"Angebot und Nachfrage"
Initial geprägt wurde die Einführung genetischer Testangebote zu Beginn der 70er Jahre in Deutschland durch die Einführung der invasiven Pränataldiagnostik (PD) numerischer und struktureller Chromosomenstörungen beim Feten an Hand von im Fruchtwasser abgeschilferten fetalen Zellen (Amniozentese).Einstellungen und Erfahrung von Ärzten und Patienten beim Umgang mit der Pränataldiagnostik in Deutschland
Initial geprägt wurde die Einführung genetischer Testangebote zu Beginn der 70er Jahre in Deutschland durch die Einführung der invasiven Pränataldiagnostik (PD) numerischer und struktureller Chromosomenstörungen beim Feten an Hand von im Fruchtwasser abgeschilferten fetalen Zellen (Amniozentese). Im Vordergrund stand dabei die Entwicklung eines Untersuchungsverfahrens zur Identifizierung von Feten mit einer Trisomie 21 (Down Syndrom). Begründet wurde dies mit der relativ hohen Prävalenz dieser Chromosomenstörung im Vergleich zu anderen Chromosomenstörungen, der relativ leichten Identifizierung von Gruppen mit einem a priori erkennbar erhöhtem Risiko für die Geburt eines Kindes mit diesem Syndrom und den klinischen Merkmalen des Krankheitsbildes.
Konzeptionell war ursprünglich vorgesehen, dass vor jeder invasiven PD eine ausführliche Information und Beratung durch einen genetischen Berater zu erfolgen habe, damit die Schwangere, in Kenntnis ihres altersbedingten Risikos, des Eingriffsrisikos und der zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen (Fortsetzung oder Abbruch der Schwangerschaft), sich qualifiziert für oder gegen eine invasive PD entscheiden konnte.
Heute wird immer mehr Schwangeren die PD mit relativ wenig vorhergehender Aufklärung und Information angeboten. Gleichzeitig steigt die Anzahl der in der Bundesrepublik durchgeführten invasiven PD ständig an mit der Tendenz, die Risikospezifizierung für Fehlbildungen und Syndrome auf alle Schwangeren auszudehnen.
Wodurch sind die Steigerungsraten zu erklären?
Aufgrund dieser Ausweitung werden heute immer mehr Frauen der Entscheidung für oder gegen eine PD ausgesetzt. Das sich daraus abzeichnende Problem ist, dass viele Frauen vor der Durchführung von Testverfahren, nicht ausreichend informiert werden, um eine qualifizierte, auf der Basis ihrer eigenen Wertmaßstäbe beruhende Entscheidung für oder gegen eine PD fällen zu können, so dass in der PD die Unabhängigkeit von Angebot und Nachfrage zumindest dann stark gefährdet zu sein scheint, wenn die Einholung eines qualifizierten "informed consent" vernachlässigt wird. Eine anbieterdeterminierte Nachfrage, in der der Arzt die Durchführung einer PD entscheidend beeinflusst, ist im Kontext der damit verbundenen potentiellen ethischen Konfliktlagen und möglichen Konsequenzen abzulehnen.
Pränatale Diagnostik und die damit verbundene Selektion ist eine Realität. Vorsicht sollte allerdings geboten sein aus der Entwicklung der PD den Schluss zu ziehen, dass sie zukünftig eine Welle ungebremster Selektion auslösen wird.