Interview mit Andreas Dresen
"Ein Publikumspreis ist immer etwas ganz besonderes,“ freut sich der diesjährige Preisträger Andreas Dresen. Der Regisseur zeichnet in seinen Filmen ein realistisches Bild vom ost-deutschen Alltag jenseits aller Vorurteile und wirbt so um Verständnis zwischen West und Ost.
Ein Publikumspreis ist immer etwas ganz besonderes und natürlich freue ich mich sehr, wenn die Zuschauer meine Arbeit schätzen. Die Filme beschäftigen sich zum Teil ja durchaus mit schwierigen Themen. Aber jeder der anderen Nominierten hätte den Preis auch verdient.
Wie haben Sie das Thema Ost-West in Ihren Filmen aufgegriffen?
Ich habe nach der Wende 3 Filme gemacht, die sich ganz direkt mit dem Leben in der DDR auseinandergesetzt haben. Dabei ging es mir vor allem darum, nicht in einfache Schwarz-Weiß-Muster zu verfallen. Das Leben im Osten hatte viele Facetten und es gab nicht nur Opfer und Täter. Gerade die Zwischentöne und Widersprüchlichkeiten sind ja häufig besonders interessant.
Sie sprachen in Ihrer Dankesrede davon, dass Ihre Filme in den 90er Jahren beim Publikum nicht ankamen. Woran lag/liegt das?
Vielleicht kamen sie einfach nur ein wenig zu früh. Die Leute im Osten hatten Probleme, ihr praktisches Leben in den Griff zu kriegen und wollten lieber nach vorne schauen. Es brauchte wohl auf beiden Seiten ein wenig Distanz. Und dann waren ja auch erst mal Komödien, zugespitzte Sichten interessant. Für eine subtilere Betrachtung war die Zeit vielleicht einfach nicht reif. Aber jetzt möchte ich mich auch filmisch doch wieder mit der DDR befassen. Es wäre schade, wenn die Deutungshoheit über solch ein wichtiges Thema am Ende nur noch bei Menschen liegt, die gar nicht dabei gewesen sind.
Was bedeutet das Thema "Deutsche Einheit" im Jahr 2012 für Sie?
Ein Prozess, der noch viele Jahre dauern wird. Aber das ist normal und nicht schlimm. Persönlich empfinde ich es als großes Geschenk, solch einen gesellschaftlichen Transformationsprozess miterleben zu dürfen. Das ist natürlich auch eine Quelle für interessante Geschichten.
Wo gibt es aus Ihrer Sicht nach wie vor Probleme zwischen Ost und West?
Insgesamt ging es nach der Wende zu schnell. Vor allem mit der Währungsunion waren viele Leute im Osten zu ungeduldig und die Politiker zu beflissen. Ein wenig mehr Ruhe hätte wohl allen geholfen, besser darüber nachzudenken, wie man das Geschenk der Einheit für eine Reform der gesamten deutschen Gesellschaft nutzen kann. So wurde lediglich das System des Westens über den Osten gestülpt. Schade! Denn das ist eine der Ursachen dafür, dass vor allem viele ältere Menschen im Osten das Gefühl haben, ihre Lebensleistung in der DDR würde nicht geachtet. In meinem Alltag ist die Einheit komplett vollzogen, ich denke keineswegs mehr darüber nach, wer aus dem Westen oder Osten kommt. Aber bei vielen gibt es trotzdem noch eine Menge Vorurteile.
Wie können Sie als Filmemacher dazu beitragen, dem entgegen zu wirken?
Ich bin kein Politiker, ich erzähle Geschichten über Menschen. Dabei versuche ich, so genau wie möglich zu sein. Das kann dann vielleicht schon ein Beitrag sein, denn man begreift menschliches Verhalten besser, wenn es in seiner ganzen Vielschichtigkeit zu sehen ist.
Haben Sie schon Pläne für das Preisgeld?
Ich werde es an gemeinnützige Organisationen spenden, denen ich mich seit Jahren verbunden fühle. Ich halte aber nicht viel davon, über Spenden in der Öffentlichkeit zu reden, es geht um die Sache, nicht um den Spender.
Das Interview wurde geführt von Miriam Vogel, bpb