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Essay: Unvollendete Transformation. Der Wandlungsprozess in der Ukraine seit 1991 aus Perspektive des Ost-Ausschusses | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Verhältnis zur belarusischen Opposition (28.11.2024) Analyse: Kyjiws strategische Distanz zur belarusischen Opposition dekoder: "Die Belarussen müssen verstehen, dass unsere Zukunft von uns selbst abhängt" Umfragen: Meinung in der Ukraine zu Belarus’ Kriegsbeteiligung Umfragen: Unterstützung in Belarus von Russlands Krieg gegen die Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Energieversorgung / Grüne Transformation (09.10.2024) Analyse: (Wie) Lässt sich die Energiekrise in der Ukraine abwenden? Analyse: Eine stärkere Integration des Stromnetzes in die EU kann der Ukraine helfen, die nächsten Winter zu überstehen Statistik: Stromimporte aus EU-Staaten Analyse: Resilienz wieder aufbauen: Die Rolle des ukrainischen Klimabüros bei der grünen Transformation Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik EU-Beitrittsprozess (29.07.2024) Analyse: Die Ukraine und die EU: Erweiterungspolitik ohne Alternative? Analyse: Wie schnell bewegt sich die Ukraine auf die EU zu, in welchen Bereichen gibt es große Fortschritte und in welchen nicht? Statistik: Stand der Ukraine im EU-Beitrittsprozess Umfragen: Öffentliche Meinung in der Ukraine und in ausgewählten EU-Ländern zum EU-Beitritt der Ukraine Chronik: Hinweis auf die Online-Chronik Beziehungen zu Polen / Beziehungen zur Slowakei (26.06.2024) Analyse: Die Entwicklung der ukrainisch-polnischen Beziehungen seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Pragmatisch, indifferent, gut? Über den Zustand der ukrainisch-slowakischen Beziehungen Statistik: Handel der Ukraine mit ihren Nachbarländern Statistik: Ukrainische Geflüchtete in den Nachbarstaaten der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu den Nachbarländern der Ukraine Umfragen: Die Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Geflüchteten aus der Ukraine Chronik: 21. bis 31. Mai 2024 Exekutiv-legislative Beziehungen und die Zentralisierung der Macht im Krieg (30.05.2024) Analyse: Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion Analyse: Wie schnell werden Gesetzentwürfe von der Werchowna Rada verabschiedet? Wie kann der Prozess effizienter gestaltet werden? Chronik: 1. bis 30. April 2024 Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter / Ukrainische Community in Deutschland / Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaften (29.04.2024) Analyse: Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Statistik: Integration in den Arbeitsmarkt Analyse: Die ukrainische Community in Deutschland Analyse: (Un)genutzte Potenziale in den deutsch-ukrainischen Kommunal- und Regionalpartnerschaften Dokumentation: Übersicht deutsch-ukrainischer Partnerschaften Chronik: 11. bis 31. März 2024 10 Jahre Krim-Annexion / Donbas nach der Annexion 2022 (21.03.2024) Analyse: Zehn Jahre russische Annexion: Die aktuelle Lage auf der Krim Dokumentation: Reporters Without Borders: Ten years of Russian occupation in Crimea: a decade of repression of local independent journalism Dokumentation: Europarat: Crimean Tatars’ struggle for human rights Statistik: Repressive Gerichtsverfahren auf der Krim und in Sewastopol Analyse: Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022 Umfragen: Öffentliche Meinung zur Krim und zum Donbas Chronik: 22. Februar bis 10. März 2024 Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Essay: Unvollendete Transformation. Der Wandlungsprozess in der Ukraine seit 1991 aus Perspektive des Ost-Ausschusses

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Fünf Transformationslinien in der Ukraine

Bezüglich der Ukraine lassen sich heute fünf große Transformationslinien erkennen, die unterschiedlich weit fortgeschritten sind:

  1. Aus einer historischen Peripherielage heraus einen nach innen und außen selbstbewussten Nationalstaat aufzubauen, bleibt auch angesichts der historischen Prägungen von West- und Ost-Ukrainern eine zentrale Aufgabe.

  2. Seit 1991 gilt es darüber hinaus, einen sowjetischautokratisch geprägten Staat in ein demokratisches System zu verwandeln, das sich auf eine bürgerliche Teilhabe an Entscheidungsprozessen und eine unabhängige Justiz stützt.

  3. Parallel dazu musste eine staatlich kontrollierte Kommandowirtschaft in eine moderne, diversifizierte Ökonomie umgewandelt werden, die dem privaten Unternehmertum Entfaltungsmöglichkeiten garantiert.

  4. Die Ukraine stand und steht vor der Aufgabe, sich von einem »kleinen Bruder« Russlands in einen Partner Russlands zu verwandeln, der sich auf Augenhöhe bewegt und eine selbstbewusste Außen- und Sicherheitspolitik verfolgt.

  5. Damit einher geht die – auch von der aktuellen Regierung Janukowytsch angestrebte – Weiterentwicklung von einem Nachbarn der Europäischen Union zu einem EU -Mitgliedsland.

Keine der fünf genannten Transformationslinien konnte in den vergangenen zwanzig Jahren ohne Brüche und Rückschläge verfolgt werden. Keine Transformationslinie ist bislang zu einem erfolgreichen Ende gelangt – im Gegensatz etwa zu den Nachbarstaaten Polen und Slowakei, die inzwischen vollwertige Mitglieder der EU und der Nato sind und eine stabile Marktwirtschaft etablieren konnten. Allerdings bestanden bei diesen Ländern im Vergleich zur Ukraine und anderen postsowjetischen Staaten historisch betrachtet auch gänzlich andere Grundvoraussetzungen. Insgesamt gesehen sollte man anerkennen, dass die Ukraine seit 1991 ein wichtiges Stück eines schwierigen Weges zurückgelegt hat, der eines Tages in die Europäische Union führen kann. Dass zumindest die wirtschaftliche Integration mit der EU letztlich zum Erfolg geführt wird, liegt nicht zuletzt auch im Interesse der deutschen Wirtschaft.

Rolle der deutschen Wirtschaft

Die Bundesrepublik gehörte zu den ersten Ländern, die die neuen unabhängigen Nachfolgestaaten der UdSSR diplomatisch anerkannten. Die deutsche Wirtschaft knüpfte schnell Kontakte und konnte dabei sowohl auf Verbindungen zurückgreifen, die der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft bereits seit 1952 aufgebaut hatte, als auch auf Verbindungen, die ostdeutsche Betriebe traditionell mit ukrainischen Partnern unterhielten. Gleichwohl bedurfte es eines Neuanfangs, da direkte Beziehungen zwischen Unternehmen bisher im Wesentlichen über Moskau liefen.

Deutsche Unternehmen gründeten jetzt Niederlassungen und Repräsentanzen zunächst in Kiew, später auch in anderen Städten der Ukraine. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen wuchs sprunghaft an. 1994 übertraf er die Grenze von 2 Mrd. Deutschen Mark. 1998 wurden bereits Waren und Dienstleistungen im Wert von 4 Mrd. DM ausgetauscht. Heute liegt das Handelsvolumen bei über 6 Mrd. Euro, was umgerechnet 12 Mrd. DM entspricht - also dem Sechsfachen des Standes von 1994. Damit ist Deutschland zweitgrößter Außenhandelspartner der Ukraine nach Russland.

Umgekehrt ist die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit der zweitwichtigste Handelspartner Deutschlands unter den GUS-Staaten. Das Potential der Zusammenarbeit ist aber bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Dies zeigt das Beispiel des EU-Nachbarn Tschechien, der mit einer im Vergleich zur Ukraine viermal kleineren Bevölkerung ein zehnmal höheres Handelsvolumen mit der Bundesrepublik erreicht. Viele »Schätze« der deutsch-ukrainischen Wirtschaftskooperation warten also noch darauf, gehoben zu werden. Dies gilt über den Handel hinaus auch für die Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft.

Angefangen von der Montanindustrie über die gesamte verarbeitende Industrie bis hin zu Informationstechnologien und anderen wissenschaftsintensiven Bereichen stehen deutsche Unternehmen bereit, bei der Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft zu helfen, die Produktivität im Land zu steigern und gleichzeitig den Verbrauch teurer Energie zu senken. Wichtige Felder der Zusammenarbeit sind auch das Bauwesen, die allgemeine Infrastruktur und die Agrarwirtschaft. Deutsche Landtechnik kann einen Beitrag dazu leisten, die Ernteerträge in der Ukraine zu verdoppeln. Auf den fruchtbaren ukrainischen Böden liegt die Hoffnung der ganzen Weltbevölkerung, die bis zum Jahr 2050 auf 9 Mrd. Menschen anwachsen wird.

Mit über 1200 Joint Ventures, Tochterunternehmen, Repräsentanzen und anderen Beteiligungsformen ist die deutsche Wirtschaft bereits heute stark in der Ukraine engagiert. Mit der deutsch-ukrainischen High-Level-Group, durch Wirtschaftsforen und Kooperationsbörsen, Delegationsreisen und andere Aktivitäten hat sich ein intensives Netz von Gesprächen, Kontakten und Austausch zur Weiterentwicklung der Wirtschaftsbeziehungen entwickelt. Direkter Ansprechpartner vor Ort ist die Delegation der deutschen Wirtschaft in der Ukraine.

Auch der Ost-Ausschuss gehört zum Kreis der Institutionen, die an der weiteren Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern intensiv arbeiten. Dazu werden Delegationsreisen, Konferenzen, Beratungsprojekte für mittelständische Betriebe in den ukrainischen Regionen und vielfältige Begegnungen deutscher Unternehmen mit Regierungsvertretern organisiert. Ost-Ausschuss-Delegationen trafen sowohl Präsident Leonid Kutschma (2000, 2001, 2004) als auch seine Nachfolger Wiktor Juschtschenko (2005) und Wiktor Janukowytsch (2010). Zuletzt führte der Ost-Ausschuss im Juni 2011 in Kiew Gespräche mit der ukrainischen Regierung. Dabei wurde beispielsweise vereinbart, gemeinsam das Pilotprojekt einer »Energieeffizienten Stadt« für die Ukraine zu entwickeln.

Im Mittelpunkt der Arbeit des Ost-Ausschusses stehen heute drei Ziele: die bessere Nutzung des Potentials der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen sowohl in den Ballungszentren als auch in den Regionen, die Unterstützung der Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft und gleichzeitig ihre Annäherung an und ihre Integration in den europäischen Wirtschaftsraum.

Arbeitsschwerpunkt des Ost-Ausschusses im Jahr 2011 ist das Thema Visa-Liberalisierung. Bereits 2005 hatte die Ukraine in einem einseitigen Schritt im Reiseverkehr Visa für EU-Bürger abgeschafft, ohne dass die EU bis heute diesem Beispiel gefolgt wäre. In einer Ost-Ausschuss-Umfrage sprachen sich im Sommer 2011 von 200 deutschen Unternehmen 41% dafür aus, Ukrainern möglichst schnell die visafreie Einreise in die EU zu ermöglichen. Weitere 19% plädieren für die testweise Einführung der Visa-Freiheit anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2012.

Europäische Perspektive der Ukraine

Bereits in der Regierungszeit des zweiten ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma (1994-2005) wurde die EU-Integration zum strategischen Ziel der Ukraine erklärt. Dieses Ziel wurde in den vergangenen Jahren mit unterschiedlicher Intensität verfolgt. Dabei hatte die Ukraine nicht nur unter unbestreitbaren innenpolitischen Fehlentwicklungen, sondern auch unter einem zunehmend schwieriger werdenden Integrationsprozesses innerhalb der EU zu leiden.

Seit 2008 ist die Ukraine zusammen mit fünf weiteren Staaten Mitglied der Östlichen Partnerschaft der EU. Dabei handelt es sich im Grunde um eine Auffanglösung für Staaten, denen die EU aus verschiedenen Gründen keine sichere EU-Perspektive eröffnen kann oder will. So skeptisch diese Konstruktion in der Ukraine (und nicht nur dort) gesehen wird - es sind dennoch konkrete Chancen mit ihr verbunden, die genutzt werden müssen, um das Ziel der EU-Mitgliedschaft nicht aus den Augen zu verlieren.

Ein wichtiger Baustein ist dabei die Freihandelszone zwischen der Ukraine und der EU. Die Verhandlungen dazu sind auf einem sehr guten Weg, wurden aber zuletzt durch den Prozess gegen die frühere Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko und die juristische Verfolgung vieler ihrer Parteikollegen überschattet. Es gibt ernstzunehmende Stimmen innerhalb der EU, darunter den schwedischen Außenminister Carl Bildt und den Staatsminister im Auswärtigen Amt Werner Hoyer, die ein klares Junktim zwischen der Umsetzung des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens und der Freilassung von Julija Tymoschenko herstellen. Gleichzeitig erhöht Russland den Druck auf die Ukraine, der neu gegründeten Zollunion von Russland, Belarus und Kasachstan beizutreten und zumindest auf absehbare Zeit auf eine Freihandelszone mit der EU zu verzichten.

Ausblick

Zwanzig Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung steht die Ukraine damit an einem neuen Wendepunkt ihrer jungen Geschichte. Geht man den Weg der oben beschriebenen fünf Transformationslinien weiter, oder gibt man diese Ziele zugunsten eines von Russland angeführten Integrationsprozesses innerhalb einer neuen Eurasischen Union auf?

Die EU könnte ihren Beitrag dazu leisten, dass sich die Ukraine letztlich für eine europäische Perspektive entscheidet. Neben berechtigter Kritik in der Sache, gehören dazu aber auch Angebote, die den mühevollen Transformationsprozess in der Ukraine honorieren. Dazu zählen die rasche Einführung des visafreien Reiseverkehrs und der Abschluss des Freihandelsabkommens.

Die Ukraine darf aber ihrerseits die in der Orangen Revolution erreichten Fortschritte nicht kurzfristigen politischen Zielen opfern. Letztlich wird eine nachhaltige wirtschaftliche Modernisierung nicht ohne gleichzeitige politische Liberalisierung zu haben sein.

Über den Autor

Prof. Dr. Rainer Lindner ist seit 2008 Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und unterrichtet Osteuropäische Geschichte an der Universität Konstanz. Bis 2008 war er Außenpolitikberater der Bundesregierung und des Bundestages bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Fussnoten