Eines der wesentlichen Merkmale der Migration in der Nachkriegszeit war ihre Dynamik, denn im Hinblick auf Intensität, Typus, Zusammensetzung und Herkunftsländer passte sie sich mühelos an Gegebenheiten sowohl innerhalb und als auch außerhalb Australiens an. Darüber hinaus sorgen die sich rasch verändernde globale Situation und Australiens Bevölkerungsentwicklung dafür, dass internationale Migration von grundlegender, vielleicht sogar noch weiter zunehmender Bedeutung für die nächsten 25 Jahre wird.
Für den Erfolg des australischen Einwanderungsprogramms nach dem Krieg waren etliche Faktoren ausschlaggebend. Der Doyen der australischen Immigrationsforschung Professor Charles Price schrieb ihn der Tatsache zu, dass die Immigration in Australien in der Nachkriegsära der Fütterung einer Python ähnelte: Neue Migrantengruppen erreichten das Land; nach einer angemessenen Zeit des Verdauens und Eingewöhnens kam die nächste Gruppe. Obwohl momentan in Australien starke Vorbehalte gegen Migration und Multikulturalismus – wie übrigens in anderen Empfängerländern auch – existieren, ist die Mehrheit in der Bevölkerung der Meinung, Zuwanderung sei gut für das Land. Ein weiterer Baustein für die relativ erfolgreich verlaufene Migration in der Nachkriegszeit ist mit der politischen Gestaltung und der Regierungsführung verknüpft. Seit dem Zweiten Weltkrieg hatte Australien fast durchgängig ein eigenes Ministerium für Einwanderung. Die Entwicklung eines Mitarbeiterstabs mit professionellen Einwanderungsbeamten wurde gefördert. Dies führte zu einer erheblichen Kompetenzsteigerung der Migrations- und Einwanderungspolitik und ihrer administrativen Umsetzung. Die australische Einwanderungspolitik ist anpassungsfähig und hat sich – von einigen bemerkenswerten Ausnahmen in der jüngeren Vergangenheit abgesehen – immer stark auf wissenschaftliche Grundlagen gestützt. Sie konnte dabei auf eine ausgezeichnete Migrationsdatensammlung und eine Vielzahl innovativer Migrationstudien zurückgreifen.
Australien muss sich in den nächsten 10 Jahren einer Reihe von Herausforderungen stellen. 2010 wurde zum ersten Mal ein Minister für Bevölkerungsangelegenheiten ernannt, dem es obliegt, innerhalb eines Jahres eine nationale Bevölkerungspolitik zu konzipieren. Asylsuchende sind das beherrschende Thema in der nationalen Migrationsdebatte, obwohl ihre Anzahl gering ist – nur etwa ein halbes Prozent der weltweiten Asylzahlen 2008/09. Weiterhin wird darüber diskutiert, ob das Aufnahmeverfahren für Asylsuchende außerhalb oder innerhalb der Landesgrenzen abgewickelt werden soll, ob Asylsuchende in geschlossenen Lagern interniert werden sollen, oder ob sie die gleichen Rechte haben sollen wie Flüchtlinge, die sich im Ausland einer Prüfung ihrer humanitären Aufnahmegründe unterzogen haben. Welche Auswirkungen die Migration auf das Bevölkerungswachstum hat, gehört im Moment zu den brennenden Fragen: Die Auseinandersetzung verläuft zwischen den Befürwortern eines "big Australia" mit einer rasch wachsenden Bevölkerung, und den Umweltschützern, die vor erheblichen negativen ökologischen Folgen eines Bevölkerungszuwachses warnen. Jüngste regierungspolitische Änderungen haben Studenten den Erhalt einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung erschwert. Die Zahl der Mangelberufe, für die es Punkte im Auswahlverfahren gibt, wurde drastisch reduziert. Die weltweite Finanzkrise führte zu einer vorübergehenden Senkung der Zahlen für qualifizierte Zuwanderer, aber bis 2010 lagen sie schon wieder auf Rekordniveau. 2009/10 verzeichnete Australien eine außergewöhnlich hohe Nettozuwanderung. Ein krasser Arbeitskräftemangel in bestimmten Sektoren und Regionen spricht dafür, dass sich sowohl die temporäre als auch die permanente Zuwanderung kurz- und mittelfristig weiterhin auf hohem Niveau halten werden. Langfristig gesehen wird die Alterung der Bevölkerung, wenn sie auch weniger dramatisch als in Europa und Japan verläuft, dafür sorgen, dass die internationale Migration in Australien auch zukünftig seine Bevölkerungsentwicklung, seine Gesellschaft und seine Wirtschaft nachhaltig beeinflussen wird.