Medien 2.0. Eine Zwischenbilanz
Konsumenten als Produzenten in Print-, Online- und Hörfunkmedien
Weblogs, Podcasts, Wikis: Klassische Medien setzen verstärkt auf Web 2.0-Formate. Beim Journalistenworkshop diskutierten Journalisten und Wissenschaftler über das Potenzial dieser Konzepte.- Interview Steffen Büffel, Kommunikations- und Medienwissenschaftler
- Interview Johnny Haeusler, Betreiber des Weblogs "Spreeblick"
- Interview Prof. Dr. Thomas Pleil, Diplom-Journalist und Professor für Public Relations
- Interview Dr. Christian Stöcker, Redakteur bei "Spiegel Online"
- Einladung zum Blog
- Statements von Teilnehmenden
Beim Workshop "Medien 2.0", zu dem das Journalistenprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung vom 28. bis 29. September 2006 in Frankfurt am Main eingeladen hatte, wurde intensiv diskutiert: über den Einsatz von Web 2.0-Formaten, den aktuellen Hype und das Potenzial für Verlage und Sender. Die rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Redaktionen des gesamten Bundesgebiets erfuhren, welche Konzepte funktionieren und debattierten darüber, welche Konsequenzen diese Entwicklungen für die journalistische Praxis wie auch für das journalistische Selbstverständnis haben.
Verlagshäuser und Sender wollen wissen, mit welcher Zielgruppe sie es zu tun haben, wenn sie neue Konzepte initiieren – eine Information, die Medienwissenschaftler Jan Schmidt von der Universität Bamberg für eine Sparte des Web 2.0-Komplexes liefern konnte. Schmidt stellte Auszüge aus seiner Studie über Weblog-Nutzer und Blogger vor. Den meisten, so die Erkenntnis, geht es dabei nicht um gesellschaftliche oder politische Botschaften: "Die Mehrheit der Blogger nutzt das Format, um unkompliziert persönliche Gedanken und Erlebnisse festzuhalten und mit anderen teilen zu können", so die Ergebnisse mit Blick auf den deutschsprachigen Raum. Christoph Dowe von der eDemocracy-Plattform "politik-digital.de" bremste die Vorstellungen von einem Massenphänomen und wies auf die "Ein-Prozent-Regel" hin: "Von 100 Nutzern wird einer Inhalte liefern."
Die Debatten auf dem Wokshop zeigten: Die Diskussion läuft derzeit auf Hochtouren. Wächst im Web eine neue Gegenöffentlichkeit heran? Sind Blogger Journalisten? Sollen Journalisten bloggen? Ist Web 2.0 nur ein großer Hype? Sebastian Basedow, erklärter Nicht-Journalist und Autor beim "Hauptstadtblog", betrachtet die Blogosphäre als eine von Verlagen unabhängige "Ergänzungsöffentlichkeit". Lokalzeitungen sollten allerdings wachsam sein, riet er: Blogs publizierten viele lokale Inhalte.
Vermehrt sich also die viel beschworene "Schwarmintelligenz", wie man sie beispielsweise von Wikipedia kennt und schätzt? Für Christoph Dowe sind viele der neuen Formate keine Revolution, sondern längst in anderen Web-Beteiligungsformen vorweggenommen, etwa bei Internet-Foren. Gelassenheit mahnte auch Thomas Wanhoff an, er ist Vorsitzender des deutschen Podcastverbands und Online-Redakteur bei "Die Welt": "Blogger sind authentisch im Ton und auf diese Weise erfolgreich", erläuterte er und empfahl Profi-Journalisten, sich die Beiträge von Bürgerjournalisten anzusehen, um davon zu lernen.
"Jeder sucht seine kleine Schublade", kommentierte Philip Graf Dönhoff die Diskussion. Der Geschäftsführer der "Netzeitung" hat für die "Readers Edition" des Online-Blattes ein "ausreichendes Budget" reserviert, um so die einfachen Möglichkeiten des Web 2.0 zu nutzen und interessante Beiträge zu erhalten. "Ich bin beeindruckt von der inhaltlichen Qualität der Texte", betonte er. Für Hauptstadtblogger Basedow hat dieses Format allerdings nichts mit Bürgerjournalismus zu tun, obwohl laut Dönhoff die Netzeitung Leserbeiträgen keine inhaltliche Richtung vorschreibe. Basedows Kriterium für authentische Citizen Media: Es darf kein Unternehmen dahinter stehen.
Dass große Firmen und Institutionen generell Misstrauen bei vielen Bloggern erzeu-gen, erlebt auch Christoph Hausel von der PR-Agentur "Element C", die für den Holtzbrinck-Verlag das Projekt "eLab" betreut. Das Konzept: Gemeinsam wolle man nutzerorientierte Internet-Anwendungen zur Marktreife führen und dabei auch externe Fachleute einbinden. "Wir wollten Projekte mit Usern testen, haben dabei aber eine Watschn kassiert", berichtete Hausel. Den Nutzern war offenbar die Informationspolitik von Holtzbrinck zu mager, weswegen sie in der IT-Community Druck erzeugten. "Hier haben Blogger durchaus Macht und Einfluss", musste das eLab-Team um Hausel erkennen. Daran anschließend äußerte Podcaster Thomas Wanhoff umfassend Kritik: "Unternehmen kapieren nicht, was Kommunikation bedeutet. Stattdessen verklagen sie kritische Blogger und der Ärger multipliziert sich." Überhaupt finde er es "schrecklich", wenn Blogger eingekauft würden, um sie mundtot zu machen, sie in einem frühen Stadium zu vereinnahmen und unter psychischen Druck zu setzen. Insgesamt aber gab er sich zuversichtlich: "Die Masse der Blogger lässt sich nicht kontrollieren." Eine Idee, die mit einem Augenzwinkern immer wieder aufgegriffen wurde, war zu Beginn von Christoph Dowe von politik-digital.de eingeführt worden. Vielleicht, so die Überlegung, ließe sich mittels alternativer Modelle die Qualität in der Blogosphäre steigern. Dowe ersann die "NEZ", eine "NetzEntwicklungsZentrale", die qualitätsvolle Inhalte im Internet kennzeichnen und finanziell unterstützen könnte – mit dem Geld aus der umstrittenen PC-Gebühr der GEZ: "So könnten öffentlich-rechtliche Inseln im Web entstehen."
Text: Volker Dick