Gute Gene, schlechte Gene?
Gentechnik, Genforschung und Consumer Genetics
Die Frau und ihr Embryo
Einen wichtigen Aspekt in der Debatte um embryonale Stammzellenforschung und Präimplantationsdiagnostik lieferte Prof. Dr. Claudia Wiesemann, Präsidentin der Akademie für Ethik in der Medizin an der Universität Göttingen, mit ihrem Vortrag "Die Frau und ihr Embryo – Neue Ansätze in der frauenpolitischen Diskussion". Sie betonte, dass aufgrund zu lange geführter, häufig abstrakter Grundsatzdiskussionen entscheidende Fragen des praktischen Umgangs nicht mehr mit der gebotenen Sorgfalt bedacht würden. Sowohl die Positionen von Kritikern als auch von Befürwortern der Präimplantationsdiagnostik stimmten nicht mehr mit den Erfordernissen der Lebenswirklichkeit überein. Die Betrachtung des Embryos als isoliertes Individuum rufe ein Zerrbild hervor, das eine egoistische, von Einzelgängern bevölkerte Gesellschaft simuliere. Ein moralischer Pragmatismus erfordere jedoch die Betrachtung von Embryo und Mutter als Einheit, deren wesentliche Charakteristika seelische, körperliche und biographische Verbundenheit von Embryo und schwangerer Frau seien. Sowohl in Hinblick auf die Präimplantationsdiagnostik als auch in der Debatte um embryonale Stammzellenforschung vertrat Prof. Dr. Wiesemann einen liberalen Standpunkt, den sie aber stets mit der Auflage versieht, pragmatische, wirklichkeitsnahe Debatten zu führen und die Frau und ihren Embryo als Einheit zu betrachten. Dabei formulierte sie den deutlichen Appell, Krankheit und Leid nicht zu glorifizieren, beides jedoch zugleich als natürlichen Bestandteil der menschlichen Existenz zu betrachten.Dr. Kathryn Pauly Morgan, Professorin der Philosophie, Frauen- und Genderstudien und Bioethik an der Universität Toronto, führte die Debatte um embryonale Forschung und Humangenetik unter feministischen Gesichtspunkten fort. Sie unterstrich die Auswirkungen, die bioethische Entwicklungen auf die Rolle der Frau in Gesellschaft und Politik haben. Mit dem Titel "Genetisierung der Mütter" betonte Kathryn Pauly Morgan, dass die Frau als fruchtbares, in der medizinisch-wissenschaftlichen Betrachtung als "(Gen)Material spendendes" Individuum in den gesellschaftlichen Kontext eingebunden wird. Dabei stellte sie dar, dass Frauen paradoxer Weise sowohl eine Zunahme als auch eine Abnahme ihrer persönlichen Autonomie in Bezug auf die moderne Genetik erfahren können. Diese genderbedingten Einflüsse auf die individuelle Positionierung von Frauen in der Gesellschaft wurden ebenfalls von Erika Feyerabend aufgegriffen, die mit ihrer These, der institutionelle Kontext wirke sich kombiniert mit gesellschaftlichen Gesundheitsidealen, Leistungsansprüchen und Reproduktionserwartungen erzieherisch auf Frauen aus, einen deutlich gesellschaftskritischen Gesichtspunkt in die Debatte einbrachte. Das frei entscheidende, urteilende und verantwortende "autonome Subjekt" bezeichnete sie als Fiktion.