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Emigration | Mexiko | bpb.de

Mexiko 2015: Aktuelle Entwicklungen Hintergrund Zuwanderung Emigration Irreguläre Migration Staatliche Strategien Herausforderungen Literatur

Emigration

David Fitzgerald

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Eines der ungewöhnlichsten Merkmale der mexikanischen Migration ist die Konzentration von 98 % der Auswanderer an einem Zielort – den USA.

Mexikanische Emigranten in den USA als Prozentsatz der mexikanischen Bevölkerung, 1900-2005 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Kontakt zum nördlichen Nachbarn besteht in sehr hohem Ausmaß: Ein Viertel der mexikanischen Erwachsenen hat die USA besucht oder dort gelebt, 60 % haben Verwandte, die dort leben. Rund 11 Millionen Mexikaner – etwa 11 % der mexikanischen Bevölkerung – lebten 2005 in den USA. Und jedes Jahr werden es schätzungsweise 400.000 mehr.

Mexikaner stellen die bei weitem größte nationale Gruppe unter den Zuwanderern in den USA. In Mexiko Geborene machten 2002 30 % der im Ausland geborenen US-Bevölkerung aus und sie stellten 21 % der regulär und geschätzte 57 % der irregulär Zugewanderten. Mittlerweile leben einschließlich der in den USA geborenen Nachfahren mexikanischer Zuwanderer insgesamt 25 Millionen Menschen mexikanischer Abstammung in den USA – das entspricht 8,7 % der US-Bevölkerung.

Veränderungen im Migrationsmuster in jüngerer Vergangenheit

"Mexikaner" in den USA nach Geburtsort, 1900-2000 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

In den letzten Jahren lässt sich für die Abwanderung von Mexiko in die USA ein differenzierteres Muster verzeichnen, sowohl hinsichtlich der regionalen Herkunft aus Mexiko wie auch der Verbreitung in den USA und der Aufenthaltsdauer.

Diversifizierung innerhalb Mexikos
Das Westliche Hochland in Mexiko ist im vergangenen Jahrhundert Hauptausgangspunkt der Abwanderung gewesen. Noch 2003 stammte ein Drittel der Mexikaner in den USA aus drei aneinandergrenzenden Bundesstaaten: Jalisco, Michoacán und Guanajuato. In prozentualen Anteilen verzeichnen die Staaten Zacatecas, Guanajuato, Michoacán, Nayarit und Durango in derselben Region die stärksten Abwanderungsbewegungen. Seit den 1990er Jahren ist jedoch Mexiko als Ganzes von der Auswanderung betroffen. Wie die Volkszählung aus dem Jahr 2000 ergab, verzeichneten 96 % der 2.443 municipios (Verwaltungsbezirke) des Landes Abwanderung oder den Empfang von Rücküberweisungen von Emigranten. Der Anteil des Südens sowie der Region um Mexico City an den mexikanischen Auswandererzahlen ist von 22 % im Jahr 1990 auf 30 % im Jahr 2005 angestiegen. Erstmals stellt auch der östliche Bundesstaat Veracruz am Golf von Mexiko eine wichtige Herkunftsregion dar.

Verbreitung in den USA
Die mexikanischstämmige Bevölkerung in den Vereinigten Staaten verstreut sich zunehmend über das gesamte Land. Lebten noch 1990 89 % der mexikanischen Zuwanderer in den Bundesstaaten Kalifornien, Texas, Illinois und Arizona, fiel diese Zahl bis 2002 auf 72 %. Wenngleich Kalifornien mit 42,8 % der mexikanischstämmigen Bevölkerung auch weiterhin der wichtigste Zielort bleibt, haben sich der Südosten und New York zu bedeutenden Zielregionen entwickelt. Georgia, Florida und North Carolina gehören nun zu den zehn häufigsten Zielen. Hohe Lebenshaltungskosten in den herkömmlichen Migrationszielen und die Aussicht auf Arbeit in der Geflügel- und Fleischindustrie des Mittleren Westens und des Südostens, in der Leichtindustrie und auf dem Bau treiben die Zerstreuung voran. Wenngleich die Löhne in Kalifornien höher sind als im Südosten und Mittleren Westen, verliert Kalifornien durch hohe Wohnkosten und einen gesättigten Arbeitsmarkt für niedrig qualifizierte Arbeitskräfte an Attraktivität.

Dauerhafte Ansiedlung
Mexikanische Migration in die USA war in den 1960er Jahren in der Regel überwiegend zirkuläre Migration von Männern, die regelmäßig in ihre Herkunftsorte in Mexiko zurückkehrten. Seitdem hat ein langfristiger Trend hin zu Abwanderungen ganzer Familien und dauerhafter Ansiedlung eingesetzt. Auch wenn Mexikaner im Südwesten nach wie vor überwiegend in der Landwirtschaft tätig sind, gehen die wenigsten noch einer Saisonarbeit nach. Sie arbeiten stattdessen zunehmend auch in anderen wirtschaftlichen Bereichen, insbesondere in der niedrig qualifizierten Dienstleistungsindustrie und im Baugewerbe. Diese Tätigkeiten sind immer weniger saisonabhängig, da gerade in der hochkapitalisierten Landwirtschaft Dauerbelegschaften benötigt werden, um Anlagen in Stand zu halten und ähnliche Aufgaben zu übernehmen.

Auch die Zuwanderungspolitik der USA treibt die dauerhafte Ansiedelung voran, bisweilen allerdings unbeabsichtigt. Das Gesetz zur Reform und Kontrolle der Zuwanderung von 1986 (Immigration Reform and Control Act, IRCA) beschleunigte den Trend zur dauerhaften Ansiedlung, indem 2,3 Millionen Mexikanern, die sich bis dahin illegal in den USA aufhielten, nachträglich eine Aufenthaltsgenehmigung bewilligt wurde. Diese wiederum finanzierten daraufhin den legalen Nachzug ihrer Familien oder bezahlten Schlepperkosten für sie.

Frauen machten sowohl vor als auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes im Durchschnitt etwas weniger als die Hälfte der registrierten Zuwanderer aus; ihr Anteil an den irregulär Zugewanderten ist jedoch seitdem von einem Viertel auf ein Drittel gestiegen.

Die Verstärkung des Grenzschutzes auf Seiten der USA seit 1993 hat ebenfalls die dauerhafte Ansiedlung mexikanischer Zuwanderer gefördert, da durch diese Maßnahmen die Preise für Menschenschmuggel in die Höhe getrieben wurden und die lebensbedrohlichen Risiken einer mehrmaligen irregulären Grenzüberschreitung zugenommen haben.

Andere Zuwanderungsrichtlinien haben den Trend zu dauerhafter Ansiedlung durch die Förderung der Einbürgerung verstärkt. In der Vergangenheit haben Mexikaner in den USA seltener als Menschen anderer nationaler Herkunft die US-amerikanische Staatsbürgerschaft beantragt, da sie oftmals nur für begrenzte Zeiträume zuwanderten oder zwischen den beiden Ländern pendelten, aber auch, weil die Annahme der US-Staatsbürgerschaft beinahe als Verrat am Heimatland Mexiko angesehen wurde. So ließen sich 1995 nur 19 % der berechtigten mexikanischen Zuwanderer einbürgern, gegenüber 66 % der europäischen und 56 % der asiatischen Zuwanderer. 2001 erhielt jedoch bereits über ein Drittel der berechtigten Mexikaner die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Diese Zunahme ist eine Reaktion auf das zuwanderungsfeindliche politische Klima, das Mitte der 1990er Jahre in den USA herrschte und sich in diversen Gesetzen bzw. Gesetzesvorlagen niederschlug. So sah beispielsweise 1994 ein Gesetzentwurf im Bundesstaat Kalifornien vor, irregulär Zugewanderten eine Reihe von Sozialleistungen zu verwehren; dieser Entwurf wurde jedoch gerichtlich zurückgewiesen. Der Illegal Immigration Reform and Immigrant Responsibility Act erleichtert seit 1996 auch die Abschiebung von Einwohnern mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung, wenn diese sich bestimmter Straftaten schuldig machen – der Bereich dieser Straftaten wurde seitdem ausgeweitet. Aus dem gleichen Jahr stammt der Personal Responsibility and Work Opportunity Reconciliation Act (zu Deutsch etwa 'Gesetz über die Abstimmung von persönlicher Verantwortung und Arbeitsmöglichkeiten'), der Sozialleistungen für Nicht-Staatsangehörige begrenzt. Diese Maßnahmen waren für viele Mexikaner Anlass, die US-Staatsbürgerschaft zu beantragen, um der zunehmenden Ungleichbehandlung zu entgehen.

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