8 Thesen - Zur Präimplantationsdiagnostik und Forschung an embryonalen Stammzellen
Acht Thesen zur Präimplantationsdiagnostik und Forschung an embryonalen Stammzellen stellt Prof. Dr. Claudia Wiesemann im Zusammenhang mit dem Kongress "Gute Gene, schlechte Gene" vor.1. In der Debatte über den moralischen Status des Embryos stehen sich seit nun mittlerweile 40 Jahren zwei unversöhnliche Positionen gegenüber: auf der einen Seite die des absoluten, auf der anderen die des abgestuften Lebensschutzes. Eine Lösung dieses Konflikts ist nicht in Sicht.
2. In wichtigen Punkten stimmen beide Positionen nicht mit der Lebenswirklichkeit überein.
3. Auch der jeweilige Gegner kann meist moralisch respektable Gründe für seine Haltung aufführen.
4. Wenn abstrakte Grundsatzdiskussionen zu lange geführt werden, werden wichtige Fragen des praktischen Umgangs nicht mehr mit der eigentlich gebotenen Sorgfalt bedacht.
5. Die aktuelle Ethik-Debatte konzentriert sich nahezu ausschließlich auf die Rechte isolierter Individuen, die gegeneinander abgewogen werden. Damit erzeugt man das Zerrbild einer Gesellschaft aus lauter Einzelgängern und Egoisten. Der leiblichen, seelischen und biographischen Beziehung von Embryo und schwangerer Frau wird dies in keiner Weise gerecht. Stattdessen sollte die Ethik die Sorge für Menschen, die in Beziehungen zueinander stehen, in den Mittelpunkt stellen.
6. Ein moralischer Pragmatismus setzt sich daher menschennahe, praktisch zu verwirklichende Ziele, z. B.:
- Menschen darin zu stärken, verantwortlich Elternschaft zu übernehmen. Dies setzt ein gewisses Ausmaß an Entscheidungsautonomie voraus,
- die Interessen des Embryos und zukünftigen Kindes im Einklang mit denen seiner Mutter und seines Vaters zu schützen,
- Krankheit und Leid nicht zu glorifizieren, vermeidbare und behandelbare Krankheiten also zu vermeiden und zu behandeln,
- Krankheit und Leid aber auch als normalen Bestandteil menschlicher Existenz zu begreifen, Humanität also darin zu beweisen, wie gemeinsam damit umgegangen wird.
- sie wie die Pränataldiagnostik hilft, schweres Leid von Familien abzuwenden,
- sie nicht so eingesetzt wird, dass Eltern unzumutbare Verantwortung – z. B. für das Aussehen oder die Intelligenz ihres Kindes – aufgebürdet wird ("Design-Baby"),
- sie nicht dazu führt, dass die Unterstützung von Behinderten und ihren Familien vernachlässigt wird und
- ihr Einsatz und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen sorgfältig überwacht werden.
- sie mit Embryonen durchgeführt wird, die nicht eigens zu diesem Zweck erzeugt wurden und die ansonsten verworfen werden würden,
- die Spenderin und der Spender des Embryos sich damit einverstanden erklärt haben,
- ihr Einsatz und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen sorgfältig überwacht werden und
- moralisch weniger problematische Alternativen weiterhin mit Nachdruck gefördert werden.
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