Elternschaft zwischen Risiko-
wahrnehmung und Entscheidungszwang
Thesen zu Elternschaft zwischen Risikowahrnehmung und Entscheidungszwang stellt Erika Feyerabend im Zusammenhang mit dem Kongress "Gute Gene, schlechte Gene" vor.
Anbieter der humangenetischen Diagnostik und Fortpflanzungstechnologien legitimieren ihre Offerten in der Regel damit, dass die Frauen bzw. Paare freiwillig entscheiden und auch selbstbestimmt wollen, was die Medizin zu bieten hat. Damit wird die Verantwortung für die persönlichen und gesellschaftlichen Folgen allein den Paaren angelastet. Und tatsächlich wird die Perfektionierung des Nachwuchses nicht zwangsverordnet. Tatsächlich gibt es "Nachfragedruck". Das "autonome Subjekt", das frei entscheidet, urteilt und vor allem verantwortet, ist aber eine Fiktion. Der institutionelle Kontext, mit seinen Reihenuntersuchungen, Risikomanagement, Qualitätsurteilen und Rechtsansprüchen erzieht die Subjekte ebenso wie der erweiterte gesellschaftliche Kontext mit seinen Gesundheitsidealen, Leistungsansprüchen und Reproduktionserwartungen an Frauen.
Jede neue Generation von Verfahren genetischer Analyse, jeder strukturelle Ausbau des Vorsorgemarktes erweitert das Wissen über das, was in der Schwangerschaft "schief gehen könnte". Die "Befürchtungen" nehmen rapide zu und damit das "Risiko" und die Mitmachbereitschaft. Die Zukunft, die eigene wie die der Kinder wird immer entscheidungsabhängiger. Eltern verantworten heute nicht allein die Erziehung und soziale Kompetenz ihrer Kinder, sondern auch ihre gesundheitliche Qualität. Diesem Entscheidungszwang kann sich niemand entziehen. Die Fortpflanzungsangebote gestalten aber nicht nur das Wollen von Frauen oder Paaren. Der Durchgriff gelingt bis zum gespürten Leib, der zum kontrollbedürften und risikoträchtigen Körper geworden ist.