Nadelstiche in Moskau
Boris Reitschuster über seine Arbeit und seine Erfahrungen als Korrespondent in Russland
Boris Reitschuster über seine Arbeit und seine Erfahrungen als Korrespondent in Russlandbpb: Herr Reitschuster, wie schwierig ist es denn, "russische" Themen in deutschen Medien unterzubringen?
Reitschuster: Es ist sehr viel schwieriger geworden. Nach dem Fall der Mauer und in der Gorbatschow-Zeit gab es eine große Euphorie, damals wurde viel aus Russland berichtet. Im Moment lässt dieses Interesse sehr stark nach und man fokussiert sich mehr auf den Nahen Osten und islamische Themen.
bpb: Und was wird dann letztlich von deutschen Medien ausgewählt und publiziert?
Reitschuster: Die Berichterstattung ist zum einen immer dann gefragt, wenn Deutschland betroffen ist. Von Interesse sind aber auch Themen wie Menschenrechte, Demokratieentwicklung in Russland, klassische menschliche Geschichten, Schicksale und bunte Themen. Leider sorgen auch immer wieder sehr tragische Ereignisse dafür, dass Russland in die Medien kommt, Beslan zum Beispiel.
bpb: Beschreiben Sie doch mal die Situation der Medien in Russland. Repressalien für einheimische Journalisten sind ja nun nicht gerade unbekannt...
Reitschuster: Die Repressalien für inländische Journalisten sind tatsächlich groß. Die Presselandschaft ist weitgehend gleichgeschaltet, aber es gibt einige kleinere Medien, denen man Nischen lässt und die noch frei arbeiten können. Die aber auch mit großen Problemen zu kämpfen haben! Da kommt es schon mal vor, dass ein widerborstiger Journalist zur Armee einberufen wird oder dass die Steuerpolizei irgendwas findet.
bpb: Und wie können ausländische Medienmacher, also, Sie und Ihre Kollegen, in Russland arbeiten?
Reitschuster: Bei den ausländischen Journalisten ist es so, dass man sich darauf beschränkt, mit der "bürokratischen Keule" zuzuschlagen und das Leben ein bisschen unangenehmer zu machen. Man hat ständig einen Wust an Bürokratie vor sich und es ist beispielsweise ein Riesenaufwand, Mietverträge abzuschließen. Ein anderer konkreter Punkt ist, dass Akkreditierungen nur noch für ein Jahr ausgegeben werden. Im Moment sind das Nadelstiche, mit dem Vorschlaghammer wird noch nicht gegen uns angegangen. Aber natürlich gibt es Beispiele, dass Journalisten ausgewiesen werden. Das passiert immer öfter.
bpb: Macht Ihnen denn die Arbeit unter diesen Umständen noch Spaß? Oder wünschen Sie sich doch manchmal an einen anderen Ort?
Reitschuster: Es ist interessant, aber es ist tatsächlich sehr schwierig. Wie die Russen sagen: Man erlebt in einem Jahr mehr, als in drei Jahren an einem anderen Ort. Man braucht ein starkes Nervenkostüm und natürlich hat man Momente, in denen man sich einen ruhigeren Job wünscht. Aber es ist auch ein Auftrag, dass man hier bleibt, wo es diese Probleme gibt, und dass man diese Probleme beschreibt.
bpb: Heute sind Sie Leiter des FOCUS-Büros in Moskau. Wie begann eigentlich Ihr Weg in die Medien?
Reitschuster: Ganz zu Anfang habe ich einfach Artikel geschrieben und angeboten. Da habe ich noch nicht den Fuß in die Tür bekommen, aber einen kleinen Zeh. Dann wurden es immer mehr Zehen. Und schließlich der Fuß. Ich denke, das ist der beste Einstieg.
bpb: Was raten Sie also jungen Journalisten?
Reitschuster: Immer Artikel anzubieten, vor allem auf Qualität zu achten, mutig und beharrlich zu sein.
Interview: Barbara Lich, Anne Haeming