfolge der polnischen Ostpolitik. Die vorübergehende Rückkehr von Ministerpräsident Wiktor Janukowitsch an die Macht und die fortdauernde innenpolitische Krise der Ukraine führten zu einer etwas größeren Zurückhaltung Warschaus im Engagement für die polnisch-ukrainischen Beziehungen, ohne jedoch ihre grundlegende Bedeutung für Polen zu ändern.
Übersetzung: Andreas R. Hofman